Neue Studie zum Einzelhandel: Die Verkaufsfläche wächst, aber weniger Betriebe

Über 13.000 Einzelhandelsbetriebe mit einer Gesamtverkaufsfläche von rund 4,5 Millionen Quadratmetern öffnen gegenwärtig in den sieben Landkreisen des Netzwerks Erweiterter Wirtschaftsraum Hannover (EWH), der Region Hannover sowie dem Landkreis Holzminden ihre Türen für Kundinnen und Kunden. Der EWH liegt damit mit 1,89 Quadratmetern Ladenfläche pro Einwohnerin und Einwohner über dem deutschen Durchschnittswert. Doch trotz anhaltendem Verkaufsflächenwachstum ist die Zahl der Einzelhandelsbetriebe weiter rückläufig. In einzelnen Warengruppen wie Bücher, Sport oder Unterhaltungselektronik baut der Online-Handel seine Marktanteile drastisch aus. Zu diesem Fazit kommt eine aktuelle Studie im Auftrag des Netzwerks.

Die flächendeckende Erhebung sämtlicher Einzelhandelsbetriebe zur Erfassung und Bewertung der Angebotssituation in den sieben Landkreisen des Netzwerks, der Region Hannover  sowie dem Landkreis Holzminden wurde im Laufe des letzten Jahres zum vierten Mal durchgeführt. Die Verkaufsflächen wurden dabei ebenso aufgenommen wie die jeweiligen Warensortimente. „Das bundesweit beachtete und ausgezeichnete Projekt legte in der Vergangenheit die Basis für zahlreiche Abstimmungs- und Moderationsverfahren. Es dient dazu, hinsichtlich der räumlichen und grenzüberschreitenden Auswirkungen zu tragfähigen und einvernehmlichen Lösungen bei der Beurteilung der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten zu gelangen“, erläutert Prof. Dr. Axel Priebs, stellvertretendes Vorstandsmitglied des Netzwerks und Umwelt- und Planungsdezernent der Region Hannover: „ Gleichzeitig stellen die Analyseberichte eine wichtige Grundlage und Anhaltspunkte bei der Beurteilung einer stadt- und regionalverträglichen Weiterentwicklung des Einzelhandels im Erweiterten Wirtschaftsraum Hannover dar.“

Bundesweite Trends in der Einzelhandelsentwicklung wie eine gestiegene Mobilität der Verbraucher und wachsende Ansprüche an Preis und Sortimentsauswahl lassen sich auch bezogen auf den Wirtschaftsraum Hannover beobachten. Veränderungsprozesse erfahren dabei gegenwärtig besonders der Lebensmittel- und Drogeriewareneinzelhandel. Die Orientierung der Menschen auf die zum Wohnort nächstgelegene Verkaufseinrichtung hat nach der Beobachtung der Gutachter spürbar an Bedeutung verloren. „Eine fußläufige Versorgung mit Lebensmitteln ist insbesondere im ländlichen Raum häufig nicht mehr gegeben“, so Sonja Beuning, Leiterin des Fachbereichs Planung und Raumordnung der Region Hannover: „Die Möglichkeit einer wohnortnahen Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs ist für die Lebensqualität eines Wohnortes vor dem Hintergrund einer erheblichen Zunahme älterer Bevölkerungsgruppen von wesentlicher Bedeutung.“

Der sinkenden Zahl an Verkaufsstätten steht  eine Zunahme der Gesamtverkaufsfläche gegenüber: Betrug die durchschnittliche Größe eines Lebensmitteldiscounters in Deutschland noch 450 Quadratmeter, auf der rund 1.650 unterschiedliche Artikel angeboten wurden, beträgt sie inzwischen im Erweiterten Wirtschaftsraum Hannover schon ca. 790 Quadratmeter (bei durchschnittlich 2.250 Artikeln). Damit sich ein Discounter unter Wettbewerbsbedingung wirtschaftlich trägt, werden im Einzugsgebiet heute mindestens 5.000 Einwohner benötigt. Damit einhergehend steigen auch die Anforderungen an die Anzahl der Parkplätze und die Größe des Grundstücks.

Neben dem klassischen stationären Einzelhandel gewinnt auch der Online-Handel (E-Commerce bzw. M-Commerce) zunehmend an Bedeutung. Aktuell vorliegende Prognosen gehen davon aus, dass der Anteil des E-Commerce am Gesamtumsatz des Einzelhandels im Jahr 2025 bei rd. 20 bis 25 Prozent liegen wird. Zwischen den einzelnen Warengruppen sind dabei große Unterschiede zu verzeichnen. So sind insbesondere in den so genannten zentrenrelevanten Warengruppen Bekleidung, Schuhe und Lederwaren sowie Unterhaltungselektronik die Marktanteile des Online-Handels sprunghaft angestiegen und weisen bereits heute Marktanteile von 20 bis 22 Prozent und mehr auf. Die direkten Auswirkungen spiegeln sich in einem deutlichen Rückgang der Verkaufsflächen und der Anzahl stationärer Anbieter. Im Bereich des EWH sind dies bei Büchern und Schreibwaren seit 2006 rund 8 Prozent, bei den Elektro- sowie Sportartikeln sind es 8 beziehungsweise 9 Prozent in den vergangenen fünf Jahren.

Die Experten von  Stadt + Handel warnen: „Umso entscheidender wird es angesichts der skizzierten Herausforderungen  – insbesondere für Kleinstädte mit eingeschränkten Entwicklungsmöglichkeiten der Zentren  – eine doppelte Konkurrenzsituation für den innerstädtischen Einzelhandel mit dem Online-Handel und dem Einzelhandel an stadtplanerisch und städtebaulich nicht gewünschten Standorten (bspw. Gewerbegebieten) zu verhindern. Strukturprägende Einzelhandelsansiedlungen mit zentrenrelevanten respektive nahversorgungsrelevanten Sortimenten an verkehrsorientierten , nicht integrierten Standorten bergen letztlich die Gefahr einer Beschleunigung der sich vollziehenden Strukturwandlungsprozesse und somit eines weiteren Rückzugs der für die Urbanität der Innenstädte wichtigen Leitfunktion des Einzelhandels.“

Das Netzwerk Erweiterter Wirtschaftsraum Hannover

verfolgt die Stärkung der regionalen Zusammenarbeit in wichtigen fachlichen und kreisüberschreitenden Kooperationsfeldern sowie die gemeinsame Entwicklung des Wirtschaftsraums. Die 15 Netzwerkpartner tauschen sich in sechs thematischen Fachforen aus, entwickeln gemeinsame Schwerpunktprojekte und bündeln so aktiv ihre Stärken. Das Forum Stadt- und Regionalplanung setzt sich mit dem Konsensprojekt Großflächiger Einzelhandel zum Ziel, auf einer abgestimmten Datenbasis zur Einzelhandelssituation gemeinsame Vereinbarungen zur frühzeitigen Information und zu Abstimmungs- und Moderationsverfahren für den EWH, im Rahmen des Projektes-  ergänzt um den Landkreis Holzminden – , zu erarbeiten.

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