Herr Brandt, können Sie uns die BW Papersystems Hamburg kurz vorstellen?
Martin Brandt: Gern. Gegründet vor 150 Jahren als E.C.H Will war unser Unternehmen wie unsere Schwesterfirmen Pemco und Kugler-Womako viele Jahre Teil der Körber-Gruppe. Im Jahr 2014 hat der Barry-Wehmiller-Konzern alle drei Firmen übernommen. Insgesamt zählen weltweit 90 Firmen zum Konzern. Knapp ein Dutzend davon ist im Druck- und Papierbereich aktiv und in BW Papersystems als Gruppe und gemeinsamer Dachmarke vereint. Seit 2015 gehört auch der Papierverarbeitungsbereich von bielomatik dazu. In Hamburg haben wir 200 Mitarbeiter, gesunde Umsätze und ein Forschungs- und Entwicklungs-(F&E)-Budget, das sich erfreulicherweise über den im Maschinenbau üblichen 3 bis 5,5 Prozent bewegt.
Führt die BW-Gruppe die bisherigen Marken weiter?
Brandt: Unsere neun Marken haben sich über Jahre etabliert. Sie bedienen verschiedene Märkte, Technologiesegmente und Regionen. Es wäre fatal, sie aufzugeben.
Wie unterscheiden sich die Angebote der Marken?
Brandt: Wir in Hamburg entwickeln und fertigen unter der Marke WillPemcoBielomatik vor allem Kleinformatlinien, also Schneidsysteme und Verpackungslinien für Kopierpapier. Mit der bielomatik-Akquisition ist unser Angebot hier um Anlagen mit geringeren Arbeitsbreiten gewachsen. Daneben haben wir Großformatschneider im Hochleistungsbereich, Großformat-Verpackungsmaschinen und Schulheftstraßen im Programm. Dagegen ist unsere Schwester MarquipWardUnited klassisch in den Bereichen Wellpappe und Großformatschneiden von Karton und Feinpapier unterwegs. Zum Papierbereich unserer Gruppe gehören zudem die Marken SHM, JAG Synchro, Kugler-Womako, Wrapmatic und BW Bielomatik.
Wie sind die Verantwortungsbereiche in diesen gewachsenen Strukturen getrennt?
Brandt: BWP ruht auf drei Produkt-Säulen, die wir in Farben unterteilen: Braun steht für alle Produkte im Bereich Wellpappe. Weiß für unsere Technik zum Schneiden und Verarbeiten von Papier und Karton. Und Blau ist die gesamte Papierverarbeitung im Druckbereich, also Schulhefte, Spiralblöcke oder Technik für Fotobücher und den Book-on-Demand-Markt. So grenzen wir die Verantwortungsbereiche ab. Daneben steuert unsere Muttergesellschaft viel Erfahrungen bei. Sie schärft die Profile ihrer rund 90 Töchter und erkennt Synergien.
Welche weiteren Vorteile bietet die Konzernstruktur?
Brandt: Wir pflegen einen sehr offenen Umgang und unterstützen uns bei Innovationen. Der enorme Erfahrungsschatz und die verschiedenen kulturellen Perspektiven sind bereichernd. Es gehen Türen auf, wo wir als Einzelunternehmen an Wände stießen. F&E betreiben alle Standorte eigenverantwortlich, aber die Gruppe managt die Aktivitäten professionell. Erfüllt ein F&E-Projekt die Qualitätskriterien, bündeln wir die Kräfte und sind so mit Innovationen schneller am Markt. Der Innovationsgeist der BW-Gruppe drückt sich u.a. in zwei Regeln aus: Wir sind gehalten, 50 Prozent unserer Umsätze mit Produkten zu erzielen, die jünger als vier Jahre sind. Und 70 Prozent unseres Engineerings muss auftragsbezogen sein, wovon 70 Prozent in Neuentwicklungen fließen. Diese ehrgeizigen Ziele spornen enorm an.
Ist das in Ihrem angestammten Markt – der Druck- und Papierindustrie – machbar?
Brandt: Ja. Wir sind und bleiben fest in der Druck- und Papierindustrie verankert. Natürlich mussten wir uns den Veränderungen anpassen und sind heute kleiner, als vor 20 Jahren. Aber das Neuanlagengeschäft hat sich auf gutem Niveau stabilisiert. Wachstumssprünge erwarten wir nicht. Dafür sehen wir Potential im Aftermarket und Servicebereich: Aus- und Umbauten von installierten Anlagen, Ersatzteilversorgung und globaler Service.
Schulen setzen auf Digitalisierung und lose Arbeitsblätter. Haben Schulhefte Zukunft?
Brandt: Solange Kinder lernen, von Hand zu malen und schreiben, mache ich mir da wenig Sorgen. Papier ist dafür das beste und günstigste Medium – wer seine ersten Schritte damit macht, kommt immer wieder darauf zurück. Schreibblöcke und Schulhefte sind wegen der Alphabetisierung global gefragt. Der Geschäftsbereich ist stabil.
Digitalisierung verändert auch Druckereien und die Papierverarbeitung. Steigt die Nachfrage im Bereich Print 4.0 beziehungsweise Industrie 4.0?
Brandt: Ja. Wir liefern seit über einem Jahrzehnt Fernwartungssysteme und Manufacturing Execution Systeme (MES). In vielen Großanlagen sind wir ganz für die Auftragssteuerung verantwortlich. Über den Status-Quo hinaus wird die Nachfrage steigen: Selbsterklärende Maschinen für Regionen mit Fachkräftemangel, proaktive Wartungshinweise, automatische Ersatzteilbestellung und Vieles mehr. Für uns sind das seit Jahren Top-Themen.
Gibt es weitere F&E-Themen?
Brandt: Wir entwickeln unser Kernknowhow ständig weiter. Bei uns in Hamburg geht es v.a. um das Schneiden aller Materialien, die von der Rolle kommen und den Bogentransport. Wir betreiben eigens ein Testlabor, damit unsere Verarbeitungstechnik mit der Veränderung der Materialwelt Schritt hält. Die Forschungsthemen gehen uns ganz sicher nicht aus.
Wie gehen Sie das Thema Automation im Papierverarbeitungsmarkt an?
Brandt: Papierverarbeiter brauchen Maschinen, die trotz häufiger Auftragswechsel produktiv arbeiten. Ein Schwerpunkt liegt darauf, Umrüstzeiten zu minimieren und Formatwechsel zum Beispiel von DIN- auf japanische oder amerikanische Formate on-the-fly zu ermöglichen.
Abschlussfrage: Was sehen Sie, wenn Sie an BW Papersystems im Jahr 2030 denken?
Brandt: Der ständige Perspektivenwechsel, der globale Austausch und die Innovationskultur im Barry-Wehmiller-Konzern haben zur dynamischen Fortentwicklung beigetragen. Da unser globales Experten- und Servicenetzwerk noch enger geknüpft ist, ist die Ersatzteilversorgung eine Frage von Stunden oder Tagen. Servicetechniker müssen nur in Ausnahmefällen um die Welt fliegen. Unsere Maschinen sind selbsterklärend, sodass unsere Kunden Störungen oft selbst beheben können. Wir liefern innovative Neuanlagen zur Verarbeitung verschiedenster Materialien und bieten vielfältige Lösungen zur Modernisierung von Bestandsmaschinen an.
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