Herzstiftung nach US-Studie: Alleinige Herzdruckmassage ohne Atemspende muss bundesweit Richtlinie werden

Jedes Jahr erleiden ca. 65.000 Menschen in Deutschland ein plötzliches Herzversagen und über 60.000 versterben daran. Das müsste nicht sein. Viele könnten gerettet werden, wenn Zeugen (zumeist medizinische Laien) sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen würden. Dies tun in Deutschland aber nur etwa 40 %. „Wir haben in Deutschland immer noch das Problem, dass Ersthelfer häufig nur die 112 wählen und bis zum Eintreffen des Rettungsteams gar nichts tun, weil sie meinen, sie müssten zur Herzdruckmassage auch die Atemspende durchführen. Viele Ersthelfer lähmt diese Komplexität, zumal in einer Notfallsituation. Sie tun dann gar nichts – aus Angst vor Fehlern, aus Ekel oder aus hygienischen Gründen“, berichtet der Notfallmediziner Prof. Dr. med. Dietrich Andresen, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, aus eigenen Untersuchungen zusammen mit der Berliner Feuerwehr. „Dieses Nichtstun bedeutet für den Notfallpatienten nach wenigen Minuten den Tod oder schwerste bleibende Hirnschädigungen.“

Es ist nicht der Sauerstoff, der dem Körper in den ersten Minuten nach einem Herzstillstand fehlt. Es ist der fehlende Blutfluss, so dass der Sauerstoff nicht zum Gehirn transportiert werden kann. Nur durch die Herzdruckmassage wird ein solcher Blutfluss hergestellt, mit dem der Sauerstoff zum Gehirn gepumpt wird. „Wir wissen aus eigener Erfahrung aber auch aus Studien, dass viel mehr Menschen den Mut haben bei Herzstillstand zu reanimieren, wenn sie die alleinige Herzdruckmassage ohne Mund-zu-Mund-Beatmung anwenden können“, betont der Herzspezialist. „Je einfacher das Reanimieren wird, desto mehr Menschen getrauen sich zu drücken.“ Die Infos zur Wiederbelebung unter: www.dhs.tips/herznotfall

Schweden: Vereinfachung der Reanimation treibt Ersthelferquote nach oben

In Schweden konnte die Reanimationsbereitschaft enorm verbessert werden, nachdem die Leitlinien zur Laienreanimation von 2000 bis 2017 stufenweise vereinfacht wurden. Zu diesem Schluss kommt eine Registerstudie an über 30.000 Patienten mit plötzlichem Herzstillstand. Die Ergebnisse wurden aktuell in dem renommierten Fachjournal „Circulation“ der US-amerikanischen Herzgesellschaft (AHA) veröffentlicht (*). Danach ist die Anzahl der Reanimationen mit Herzdruckmassage, aber ohne Mund-zu-Mund-Beatmung, von 5,4 % (im Jahr 2000) auf 30,1 % (im Jahr 2017) gestiegen. Im gleichen Zeitraum sank die Anzahl der Patienten, die nicht reanimiert wurden, von 59 % auf 32 %.

Studienerkenntnisse auch in Deutschland konsequent umsetzen

Diese Daten unterstreichen die Empfehlungen der Deutschen Herzstiftung, dass eine Mund-zu-Mund-Beatmung nur von Personen angewendet werden sollte, die auch nachhaltig gut ausgebildet sind und die einzelnen Schritte sicher beherrschen. Eine einmalige Schulung reicht dazu nicht aus (**). „Da diese Voraussetzungen bei medizinischen Laien in aller Regel nicht vorliegen, sollten Laien bei Patienten mit beobachtetem Herzstillstand ausschließlich eine Herzdruckmassage ohne Beatmung durchführen“, so Andresen.

Vor diesem Hintergrund weist der Kardiologe am Ev. Hubertus-Krankenhaus in Berlin auf eine Unschärfe in den allgemeinen Empfehlungen zur Laienreanimation hin: Die Patienten werden entkleidet dargestellt. „Die Entfernung der Kleidung vor Eintreffen eines Defibrillators macht keinen Sinn. Das Ausziehen kostet Zeit und für den einzelnen Laienhelfer nicht selten auch Überwindung.“ Das führe dann dazu, dass Laien eher gar nichts machen und damit die Überlebenswahrscheinlichkeit deutlich abnimmt. Die Herzstiftung empfiehlt: Solange die wissenschaftliche Datenlage keine anderen Erkenntnisse hervorbringt, führen Laien bis zum Eintreffen eines Laien-Defibrillators (AED) die alleinige Herzdruckmassage durch, ohne vorher die Kleidung des Patienten zu entfernen.

* Riva G., et al., Survival in Out-of-Hospital Cardiac Arrest After Standard Cardiopulmonary Resuscitation or Chest Compressions Only Before Arrival of Emergency Medical Services: Nationwide Study During Three Guideline Periods, Circulation (2019; doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.118.038179)
** Andresen D., et al., Public access resuscitation program including defibrillator training for laypersons: a randomized trial to evaluate the impact of training course duration. Resuscitation. 2008 Mar;76(3):419-24. Epub 2007 Oct 31 (doi: 10.1016/j.resuscitation.2007.08.019

Herznotfall: Hilfreiche Tipps und kostenfreies Infomaterial

Herznotfall-Webseite
Die für Herzinfarkt und Herzstillstand erforderlichen Schritte, die Ersthelfer wissen müssen, erläutert leicht verständlich die Herznotfallseite der Herzstiftung www.dhs.tips/herznotfall

Ratgeber „Was tun im Notfall?“
Einen Ratgeber „Was tun im Notfall?“ (22 Seiten) mit einer Darstellung der Herzinfarkt-Alarmzeichen und Erläuterungen zur Wiederbelebung für Laien bietet die Herzstiftung kostenfrei unter Tel. 069 955128-400 oder unter www.herzstiftung.de/herznotfall-set.html an.

Video-Clips
Herzdruckmassage lässt sich in weniger als einer Minute erlernen. Das zeigt der Wiederbelebungs-Film unter www.herzstiftung.de/herzdruckmassage-in-55-sek-lernen

Mut zur Wiederbelebung: Wie Michael B. gerettet wurde, zeigt ein Video-Clip mit einer Nachstellung der wichtigsten Verhaltensmaßnahmen bei Herzstillstand www.youtube.com/watch?v=DmdaLu6E0gE

Weitere Literatur

Zhan L., et al., Cochrane Database Syst Rev. 2017, Continuous chest compression versus interrupted chest compression for cardiopulmonary resuscitation of non-asphyxial out-of-hospital cardiac arrest.
Trappe, H.-J., et al., Kardiopulmonale Reanimation – Update 2015, DGK-Pocketleitlinie, Düsseldorf 2015
Bobrow, B. J. et al., JAMA 2010, Chest compression-only CPR by lay rescuers and survival from out-of-hospital cardiac arrest.
Bobrow, B. J. et al., JAMA. 2008, Minimally interrupted cardiac resuscitation by emergency medical services for out-of-hospital cardiac arrest.
SOS-KANTO study group, Lancet. 2007, Cardiopulmonary resuscitation by bystanders with chest compression only (SOS-KANTO): an observational study.

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