In Deutschland kommt es pro Jahr zu etwa 18 Millionen operativen Eingriffen. Schmerzen nach Operationen erhöhen das Risiko für Komplikationen wie Thrombosen oder Lungenentzündungen, verzögern das Wiedererlangen der körperlichen Beweglichkeit und belasten den Patienten. „Hinzu kommt, dass etwa fünf Prozent aller operierten Patienten Monate nach der Operation chronische Schmerzen entwickeln“, sagt Professor Dr. med. Winfried Meißner, Leiter der Sektion Schmerztherapie an der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Jena. Die ersten Tage nach der OP seien entscheidend in Bezug auf die Gefahr einer Chronifizierung. „Je stärker und anhaltender die akuten Schmerzen sind, desto höher das Risiko, dass daraus chronische Schmerzen werden“, weiß der Experte. Frühes Handeln zahle sich aus: Effektive und „finanziell erschwingliche“ Methoden zur Schmerzbehandlung seien an den meisten Kliniken vorhanden.
Nach wie vor berichten beispielsweise knapp die Hälfte aller Patienten nach einer laparoskopischen Gallenoperation, also der Entfernung der Gallenblase in „Schlüssellochtechnik“, über Schmerzen ≥ 5. Ein Wert, der als behandlungsbedürftig gilt. „Um die Qualität der Akutschmerzbehandlung zu verbessern, sind Empfehlungen und Leitlinien erarbeitet worden. Allerdings werden sie noch nicht überall konsequent umgesetzt“, erklärt Professor Dr. med. Carla Nau, Kongresspräsidentin des Deutschen Schmerzkongresses 2018 und Direktorin der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Campus Lübeck des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Es gebe noch erheblichen Nachholbedarf beispielsweise bei der Verfügbarkeit von Akutschmerzdiensten. Das sind spezialisierte Teams aus Pflegekräften und Ärzten. Nur zwei Drittel aller Kliniken haben solche Teams. Auch bei der Umsetzung der empfohlenen Therapien und der Schmerzdokumentation hapere es.
Defizite könnten nur dann erkannt werden, wenn Schmerzen regelmäßig gemessen und verglichen werden. Krankenhäuser können an Vergleichsprojekten wie dem Register der Initiative QUIPS („Qualitätsverbesserung in der postoperativen Schmerztherapie“) oder an Zertifizierungen (Certcom) teilnehmen. Eine aktuelle Analyse, bei der Meißner und Kollegen Struktur- und Prozessmerkmale und deren Auswirkung auf die Ergebnisqualität der postoperativen Schmerztherapie aus Sicht der Patienten untersuchten, brachte zwei wichtige Erkenntnisse: Die Schmerzintensität, schmerzbedingte Funktionseinschränkungen und die Zufriedenheit der Patienten mit der Behandlung variieren erheblich zwischen den 138 Kliniken, deren Daten für QUIPS erhoben und ausgewertet wurden. Auf einer Skala von 0 (= kein Schmerz) bis 10 (= stärkster Schmerz) berichteten Patienten der „schlechtesten“ zehn Prozent der Krankenhäuser über eine Schmerzintensität von 6,3; diejenigen der zehn Prozent „besten“ Kliniken von 3,6. Zweitens: In den Krankenhäusern, in denen die Schmerzen in der Krankenakte dokumentiert und die Patienten zu den verschiedenen Therapiemöglichkeiten informiert wurden, waren die schmerzbedingten Beeinträchtigungen geringer und die Zufriedenheit der Patienten höher.
„Neben Medikamenten sind drei Faktoren für die Akutschmerzbehandlung nach OPs wichtig: Patienten informieren, in die Therapieentscheidung mit einbeziehen und die Schmerzen regelmäßig erfassen“, bilanziert Meißner, Mitglied des Vorstands der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. Kongresspräsidentin Nau ergänzt: „Mit dem Messen der Qualität der postoperativen Schmerzbehandlung und einer leitliniengerechten Behandlung kann langfristig die Behandlungsqualität der Patienten deutlich verbessert werden.“
Thomas Isenberg, Geschäftsführer der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V., sieht auch die Politik in der Pflicht: „Die Deutsche Schmerzgesellschaft hat den Antrag der Patientenvertretung beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) im vergangenen Jahr unterstützt. Der G-BA muss das Thema ‚Versorgungsqualität bei Akutschmerz‘ angehen und dazu ein Qualitätssicherungsverfahren entwickeln.“
Literatur:
Meißner W, Komann M, Erlenwein J, Stamer U, Scherag A: Qualität postoperativer Schmerztherapie in deutschen Krankenhäusern. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 161–7. DOI: 10.3238/arztebl.2017.0161
Terminhinweise:
Pressekonferenz
im Rahmen des Deutschen Schmerzkongresses 2018 (18. bis 20. Oktober)
der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. und der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e. V.
Termin: Donnerstag, 18. Oktober 2018, 11:00 bis 12:00 Uhr
Ort: Congress Center Rosengarten Mannheim, Raum „Christian Cannabich“
Anschrift: Rosengartenplatz 2, 68161 Mannheim
SY20 – Qualität in der Akutschmerztherapie – messen wir das Richtige?
Termin: Freitag, 19. Oktober 2018, 15:30 bis 17:00 Uhr
Vorsitz: E. Pogatzki-Zahn (Münster, DE)
Ort: Congress Center Rosengarten Mannheim, Raum „Gustav Mahler 1“
Anschrift: Rosengartenplatz 2, 68161 Mannheim
Öffentlicher PATIENTENTAG 2018
Organisation: T. Sprenger & C. Geber
Termin: Samstag, 20. Oktober 2018, 11:00 bis 14:00 Uhr
Ort: Dorint Kongresshotel, Raum „Ludwig van Beethoven“
Anschrift: Friedrichsring 6, 68161 Mannheim
Der jährlich stattfindende Deutsche Schmerzkongress reflektiert die enorme Bedeutung des Symptoms Schmerz in sämtlichen Bereichen der Medizin und das stetige Bemühen der Schmerzexperten, den Schmerz wirksam(er) zu bekämpfen. Unter dem Kongress-Motto FIT FÜR DIE ZUKUNFT werden aktuelle Themen der Medizin wie Telemedizin und eHealth sowie schmerzmedizin-spezifische Fragestellungen wie Qualität der stationären Akutschmerztherapie, Schmerzregister, Migräne-Prophylaxe und neue Schmerzkonzepte behandelt.
Mit etwa 40 wissenschaftlichen Symposien, Workshops und Dutzenden Kursen und Seminaren deckt der Schmerzkongress das gesamte Themenspektrum der Schmerzdiagnostik und -therapie ab. Rund 2000 Teilnehmer – Mediziner verschiedener Fachgebiete, Psychologen, Pflegende, Physiotherapeuten, Apotheker und andere – werden erwartet.
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