Böse Missverständnisse unter Freunden

Ein Komödienhighlight aus Frankreich kommt jetzt auch in Heilbronn auf die Bühne: „Venedig im Schnee“ von Gilles Dyrek. Das 2003 in Paris uraufgeführte Stück, eine wunderbare Mischung aus Beziehungskomödie und Gesellschaftssatire, brach in Frankreich alle Besucherrekorde und gehört auch in Deutschland aktuell zu den meistgespielten Komödien. Ein glückliches Paar (Anja Schreiber und Gabriel Kemmether) und ein Paar in der Krise (Stella Goritzki und Anjo Czernich)  treffen sich zu einem Abendessen , das völlig außer Rand und Band gerät und gnadenlos gesellschaftliche Ressentiments, Vorurteile und politische Ahnungslosigkeit enthüllt, die unter einer wohlanständigen bürgerlichen Fassade verborgen sind. Eine Komödie, die trotz aller Überzeichnung einen hohen Wiedererkennungswert bietet, sagt Regisseurin Patricia Benecke. Sie hat in der vergangenen Spielzeit Yasmina Rezas „Kunst“ inszeniert. Premiere von „Venedig im Schnee“ ist am 24. November um 20 Uhr im Komödienhaus.

Zum Inhalt
Nathalie und Jean-Luc sind seit Jahren ein Paar und immer noch frisch verliebt, wie es scheint. Trotz des Stresses, den die beiden haben – sie sanieren gerade gemeinsam eine Altbauwohnung  in bester Lage – fliegen die Koseworte und Küsschen nur so zwischen ihnen hin und her. An diesem Tag  hat Jean- Luc seinen früheren Studienfreund Christophe zum ersten Mal nach zehn Jahren wieder getroffen. Das muss bei einem spontanen Essen in der neuen Wohnung gefeiert werden, zu dem Christophe auch seine Freundin Patricia mitbringt.  Die Gäste kommen zwar eine halbe Stunde zu spät und Nathalies Gratin muss ein zweites Mal aufgewärmt werden, doch die Begrüßung ist herzlich. Und schon bald plappern Nathalie und Jean-Luc wie aufgezogen von ihrer großen Traumhochzeit, mit deren Planung sie schon ein ganzes Jahr beschäftigt sind.

Bei Christophe und Patricia hingegen herrscht dicke Luft. Auf den Weg zum Essen haben sie sich gestritten, deshalb die Verspätung.  Patricia hat überhaupt keine Lust auf den Abend mit zwei Leuten, die sie gar nicht kennt, und ihrem Freund, auf den sie gerade aus unerfindlichen Gründen sauer ist. Das Geturtel von Nathalie und Jean-Luc geht ihr so richtig auf die Nerven. Sie sitzt mit finsterer Miene beim Essen und schweigt.
Was hat sie nur, fragen sich die notorisch fröhlichen Gastgeber. Sie sagt kein einziges Wort! Vielleicht versteht sie ihre Sprache nicht? Ganz klar, das muss es sein, sind sich die beiden einig: Patricia ist Ausländerin! Und noch ehe Christophe den Irrtum aufklären und den beiden vermitteln kann, dass Patricia einfach nur schlechte Laune hat, erkennt seine Freundin, wie aus diesem blöden Treffen doch noch ein lustiger Abend werden kann. Sie spielt die Ausländerin, erfindet eine Phantasiesprache und gibt vor, eine vor dem Bürgerkrieg geflüchtete und illegal eingewanderte Migrantin zu sein. Das tut sie so überzeugend, dass bei Nathalie und Jean Luc eine nicht mehr zu stoppende Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst wird, während Christophe vor lauter Peinlichkeit am liebsten im Boden versinken würde und krampfhaft überlegt, wie er diesen Abend ungeschoren überstehen kann …
Erst ganz am Ende wird deutlich, was es mit dem Titel  "Venedig im Schnee" auf sich hat. Der Witz besteht nicht nur in den intelligenten Dialogen, sondern auch darin, dass die Zuschauer immer ein Stückchen schlauer sind, als die handelnden Figuren auf der Bühne, die sich immer heilloser in ihren Missverständnissen und Vorurteilen verstricken.

Lügen, die Vorurteile bestätigen, werden gern geglaubt

Partricia Benecke mag die Arbeit von Autor Gilles Dyrek, der selbst Schauspieler ist. Er hat vier starke Rollen und brillante Dialoge geschrieben. „Unsere Aufgabe besteht darin, die hervorragende Vorlage optimal zu nutzen und die böse Gesellschaftskritik, die in so einer charmanten komödiantischen Verpackung daherkommt, scharf herauszuarbeiten.“

Spannend sei, dass Nathalie und Jean Luc die groteske Lüge glauben. Als Patricia und Christophe hingegen mit der Wahrheit herausrücken, tun sie diese als völlig absurd ab, ergänzt Dramaturgin Sophie Püschel. Warum ist das so? Weil Lügen, welche Vorurteile bestätigen, gern geglaubt werden.

Ausstatterin Ulrike Melnik verwandelt die Bühne des Komödienhauses in eine Pariser Altbauwohnung mit Blick über die Dächer der Stadt. Diese befindet sich gerade im Umbau, weshalb das Provisorische der Inneneinrichtung auch viele schöne Spielanlässe bietet.

Der Autor
Gilles Dyrek, 1966 in Paris geboren, erhielt seine Ausbildung an der L’Entree de I’Artiste sowie der École National Supérieur des Arts et Techniques du Théâtre. Er ist ein gefragter Schauspieler und Regisseur an den Pariser Theatern sowie bei Film und Fernsehen.
Bereits seine ersten Stücke "L’éléphant s’enferme dans la salle de bain pour jouer avec les robinets" und "Le Projet Titre Provisoire" wurden in Frankreich erfolgreich aufgeführt. Seine Komödie "Venise sous la neige (Venedig im Schnee)" aber entwickelte sich nach der Uraufführung 2003 im Théâtre de la Pépinière-Opéra regelrecht zu einem Kassenschlager mit über 400 Vorstellungen, denen sich eine ausgedehnte Tournee anschloss. Doch die Erfolgsgeschichte von Venedig im Schnee in Frankreich ist noch nicht zu Ende. Zur Zeit inszeniert Gilles Dyrek dieses Stück für eine längere Aufführungsserie in der Pariser Comédie Bastille. Außerdem wurde es gerade für das französische Kino verfilmt. Im deutschsprachigen Theaterraum wurde das Stück bisher von 30 Theatern gespielt. Auch sein neuestes Werk "La touche étoile" wurde in Paris zu einem großen Erfolg.

Premiere am 24. November 2017, 20 Uhr, Komödienhaus
Venedig im Schnee
Komödie von Gilles Dyrek
Regie: Patricia Benecke
Ausstattung: Ulrike Melnik
Dramaturgie: Sophie Püschel

Mit:
Anjo Czernich (Christophe) und  Stella Goritzki (Patricia) – ein Paar in der Krise
Gabriel Kemmether (Jean-Luc) und Anja Schreiber (Nathalie) – ein glückliches Paar

Theaterfrühstück am 19. November, 11 Uhr im Oberen Foyer
Weitere Vorstellungen: 30.11.; 01.12.; 08.12.; 14.12.; 15.12.; 16.12.; 17.12. (15 Uhr); 20.12.; 22.12.; 26.12.; 30.12.; 31.12. (18.30 Uhr);09.01.; 13.01. – jeweils um 20 Uhr mit Ausnahme des 17. 12. und 31.12.

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