1. Welche KI-Anwendungen im Handel (Online, Stationär, Crosschannel) kennen Sie (außer vielleicht Amazon Echo)? Können Sie ein, zwei Beispiele nennen?
Dr. Dominique Ziegelmayer: Im Online-Handel sind vor allem Chat- und Service-Bots zu nennen. Dies sind intelligente Programme, die zum Beispiel im Live-Chat auf der Händlerseite zu Produktdetails, einer Lieferung oder einer Retoure befragt werden können. Beeindruckend dabei finde ich, dass die Systeme zum Teil so gut sind, dass man nicht sicher ist, ob man nun mit einem Menschen oder einer Maschine spricht.
Eine Anwendung die gleichermaßen im Online- als auch im Offlinehandel Anwendung findet, sind intelligente Prognosesysteme. Diese lernen zum Beispiel aus vergangenen Bestellungen, bilden Käufergruppen und betrachten saisonale Effekte. Aus den gewonnen Einsichten prognostizieren sie z.B. den Absatz der Produkte und wissen im Optimalfall noch vor dem Konsumenten, was als nächstes bestellt wird. Wozu kann man das brauchen? Ganz einfach, wir können unsere Webseiten auf die entsprechenden Produktgruppen ausrichten, unseren Einkauf veranlassen das Lager entsprechend zu bestücken und letztendlich die Versandzeiten weiter verkürzen.
2. Wie weit ist der Handel in Sachen KI? Stehen wir noch ganz am Anfang oder ist bereits Fortschritt erkennbar? Setzen sich die Handelsunternehmen zumindest mit dem Thema auseinander?
Dr. Dominique Ziegelmayer: Gerade die Marktführer im Online-Bereich zeigen erste interessante Anwendungen auf. Neben Bots und Prognosesystemen ist da zum Beispiel die Personalisierung und die Betrugsprävention zu nennen. Hier sind maschinelle Lernverfahren schlicht nicht mehr wegzudenken. Über alle Marktteilnehmer hinweg würde ich jedoch behaupten, dass wir die Möglichkeiten der KI bei weitem noch nicht ausnutzen.
3. Wo hat Künstliche Intelligenz in Zukunft größere Bedeutung? Im Online- oder Offlinehandel?
Dr. Dominique Ziegelmayer: Für maschinelle Lernverfahren benötigen wir zwei Dinge: Technologie und Daten. Da der Online-Bereich hier offensichtlich besser aufgestellt ist, spreche ich ihm eine gewisse Vorreiterrolle zu. Ich denke jedoch, dass Online- und Offlinehandel zunehmend zusammenwachsen und wir damit eine einheitliche Datenbasis für unsere Algorithmen erhalten werden. Die Vorteile eines solchen holistischen Blicks auf den Kunden sehen wir mit Trusted Enterprise bereits heute, denn nur durch die Kombination von Online- und Offline-Daten kann unsere KI für unsere Kunden treffend entscheiden, wann wir einen Konsumenten um Feedback bitten und an welche Systeme und Abteilungen wir dieses weiterleiten.
4. Hand aufs Herz: Wie groß wird – realistisch/konservativ gesehen – die Durchdringung von KI im Handel in zwei, fünf und zehn Jahren sein?
Dr. Dominique Ziegelmayer: Wenn man sich die rasante Entwicklung der letzten Jahre ansieht, glaube ich, dass es bereits in wenigen Jahren kaum mehr einen Wirtschaftsbereich gibt, der auf KI verzichten kann. Die Datenmengen wachsen mit einer rasanten Geschwindigkeit und das befeuert die Technik doppelt: Zum Einen bilden diese den Ausgangspunkt für maschinelles lernen, zum Anderen machen Sie eine intelligente Datenselektion notwendig. Denn niemand möchte morgen noch hunderte Dokumente prüfen, wenn nur 2-3 relevant für eine Entscheidung sind. Diese Entwicklung wird auch nicht vor dem Handel haltmachen und so gehe ich von einer starken Durchdringung in den nächsten 5-10 Jahren aus.
5. Welche Rolle wird KI im B2B-Handel spielen? Wird der Einfluss hier vielleicht noch viel größer sein, weil Kundenbeziehungen länger und intensiver, und gleichzeitig Investitionen größer sind?
Dr. Dominique Ziegelmayer: Gerade auf Grund der intensiven und persönlichen Kundenbeziehungen im B2B-Bereich, wird die Rolle der KI vermutlich geringer sein als in einem Massengeschäft. Insgesamt denke ich aber, dass es auf die Anwendungsfälle und weniger das Kundensegment ankommt.
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