Fernlinienbusse: Nach dem Boom kommt die Ernüchterung

  • Die Zeiten der starken Marktdynamik sind vorbei
  • 9 % Fernbus-Nutzeranteil in der deutschen Bevölkerung
  • Bahn nach wie vor am stärksten von einer Fahrtenverlagerung betroffen
  • Begrenzte Möglichkeiten der Preiserhöhung für Flixbus

Im sechsten Jahr der Marktliberalisierung ist es ruhiger geworden um das Thema Fernlinienbusse. Zu den Hochzeiten dynamischer Markt- und Anbieterentwicklung verging kaum ein Tag ohne Pressemeldung mit Neuigkeiten zu Angeboten, neuen Wettbewerbern, Linienausweitungen oder Aktionspreisen.

„Durch die Quasi-Monopolstellung, Kapazitäts- und Netzoptimierungen sowie Sättigungserscheinungen ist der Markt für Fernlinienbus-Reisen in Deutschland für die Wachstumsgeschichte von Flixbus nicht mehr ergiebig – die Kunden haben sich an das neue Angebot und niedrige Preise gewöhnt, das wahrgenommene Preis-Leistungsverhältnis ist gut“, betont Prof. Dr. Andreas Krämer als Co-Autor der Studie MobilitätsTRENDS 2018. Die Studie untersucht u.a. MobilitätsTRENDS bei Reisen ab 50 km für eine einfache Strecke.

Die Ergebnisse der Studie im Überblick:

Die Zeiten der starken Marktdynamik sind vorbei

Nach der Marktliberalisierung (2013) hat sich in den folgenden Jahren bis 2015 eine dynamische Entwicklung der Fernbusnutzung auf ca. 23 Mio. Fahrten pro Jahr ergeben. Dies liegt vor allem am Einstieg neuer Player, einem raschen Kapazitätsaufbau und dem beginnenden Preiswettbewerb. Die Marktkonsolidierung 2015/16 (Übernahme von Megabus und Postbus durch Flixbus, Ende von Berlin Linien Bus der Deutschen Bahn etc.) mit anschließender Quasi-Monopolstellung von Flixbus hat zunächst zu einer Kapazitätsdrosselung geführt. Infolgedessen kam es bei innerdeutschen Reisen in 2016 zu einem leichten Fahrtenrückgang. Stärkere Wachstumsraten ergeben sich in letzter Zeit im Wesentlichen durch den Ausbau internationaler Verbindungen. Gleichzeitig wird das Netz innerhalb Deutschlands weiter optimiert. Dies führt zu einer stärkeren Konzentration auf Kernrelationen zwischen den wichtigsten Städten. So liegt z.B. die Anzahl der täglich verfügbaren Verbindungen auf der Strecke Berlin–Dresden bei 144 (Bahn: 74), während dies für die Strecke Gießen–Freiburg nur 4 Verbindungen (Bahn: 46) sind.

9 % Fernbus-Nutzeranteil in der deutschen Bevölkerung

Teilweise wird in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, dass jeder vierte Deutsche den Fernbus mindestens einmal pro Jahr nutzt. Im Rahmen einer großangelegten, als repräsentativ bezeichneten Studie wurde im Januar 2018 ein Nutzeranteil von 28 % (Zielgruppe ab 16- Jährige deutschsprachige Wohnbevölkerung) ausgewiesen. Die eigene Studie MobilitätsTRENDS kommt hingegen auf einen Kundenanteil in der Bevölkerung von 9 %. Bei einer Bevölkerungszahl (ab 16 Jahre) von 69 Mio. entspricht dies absolut 6,2 Mio. Fernbuskunden. Wird die häufig genannte Zahl von 23 Mio. Nutzungen (beförderte Personen, die sich in ca. 12 Mio. Reisen umrechnen lassen) dazu in Beziehung gesetzt, ergeben sich knapp zwei Reisen pro Kunde und Jahr. Während sowohl die Fahrten- als auch die Kundenzahl seit 2016 leicht gestiegen ist, sind die Nutzerstrukturen nur wenig verändert: Die Busreisenden sind nicht nur jünger (58 % unter 40 Jahren), sondern auch sehr bahnaffin (53 % Bahn-Nutzeranteil; 14 % BahnCard-Besitzer) und verfügen vergleichsweise häufiger über keine oder eine eingeschränkte Pkw-Verfügbarkeit.

Bahn nach wie vor am stärksten von einer Fahrtenverlagerung betroffen

Während bei der Bewertung der Umweltwirkungen häufig auf die Substitutionseffekte zwischen privaten Pkw-Nutzungen und dem Fernbus fokussiert wird (darin kommt die Hoffnung zum Ausdruck, Fernbusse würden erheblich zur Entlastung der Verkehrs- und Umweltprobleme beitragen), zeigen die empirischen Untersuchungen durchweg, dass die stärksten Konkurrenzbeziehungen zwischen Bahn und Fernbus bestehen. In der aktuellen Untersuchungswelle von MobilitätsTRENDS geben 47 % der Fernbus-Kunden an, dass sie alternativ die Bahn (im Nah- und Fernverkehr) genutzt hätten. In den Nachbarländern Österreich und Schweiz ist das Ergebnis ähnlich. Wird der Pkw als alternatives Verkehrsmittel zum Fernbus genannt, so handelt es sich dabei nicht nur um den genutzten Privat-Pkw, sondern auch um Mitfahrgelegenheiten.

Begrenzte Möglichkeiten der Preiserhöhung für Flixbus

Die Entwicklung des Preisniveaus bei Reisen mit dem Fernbus wird im Untersuchungsansatz einerseits durch eine Recherche der günstigsten verfügbaren Preise (standardisierte Methodik auf Kernverbindungen) untersucht, anderseits durch die direkte Abfrage der gezahlten Preise bei den Nutzern. In beiden Fällen ist eine relative Erhöhung der Preise im Vergleich zu 2015/16 erkennbar. Aber: Mit einem Preis von ca. 5 Cent pro km werden die Preise des Wettbewerbers Bahnfernverkehr im Mittel weiterhin deutlich unterschritten. Besonders groß wird die Preisabweichung bei kurzfristigen Reiseentscheidungen, bei denen die Spar- und Super Sparpreise der Deutschen Bahn vergleichsweise teurer werden, während die Fernbuspreise sich entlang der Buchungsfrist kaum verändern.

Auf der anderen Seite steht der Fernlinienbus in direktem Wettbewerb zu Anbietern von Mitfahrgelegenheiten wie BlaBlaCar. Der eigenen Wettbewerbsanalyse zur Folge werden in 2018 Mitfahrgelegenheiten häufiger angeboten als vor 2 Jahren, wobei das Preisniveau der Mitfahrgelegenheiten ähnlich zum Fernlinienbus ist.

„Letztendlich sind die Preisspielräume für Flixbus begrenzt: Auch bei einem Marktanteil von deutlich über 90 % ergibt sich punktuell bei Reisen mit dem Fernbus ein signifikanter Wettbewerbsdruck, gleichzeitig machen Kapazitätserweiterungen von BlaBlaCar (mit im Mittel nur leicht höheren Preisen) Flixbus zusehend das Leben schwer“, resümiert Johannes Hercher, Vorstand der Rogator AG und Co-Autor der Studie.

Hintergrund der Studie: MobilitätsTRENDS ist eine Studie zur Ermittlung und Bewertung von Trends im Mobilitätsmarkt. Sie wird seit 2013 in Kooperation von der exeo Strategic Consulting AG und der Rogator AG durchgeführt. Grundlage der Untersuchung ist eine repräsentative Befragung von mehr als 4.000 Personen ab 18 Jahren in der deutschsprachigen Bevölkerung der DACH-Region.

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