Migräne ist die häufigste neurologische Erkrankung, an der in Deutschland etwa acht bis zehn Prozent der Männer und zehn bis 25 Prozent aller Frauen leiden. Die Kopfschmerzerkrankung kann das Leben enorm beeinträchtigen, wie die „Global Burden of Disease“-Erhebung belegt. Sie misst die Beeinträchtigung durch eine Erkrankung nach dem Parameter „Years lived with disability“. In der Altersgruppe der 15–49-Jährigen nimmt die Migräne unter allen neurologischen Krankheiten Platz eins ein.
Eine aktuelle Repräsentativbefragung der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) in Deutschland zeigt, dass die Prophylaxe-Möglichkeiten kaum ausgeschöpft werden. Weniger als die Hälfte (43 Prozent) der Migränepatienten werden beim Hausarzt oder Internisten zu vorbeugenden Maßnahmen beraten; selbst beim Facharzt bekommen zu wenige Patienten (57 Prozent) entsprechende Informationen. „Nur 22 Prozent der Migränepatienten, die von einer Prophylaxe profitieren könnten, erhalten auch vorbeugende Medikamente oder Maßnahmen“, erläutert PD Dr. Charly Gaul, Generalsekretär und Pressesprecher der DMKG. „Dass auch nicht medikamentöse Maßnahmen in der Migränebehandlung eingesetzt werden können, wissen viele Patienten gar nicht.“
Aktueller umfassender Therapieleitfaden
„Die neue Migräne-Leitlinie ist eine Fortentwicklung von sechs deutschen und internationalen Leitlinien und derzeit der aktuellste Leitfaden zur Migränebehandlung“, sagt Professor Diener. Die Publikation, an der 23 Neurologinnen und Neurologen, Verhaltenspsychologinnen und Verhaltenspsychologen im Auftrag der DGN und der DMKG mitgearbeitet haben, ist für Hausärzte und Internisten ebenso relevant wie für Neurologen, Nervenärzte und Schmerztherapeuten. Auch Nichtmediziner können die frei zugängliche Leitlinie online abrufen.
Neue Erkenntnisse zur medikamentösen Therapie
Die Leitlinie gibt dezidierte Empfehlungen zu allen in der Akuttherapie und Prophylaxe eingesetzten Medikamenten. Neu ist die Erkenntnis, dass bei chronischer Migräne und mit oder ohne Gebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln Topiramat und Onabotulinumtoxin A wirksam sind. Zur Migräneprophylaxe bei Kindern konnte angesichts einer sehr hohen Placeborate keine therapeutische Überlegenheit von Valproinsäure, Topiramat oder Amitriptylin gezeigt werden. Bei der Akuttherapie der Migräneattacken sind nach wie vor die Triptane am besten wirksam mit einem sehr guten Sicherheitsprofil. Die Wirksamkeit der Betablocker Metoprolol und Propranolol, des Kalziumantagonisten Flunarizin, der Antikonvulsiva Topiramat und Valproinsäure und des trizyklischen Antidepressivums Amitriptylin sind in der Migräneprophylaxe am besten durch randomisierte Studien belegt.
Nicht medikamentöse Verfahren haben einen hohen Stellenwert
Die medikamentöse Therapie sollte durch nicht medikamentöse Verfahren ergänzt werden. „Regelmäßiger Ausdauersport hilft, Migräneattacken vorzubeugen. Auch Entspannungsverfahren und Stressmanagement haben sich in der Prophylaxe als wirksam erwiesen“, sagt Professor Peter Kropp, Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Rostock. „Die nicht medikamentösen Verfahren aus der Verhaltenstherapie sind so wirksam, dass sie als Alternative zur medikamentösen Prophylaxe eingesetzt werden können.“
Quelle
Diener H.-C. et al. S1-Leitlinie Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne. 2018. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien und www.awmf.org und www.dmkg.de
Gemeinsame Presseinformation der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG)
Fachlicher Kontakt bei Rückfragen
Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener
Seniorprofessor für klinische Neurowissenschaften
Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Essen,
Universität Duisburg-Essen
Tel.: +49 (0)201 723 6540,
E-Mail: hans.diener@uk-essen.de
Priv.-Doz. Dr. med. Charly Gaul
Generalsekretär der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft
Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein
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Die Leitlinien der DGN
Die Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) unter der Leitung von Prof. Dr. Hans-Christoph Diener (Essen) und Prof. Dr. Christian Gerloff (Hamburg) bringt mit ihren circa 80 medizinischen Leitlinien neue wissenschaftliche Erkenntnisse schnellstmöglich in die therapeutische Praxis und damit an die Patienten mit neurologischen Erkrankungen. Leitlinien spielen damit eine wichtige Rolle für die schnelle und kompetente Verbreitung von Forschungsergebnissen. Verfasst werden die Leitlinien für Diagnostik und Therapie von ausgewiesenen Experten auf dem jeweiligen Gebiet, unter Beteiligung von österreichischen und Schweizer Neurologen, teilweise auch unter Beteiligung von Therapeuten und Patientenvertretern. Wichtig ist die bestmögliche Objektivität der ausgesprochenen Empfehlungen. Aus diesem Grund erfolgen die Zusammenstellung der Leitliniengruppe und die Konsensfindung bei Empfehlungen nach klaren Vorgaben auf Basis des Regelwerks der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Alle Leitlinien der DGN sind auf www.dgn.org frei zugänglich publiziert.
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) sieht sich als neurologische Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren rund 9000 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org
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