Abstimmung im Sekundentakt

Bei der Anbindung des Stadtviertels Gateway Gardens an das Frankfurter S-Bahn-Netz realisierte die Firma LEONHARD WEISS große Bauabschnitte als Generalunternehmer. Dazu gehörten der gesamte Gleisbau, Kabeltiefbau sowie die Anschlüsse an die Bestandsstrecken. Für die Vorbereitung des oberirdischen Streckenabschnitts übernahm das Bauunternehmen die Erdarbeiten im Wasserschutzgebiet.

Die neue zweigleisige Streckenführung gliedert sich rund zur Hälfte in einen oberirdischen Teil, der durch das Waldgebiet östlich der Autobahn A5 führt, und einen unterirdischen Teil im Tunnel unter dem Stadtteil Gateway Gardens (Bild 1). Am Abzweig Frankfurt-Stadion von der bestehenden Strecke in die neue oberirdische Trasse waren sowohl ein Überwerfungsbauwerk als auch eine Eisenbahnüberführung erforderlich. Auf der Gegenseite des Streckenabschnitts, am Frankfurter Regionalbahnhof, verlief die Anbindung an die Bestandsgleise direkt im Tunnel. Hier wurde ein Durchbruch vom neuen zum bestehenden Tunnel der alten Strecke geschaffen.

Der Hauptteil der Bauarbeiten musste „auf der grünen Wiese“ durchgeführt werden, so dass der Bahnbetrieb während der Bauzeit zunächst weiterlaufen konnte. Für die beiden Gleisanschlüsse an die Bestandsstrecken war dagegen eine rund siebenwöchige Sperrpause notwendig, mit deren Ende der Betrieb der neuen S-Bahn-Strecke zum Fahrplanwechsel am 12.12.2019 aufgenommen wurde.

Generalunternehmer LEONHARD WEISS

Im Rahmen des Projekts stemmte LEONHARD WEISS als Generalunternehmer die komplette freie Strecke, inklusive aller Erdarbeiten, Tiefbau, Kabeltiefbau und der Herstellung der Gleisinfrastruktur. Außerdem war die Firma für den Gleisoberbau im gesamten Tunnel verantwortlich. Dazu kamen zwei Brückenbauwerke am Abzweig Frankfurt-Stadion: ein Überwerfungsbauwerk, das die beiden neuen Gleise der S-Bahn höhenfrei nach Südwesten über die bestehende Trasse führt (Bild 2), und die nahegelegene Eisenbahnüberführung Hinkelsteinschneise.

Das Projekt wurde von LEONHARD WEISS als „gelbe Baustelle“ unter der Federführung des Bereichs Gleisbau abgewickelt. Das heißt, während der gesamten zweieinhalbjährigen Bauphase arbeiteten die verschiedenen Firmenbereiche Gleisbau, Tief- und Straßenbau, Netzbau und Ingenieurbau übergreifend zusammen, um einen einwandfreien Bauablauf mit optimaler Koordination zu gewährleisten. Die Leitung des Mehrgewerkeprojekts übernahm Sebastian Glöckner, Standortleiter Gleisbau Satteldorf.

Bereits im November 2017 begannen die Erdbauarbeiten im Bereich der zukünftigen freien Strecke und dem Anschluss an das Tunnelbauwerk. Um das Streckenprofil herstellen zu können, wurde zunächst der Oberboden abgetragen (Bild 3). Für das Lösen des Bodens sowie das Verladen und Abladen der Erde setzte die Firma Kettenbagger und Radlader ein. Parallel mussten, teilweise mit Material aus dem Aushub, Geländeeinschnitte und Dammaufbauten errichtet werden (Bild 4). Als Maschinen verwendeten die Bauexperten dazu Schlepper, Dumper, Walzen und Raupen. Bis Ende November wurden insgesamt rund 152.000 Kubikmeter Erde gelöst, geladen, transportiert und eingebaut oder entsorgt. Das erforderte nicht nur eine enge Zusammenarbeit mit den angrenzenden Bauvorhaben am Tunnel und bei den Brückenbauwerken, sondern auch einen immensen Koordinierungs- und Dispositionsaufwand.

Neben den Erdarbeiten musste außerdem eine 55 Meter lange, quer durch das Baufeld verlaufende LWL-Trasse mit Glasfaserkabeln um acht Meter tiefergelegt werden. Damit die Kabel keinen Schaden nehmen können, wurde die Trasse im Druckbereich der Eisenbahnlasten durch einen eigens erstellten Trog geführt.

Schutz des Grundwassers

Bedingt durch die Nähe zu Forst und Landschaftsschutzgebiet mussten bereits zu Beginn der Baumaßnahmen diverse Auflagen zum Schutz der Flora und Fauna eingehalten werden. So wurden anfangs zahlreiche Zauneidechsen eingesammelt und in angrenzende Ersatzhabitate umgesiedelt. Während der gesamten Bautätigkeit war zudem ein Eidechsenschutzzaun angebracht, um die Tiere vom Baufeld fernzuhalten.

Weitere Auflagen entstanden, weil die neue S-Bahn-Strecke in einer Wasserschutzzone der Klasse IIIA verläuft. In einer solchen Zone darf Wasser, das von Verkehrsflächen abfließt, nicht versickern. Die betreffenden Flächen müssen also zwingend versiegelt werden. Für die gesamte Baustelle zog das verschiedene Maßnahmen nach sich: Bei der Lagerung und Entsorgung aller Materialien sowie beim Einsatz der Maschinen mussten besondere Anforderungen eingehalten werden. Um den Eintrag von Schadstoffen aus dem zukünftigen Schienenverkehr in den Untergrund zu verhindern, wurde bei der Herstellung der Planumsschutzschicht (PSS) eine Kunststoffdichtungsbahn in den Damm integriert. Sie hält abfließendes Wasser vom Boden ab und leitet es in eigens vorgesehene, neu gebaute Entwässerungskanäle (Bild 5). Herausforderung war dabei die starke Temperaturabhängigkeit der Dichtungsbahn: Sie durfte nur zwischen 5 und 25 Grad Celsius verlegt werden, um nicht beschädigt zu werden. Zudem mussten sämtliche Einzelbauwerke wie Kabelschächte oder Oberleitungsmasten wasserdicht an die Folie angebunden werden. Da die Folie außerdem nicht befahren werden durfte, um eine Perforation durch eine punktuelle Auflast zu vermeiden, erfolgte der Auftrag der wasserundurchlässigen Lage KG I (Korngemisch I) mittels ,,Vor-Kopf‘‘-Einbau. So wurde sichergestellt, dass die Folie dicht bleibt und keine Leckage entsteht. Der Einbau mit Großgeräten erforderte hier stark strukturierte Abläufe.

Die darauffolgenden Arbeiten des Gleisinfrastrukturbaus begannen im August 2018. Zunächst sollten die Kabelkanäle der Bestandsstrecke, beginnend nach der Haltestelle Frankfurt-Stadion, instandgesetzt werden. Innerhalb von zwei Monaten erneuerte das Team des Bauunternehmens knapp 735 Meter Bestandskanal. Ende 2018 realisierten die Experten dann neue Kabeltröge entlang der gesamten Neubaustrecke, inklusive der Schächte und Gleisquerungen (Bild 6). Zu den Arbeiten zählten auch die Gründungen für die Signalanlagen – von Schwerlastfundament bis Bohrpfahlgründung – sowie Sonderkonstruktionen für den Tunnel.

Parallel dazu startete der Gleisbau, mit dem Einbau von Schotter, Schwellen und Schienen sowie den zugehörigen Schweiß- und Stopfarbeiten. Die Koordination von Gleis- und Kabeltiefbau lief bei LEONHARD WEISS über den Bereich Gleisbau in enger Zusammenarbeit mit dem Generalunternehmer Netzbau, der mit seiner Expertise einen großen Beitrag leistete. Bis zur Inbetriebnahme der neuen oberirdischen Strecke realisierten die Experten des Bauunternehmens den Einbau von sechs Weichen außerhalb des Tunnels sowie den Bau von 1.800 Meter Doppelgleis und einem rund 700 Meter langen Abzweiggleis, das während der Bauphase das Baufeld mit der Bestandsstrecke verband.

Herausfordernde Logistik

Eine logistische Herausforderung war die Zuführung des Materials: Zunächst wurde das östliche Gleis der Neubaustrecke fertiggestellt. Schotter, Schwellen und Schienen wurden dazu mit LKW an die Baustelle transportiert. Um die Lieferungen der Oberbaustoffe jedoch zügig über die Gleise abwickeln zu können, wurden zunächst 400 Meter Gleis mit Hilfe von 120 Meter langen UIC-Montageschienen, also vormontierten Einheiten von Schienenstücken, realisiert. Nach der ersten Langschienenlieferung wechselte das Team die Montageschienen aber bereits gegen die im Schienenband geplanten Schienen aus. Das Material für das zweite Gleis konnte dann per Bahn geliefert werden (Bild 7). Allerdings gab es nur eine einzige Einfahrt in das Baufeld, die über die Weiche an der Kreuzung zur Bestandsstrecke führte. Dadurch musste die Zulieferung genau an den aktuellen Schienenverkehr und die hohe Anzahl an Zügen im Berufsverkehr auf der Bestandsstrecke angepasst werden – eine Abstimmung im Sekundentakt, die praktisch einen Logistiker rund um die Uhr beschäftigte (Bild 8).

Zusätzlich zu der freien Strecke wurden im Tunnelbereich rund zwei Kilometer Doppelgleis und zwei Weichen errichtet. Da der Tunnel beim Einbau der Gleise trotz offener Bauweise bereits wieder geschlossen war, sollte die Entstehung von Baustellenstaub mit Hilfe einer Bewetterungsanlage so weit wie möglich vermieden werden. Besonders das Abkippen von Schotter kann eine große Staubentwicklung hervorrufen. Deshalb wurden die 16.000 Tonnen Schotter, die in den Tunnel eingebracht werden mussten, vorher gewaschen. Durch das Zusammenspiel von gewaschenem sowie zusätzlich auf der Baustelle benässtem Schotter und der Bewetterungsanlage konnten die Grenzwerte auf der Baustelle streng eingehalten werden. Da der Tunnel direkt unter Gateway Gardens hindurchläuft, sollte der Störfaktor Lärm ebenfalls von vorneherein minimiert werden. Aus diesem Grund brachte das Bauunternehmen zwischen der Bodenplatte und dem Oberbau auf einer Länge von rund 1.200 Metern Unterschottermatten an. Sie isolieren den Körperschall, mindern so den Lärm durch die Schienenfahrzeuge und verbessern dadurch die Lebensqualität im neuen Stadtviertel erheblich. Zusätzlich schonen sie den Oberbau und verbessern die Fahrdynamik. Während des Einbaus durften die Matten nicht befahren werden, woraus sich auch hier eine besondere Logistik für die Zuführung des Materials ergab.

Neben diesen Herausforderungen ergab sich noch ein weiterer Knackpunkt im Tunnel. Das betraf den Gleisvorbau, also das Verlegen der Schwellen und Gleise, im Haltestellenbereich. Denn der Bahnsteigbereich misst mit seinen Aufweitungen eine Länge von zirka fünf Metern. Aufgrund dieser langen Wege hätte das Auslegen der Schwellen entlang des Bahnsteigs den engen Zeitplan gefährdet. Hier kamen wieder Montageschienen zum Einsatz: Die 12 bis 15 Meter langen Joche wurden oben auf dem Tunnelportal montiert, mit einem Autokran hinabgelassen und durch zwei Zweiwegebagger und eine Robelachse zum Einbauort transportiert. So wurde der gesamte Bahnsteig vorgebaut. Nachträglich wurde lediglich der Schienenwechsel von den Montageschienen zu den vorgesehenen Langschienen durchgeführt. Der Vorbau konnte so in einem Bruchteil der Zeit eines üblichen Einbaus in Einzelstoffen realisiert werden.

Als langjähriger Partner der Deutschen Bahn und mit der umfassenden Erfahrung aus zahllosen Projekten als Generalunternehmer konnte LEONHARD WEISS auch diese komplexe Baustelle erfolgreich gewerkeübergreifend abwickeln. Darüber hinaus ist das Unternehmen aufgrund seiner hohen Eigenfertigungstiefe spezialisiert, auf Änderungen sofort zu reagieren und somit auch herausfordernde Situationen im Projekt gemeinschaftlich zu meistern.

Über die LEONHARD WEISS GmbH & Co. KG

LEONHARD WEISS wurde im Jahr 1900 als reines Gleisbauunternehmen gegründet. Aus diesen Ursprüngen hat sich heute eine innovative, mittelständische Unternehmensgruppe mit 5.458 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt, die in nahezu allen Sparten des Bauens tätig ist. Die Firmenphilosophie ruht im Wesentlichen auf den Säulen partnerschaftliche Zusammenarbeit, Termintreue, Schaffung von Werten und ganzheitliches Bauen. Eine intensive unternehmenseigene Forschungsarbeit bildet die Basis für wegweisende Technologien, die wirtschaftlich und zugleich umweltfreundlich arbeiten.

Mit drei schlank organisierten operativen Geschäftsbereichen, dem Ingenieur- und Schlüsselfertigbau, dem Straßen- und Netzbau sowie dem Gleisinfrastrukturbau, wird der vielfältige europäische Markt bedient. Das Leistungsspektrum erstreckt sich von Einzelleistungen nach Maß bis zur komplexen Gesamtlösung aus einer Hand – von Kleinaufträgen bis hin zu anspruchsvollen Großprojekten. Auftraggeber der 25 Standorte und 7 Tochterunternehmen in Deutschland sind nicht nur namhafte Großunternehmen, sondern auch viele kleine, starke Mittelständler sowie Bund, Länder und Gemeinden. Im europäischen Ausland ist das Unternehmen in den Regionen Skandinavien, Baltikum, Mittel-/Osteuropa und in der Alpenregion (Schweiz) mit Niederlassungen und Tochterunternehmen präsent.

Einen besonderen Stellenwert genießt bei LEONHARD WEISS die Ausbildung junger Menschen und die kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeiter/innen. Neben den jeweils vorgegebenen Lerninhalten legt man bei LEONHARD WEISS zusätzlich Wert auf die Zusammenarbeit auf der Baustelle, Qualitätssicherung, Führungsfähigkeit sowie wirtschaftliches Denken und Handeln. Zahlreiche Erfolge der Auszubildenden auf Landes- und Bundesebene bestätigen das durchdachte System und sichern dem Unternehmen, als mehrfach in Folge ausgezeichnetem "TOP-Arbeitgeber Bau" (2014 – 2019) und als "Bester Ausbildungsbetrieb Bau" (2016 – 2019), auch in Zukunft einen soliden Mitarbeiterstamm.

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