OLG-Urteil: Ungültige Widerrufsbelehrung ermöglicht Ausstieg aus Immobilienkredit

Die unklar formulierten Details zur Gebäudeversicherung und ihren Kosten ermöglichen den Widerruf von Darlehensverträgen zahlreicher Bausparkassen, Banken und Versicherungen. Allein in Nordrhein-Westfalen sind vermutlich mehr als 100.000 Darlehensverträge betroffen.

Ein Urteil* von enormer Sprengkraft ist es, was Dr. Jochen Strohmeyer, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht der mzs Rechtsanwälte Düsseldorf, vor dem OLG Düsseldorf für seinen Mandanten erstritten hat.

Sein Mandant widerrief erfolgreich ein Verbraucherdarlehen mit der Wüstenrot-Bausparkasse, das am 26. August 2010 abgeschlossen wurde. Der Vertrag, der als Vorausdarlehen mit Bausparvertrag und Risikolebensversicherung abgeschlossen wurde, muss nun komplett zurückabgewickelt werden. Die Bausparkasse wurde verurteilt, den Kläger gegen Zahlung des noch offenen Darlehens ohne eine so genannte Vorfälligkeitsentschädigung aus dem Darlehen zu erlassen. Nach dem Urteil kann er das verbleibende Darlehen zu den nach wie vor äußerst günstigen Zinsen durch eine beliebige andere Bank umfinanzieren. Die Gesamtersparnis des Mandanten dürfte, so Dr. Strohmeyer, bei ca. EUR 15.000,- liegen.

Der Fall

Der Mönchengladbacher Mandant hatte mit der Bausparkasse eine Finanzierungsvereinbarung über ein so genanntes Vorausdarlehen in Höhe von 50.000 Euro zu einem Festzins von 3,5 % vereinbart. Zugleich schloss er ein Bausparvertrag ab, mit dessen Zuteilung und Sparrate das Darlehen letztlich abgezahlt werden sollte. Das Vorausdarlehen und der Bausparvertrag waren unter anderem durch Grundschulden auf der vom Kläger bewohnten Immobilie in Mönchengladbach abgesichert worden. Zudem war eine Risikolebensversicherung Bestandteil des Vertrages. Am 23. Januar 2015 widerrief der Mandant diesen Vertrag. Die Bausparkasse wehrte sich dagegen und unterlag nun. Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Der Fehler

"Dieses komplexe Finanzierungsgebilde erfordert eine umfassende und verständliche Information über die Details, damit der Kreditnehmer weiß, was er unterschreibt", sagt Dr. Jochen Strohmeyer, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht der mzs Rechtsanwälte. Schließlich war es der Satz "Es können sich an Dritte zu zahlende Kosten die Notar- und Grundbuchkosten sowie Kosten für die Gebäudeversicherung ergeben" in der Widerrufsbelehrung auf Seite 5 des Vertragsangebotes und die weiteren Details zur Gebäudeversicherung. Sie führten dazu, dass die Bausparkasse nicht nur diesen Vertrag, sondern sie und andere Bausparkassen, Banken und Versicherungen womöglich hundertausende weitere Verträge rückabwickeln müssen, bei denen vergleichbare Formulierungen verwendet wurden.

Das Urteil

Das OLG Düsseldorf urteilte: Der Vertrag hatte nicht die vorgeschriebenen Hinweise auf die von der Bausparkasse als Voraussetzung für den Abschluss des Vertrages verlangte Gebäudeversicherung enthalten.

"Es fehlten einige Pflichtangaben, von denen der Beginn der Widerrufsfrist abhängt. So war unter anderem der Hinweis nicht ausreichend deutlich, ob die Bausparkasse eine Gebäudeversicherung als Voraussetzung für den Abschluss des Vertrages verlangt oder ob es genügt, dass eine Gruppenversicherung abgeschlossen wurde ", erläutert Strohmeyer.

Die Folge

"Dieses Urteil wird zweifelsohne bundesweit eine Klagewelle losgetreten, denn allein in NRW sind es schätzungsweise 100.000 Verträge, die nach Juni 2010 mit vergleichbaren Formulierungen ausgestaltet wurden und somit auch heute noch widerrufbar sind. Das gibt den Kreditnehmern die Chance, ihre Darlehen aufzulösen und durch Neuverträge mit extrem niedrigen Zinsen umzufinanzieren. "Wer beispielsweise sein Darlehen 2011 mit rund 4 % abschloss, zahlt mit einem neuen Vertrag in den meisten Fällen nur noch 1 % bis 1,8 %", sagt Dr. Jochen Strohmeyer.

Wichtig ist, dass die Verträge nach dem 10. Juni 2010 geschlossen wurden, denn für ältere Verträge hat der Gesetzgeber den so genannten Widerrufsjoker in 2016 für die meisten Immobiliardarlehen abgeschafft.

* OLG Düsseldorf, Aktenzeichen I-17 U 144/16, verkündet am 20. Juni 2017, noch nicht rechtskräftig

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