Der heute vom Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany) und der in Brüssel ansässigen Health and Environment Alliance (HEAL) veröffentlichte Bericht „Chronically underrated – a review of the EU carcinogenic hazard assessment of 10 pesticides“ stellt die Ergebnisse einer kritischen Analyse der Abschnitte zur Krebsbewertung in den offiziellen Berichten (draft Renewal Assessments Reports, RARs) zur Wiedergenehmigung von zehn Pestiziden vor [2]. Die vom Toxikologen Dr. Peter Clausing durchgeführte Überprüfung konzentrierte sich darauf, ob die in den RARs vorgenommenen Bewertungen der Krebshäufigkeit bei Studien an Ratten und Mäusen mit den geltenden Richt- und Leitlinien der EU und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) übereinstimmten.
„Nachdem eine beträchtliche Anzahl von Fehlern in der Beurteilung der Karzinogenität von Glyphosat festgestellt wurde, war es der logische nächste Schritt, zu untersuchen, ob ähnliche Probleme bei anderen Pestiziden auftreten. Die Analyse dieser zehn Bewertungsberichte hat deutlich gemacht, dass mindestens drei der geprüften Pestizide als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ eingestuft werden sollten und nicht, wie geschehen, als Substanzen mit „Verdacht auf Krebseffekte beim Menschen“, erklärt Susan Haffmans, Referentin für Pestizide bei PAN Germany.
Die Krebsklassifizierung hat starken Einfluss darauf, ob ein Pestizidwirkstoff genehmigt wird oder nicht. Pestizide, die Wirkstoffe mit „Verdacht auf Krebswirkung beim Menschen“ enthalten, können in Verkehr gebracht werden, während solche, die als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ eingestuft sind, nicht weiter in der EU vermaktet werden dürfen [3].
Die Analyse zeigt, dass
- bei drei Pestiziden – Chlorothalonil, Diuron, Forchlorfenuron – unsere Einschätzung mit jener der europäischen Behörden übereinstimmt;
- bei drei weiteren Pestiziden nach unserer Einschätzung die Bewertung der europäischen Behörden zu schwach ausfiel. Die Wirkstoffe Folpet, Pirimicarb, Thiacloprid sollten als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ eingestuft werden;
- beim Pestizid Phosmet eine gravierende Datenlücke vorliegt, so dass die Behörden die eingereichte Krebsstudie hätten zurückweisen müssen;
- bei drei Pestiziden – Captan, Chlorpropham, Dimoxystrobin – die Behördenberichte so intransparent waren, dass eine unabhängige Bewertung nicht möglich war.
„Der derzeitige Anstieg nicht übertragbarer Krankheiten einschließlich Krebs zeigt, dass die Europäische Union sich Europa den mit der Gesundheit bezahlten Preis für fehlerhafte Pestizidbewertungen nicht leisten kann“, kommentiert Genon K. Jensen, Direktorin der Nichtregierungsorganisation Health and Environment Alliance (HEAL). „Die Verpflichtung zu einer rigorosen Umsetzung der europäischen Gesetze sollte ein Grundpfeiler sein, um das Null-Emissions-Ziel der EU zu erreichen, um Erkrankungen vorzubeugen und um die Menschen, angefangen bei den Landwirten, vor gesundheitsschädigenden Stoffen zu schützen.“
PAN Germany und HEAL fordern die designierte EU-Ratspräsidentin Ursula von der Leyen auf, auf eine striktere Anwendung der bestehenden Pestizidgesetzgebung und Richtlinien zu achten. Stella Kyriakides, die designierte Gesundheitskommissarin, stimmte während ihrer jüngsten Anhörung im Europäischen Parlament zu, dass in der EU die Abhängigkeit von synthetischen Pestiziden verringert und die Einführung risikoarmer und nicht-chemischer Alternativen gefördert werden muss [4].
[1] Clausing, P. (2019): Chronically underrated. A review of the European carcinogenic hazard assessment of 10 pesticides.
[2] Zu den zehn untersuchten Pestiziden gehörten Captan, Chlorotalonil, Chlorpropham, Dimoxystrobin, Diuron, Folpet, Forchlorfenuron, Phosmet, Pirimicarb und Thiacloprid.
[3] Artikel 3.6.3 der Verordnung (EG) 1107/2009 lautet: „Ein Wirkstoff, Safener oder Synergist wird nur dann zugelassen, wenn er auf der Grundlage der von der Behörde überprüften Auswertung von Karzinogenitätsversuche entsprechend den Datenanforderungen für die Wirkstoffe, Safener oder Synergisten sowie von anderen verfügbaren Daten und Informationen, einschließlich einer Überprüfung der wissenschaftlichen Literatur, nicht gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 als karzinogene Substanz der Kategorie 1A oder 1B eingestuft wird oder einzustufen ist, …“
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