Mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz wurden im Jahr 2004 Medizinische Versorgungszentren (kurz MVZ) in die Versorgungslandschaft eingeführt. Sie sollen eine patientenorientierte und integrierte Versorgung aus einer Hand ermöglichen. Die Verknüpfung verschiedener Fachrichtungen, der ambulanten und stationären Versorgung sowie der Rehabilitation soll durch diese Kooperationsform erleichtert werden. Im heutigen Blogartikel wollen wir einen Blick auf die Entwicklung von MVZ werfen und sie zur Gemeinschaftspraxis abgrenzen.
Aktueller Stand der MVZ im deutschen Gesundheitswesen
Laut gesetzlicher Definition (§ 95 SGB V) sind MVZ fachübergreifende, ärztlich geleitete Einrichtungen, die über die strukturierte Zusammenarbeit mindestens zweier Ärzte mit unterschiedlichen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen eine interdisziplinäre Versorgung aus einer Hand gewährleisten sollen. MVZ können sowohl von zugelassenen Ärzten, als auch von Krankenhäusern gegründet werden. Zum 31.12.2016 waren 38,8 % aller MVZ-Träger Krankenhäuser. Der größere Teil ist in der Hand von niedergelassenen Ärzten. Man spricht in diesem Fall von einem Praxis-MVZ. Ende des Jahres 2016 gab es in Deutschland insgesamt 2.490 MVZ. Seit 2004 steigt die Anzahl der MVZ stetig. Mit 485 MVZ hat Bayern die meisten Versorgungszentren. MVZ gründen sich sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten. Durchschnittlich arbeiten in einem MVZ 6,4 Ärzte. Die am häufigsten vertretenen Fachgruppen sind Hausärzte, fachärztliche Internisten und Chirurgen (Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung).
Vor- und Nachteile für Patienten und Ärzte
Für Patienten hat ein MVZ den Vorteil, dass sie im Idealfall eine Versorgung „auf kürzestem Weg“ bzw. „aus einer Hand“ erhalten, ohne Überweisung und Suche nach Behandlungsterminen bei geeigneten Fachärzten. In einer großen Praxis mit vielen Mitarbeitern ist es im Gegensatz zu einer kleineren Praxis für einen Patienten jedoch schwieriger, ein Vertrauensverhältnis zum Behandler aufzubauen. Ärzte können in einem MVZ sowohl als selbständige Vertragsärzte, als auch als angestellte Mediziner arbeiten. Bei einem angestellten Arzt entfällt das Unternehmerrisiko bei Praxisgründung. In einer großen Praxis lassen sich aufgrund der Arbeitsteilung die Arbeitszeiten wesentlich flexibler gestalten, so dass mehr Zeit für Freizeit, Hobbies und Familie bleibt. Die Arbeit in einem MVZ ermöglicht auch einen einfacheren Austausch mit Fachkollegen bei schwierigen Fällen. Und nicht zuletzt lassen sich durch die gemeinsame Nutzung von Geräten Kosten sparen. Ein Vertragsarzt, der seinen Vertragssitz in ein MVZ mit einbringt, muss allerdings damit rechnen, dass er verloren geht. Jedoch ermöglicht die Anstellung in einem MVZ jungen Ärzten auf der einen Seite die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung und ältere Ärzte haben auf der anderen Seite die Möglichkeit, weiter tätig zu sein, ohne die Verantwortung und Risiken, die mit einer eigenen Praxis verbunden wären.
Unterschiede zur Gemeinschaftspraxis
Aus Patientensicht unterscheiden sich Praxis-MVZ und Gemeinschaftspraxis kaum voneinander. Während Gemeinschaftspraxen allerdings häufig von Ärzten der gleichen Fachrichtung gegründet werden, ist bei einem MVZ die Interdisziplinarität gesetzlich vorgeschrieben. Aus Ärztesicht gibt es einige weitere interessante Besonderheiten beim MVZ. Die größten Unterschiede zwischen Praxis-MVZ und Gemeinschaftspraxis bestehen bei den Wachstumsmöglichkeiten und hinsichtlich der Praxisabgabe eines Partners. Für die klassische Einzel- oder Gemeinschaftspraxis ist die Wachstumsmöglichkeit aufgrund der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung begrenzt. Im Praxis-MVZ können hingegen weitere Zulassungen hinzugekauft werden. So kann mit der Zeit ein stabiles ambulantes Zentrum entstehen, das durch die Bündelung von Arztsitzen und die Anstellung von Ärzten erhebliche wirtschaftliche Möglichkeiten mit sich bringt. Auch beim endgültigen Ausscheiden eines Arztes bietet das Praxis-MVZ Vorteile. Für einen ausscheidenden Arzt in einer Gemeinschaftspraxis muss ein Nachfolger gefunden werden, der gegen Zahlung einer entsprechenden Summe Zulassung und Praxisanteil übernimmt. Beim Praxis-MVZ können die verbleibenden Partner Zulassung und Praxisanteil des ausscheidenden Arztes gemeinsam erwerben. Sie können sich die Investition teilen und einen neuen Arzt anstellen. Für den Einzelnen ist damit die Belastung geringer, die Zulassung bleibt bei den bisherigen Partnern und die Praxisabgabe ist gesichert.
Ein Praxis-MVZ stellt damit eine Alternative zur Gemeinschaftspraxis dar. Eine bestehende Gemeinschaftspraxis kann in den meisten Fällen ohne großen Aufwand in ein Praxis-MVZ umgegründet werden. Alle erforderlichen Praxis-Strukturen sind bereits vorhanden: Die Ärzte teilen sich Räume, Personal und Geräte. Es handelt sich lediglich um einen formalen juristischen Akt. Die Abrechnung ist in MVZ und Gemeinschaftspraxis identisch.
Fazit
Auch wenn MVZ in der medizinischen Versorgung Deutschlands noch eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielen, ist aufgrund der statistischen Zahlen ein Trend hin zu einer größeren Bedeutung fachübergreifender Praxen zu erwarten. Angehende Ärzte werden sich zukünftig immer häufiger die Frage stellen müssen: Gründe ich eine eigene Praxis oder steige ich in eine bestehende ein? Zusätzlich nimmt die Komplexität der Leistungen zu und Patienten wünschen häufiger kombinierte Leistungen aus verschiedenen Fachbereichen. Insgesamt machen MVZ die Versorgungslandschaft bunter und sind eine Möglichkeit, Versorgungsstrukturen modern zu gestalten und Ärzten flexible Arbeitsmöglichkeiten zu bieten.
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