Es war ein bisschen wie noch vor vielleicht 150 Jahren, als die großen öffentlichen Gesangsdarbietungen noch im Rahmen der Oper stattfanden und der Vortrag auskomponierter Lieder eher privaten Kreisen vorbehalten war. Mit dem Unterschied, dass diese Matinée nun öffentlich war. Rund 60 Gäste genossen die Gedanken und Reflexionen des Würzburger Musikwissenschaftlers Professor Dr. Ulrich Konrad, aber ebenso von Clarry Bartha (Künstlerische Leiterin von DEBUT), von Enrico Calesso, Generalmusikdirektor am Mainfranken Theater Würzburg sowie Komponist Konstantin Heuer – der das Gedicht „Die Liebe“ von Else Lasker-Schüler als neues Wettbewerbs-Lied vertont hat. Genussvolles Zuhören boten aber nicht nur locker-launigen Geschichten, die Moderator Prof. Konrad zu Lied und Gesang erzählte, sondern auch die Darbietungen der Sopranistin Maria Chabounia, Zweitplatzierte bei DEBUT 2014, die als Überraschungsgast die kurzweiligen mittäglichen eineinhalb Stunden mit Arien von Puccini, Gounod und Donizetti auflockerte.
Die aus Minsk stammende Sopranistin bot für den Moderator auch gleich eine Steilvorlage, in das Thema einzuführen. Denn Gesang und Sprache sind, so Konrad, natürlich eng miteinander verwandt. Und da an sich jeder Mensch singen könne und dies auch tut, sei das Singen offenbar vom Schöpfer so gewollt und gehöre zur "menschlichen Grundausstattung." Was unterscheidet aber das laienhafte Singen von dem, was ein professioneller Sänger macht? "Es ist harte Arbeit", brachte es Clarry Batha, Künstlerische Leiterin von DEBUT und jahrzehntelang auf den Opernbühnen der Welt unterwegs, auf den Punkt. Um die Leidenschaft zu entfesseln, die für einen mitreißenden Vortrag nötig ist, müsse man immer einen kühlen Kopf bewahren. "Man muss sich mit Harmonie und Tonleiter ebenso auskennen wie seine eigene Wirkung auf das Publikum im Auge haben", erklärte die gebürtige Schwedin. Andere Menschen mit Gesang berühren zu dürfen und dabei selbst berührt sein, dass sei ein Privileg.
Einblicke in die Arbeit eines Dirigenten an einem Konzerthaus wie dem Mainfrankentheater Würzburg gab Enrico Calesso. Vor großen Partien bei Opern würden sich Sänger teils bis zu einem Jahr mit der Hilfe von Repetitoren vorbereiten, die meist vom Piano aus die Noten und deren Phrasierungen mit dem Interpreten haarklein durchgehen. Lieder singen, das hieße zuallererst Textverständnis vermitteln. Er selbst nehme sich dann nach Möglichkeit noch rund sechs Wochen Zeit, mit seinen Solisten die Details auszuarbeiten. Immer wieder gehe es dabei um Nuancen, die vom Sänger anders interpretiert werden als sie im Notentext stehen. Was dann freilich für Diskussionen sorge.
Prof. Konrad ergänzte hierzu, dass beispielsweise Mozart seine Opern teils schon den Sängern auf den Leib geschrieben habe und für Wiederaufnahmen mit anderen Solisten teils Austausch-Arien setzte. Überhaupt habe noch vor rund 100 Jahren fast ausschließlich zeitgenössische Musik auf dem Spielplan der Opernhäuser gestanden, die teils in fabrikmäßiger Produktion komponiert wurde. Der Komponist spielte dabei im Gegensatz zu heute eine untergeordnete Rolle.
Bei DEBUT 2018 kommt mit dem jungen Komponisten Konstantin Heuer und seinem Stück "Über uns beide" erstmals ein Beitrag auf das Notenpult, das während der Wettbewerbswoche in Weikersheim und Bad Mergentheim von jedem Semi-Finalisten vor der Jury gesungen werden muss. Er habe an der Aufgabe spannend gefunden, dem Interpreten genügend Freiraum zu lassen, damit sich dieser entfalten kann, dabei aber darauf zu achten, dass der Vortrag vergleichbar wird. "Mein Lied ist sehr empfindlich geworden. Bei jedem Vortrag könnte etwas völlig anderes herauskommen", meinte der 29-Jährige. Schon bei seiner musikalischen Interpretation des Textes habe er versucht, den Blick auf Dinge zu richten, die man auf den ersten Blick nicht findet. Umso spannender wird nun, was die angehenden Opernstars von Morgen in der kommenden Woche in Weikersheim daraus machen werden.
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