Im Jahr 2019 fertigten die deutschen Autohersteller erstmals deutlich mehr Pkw in China als in den heimischen Produktionsstandorten (2018 war das Produktionsniveau in China nur marginal höher als in Deutschland). Zwar sank die Pkw-Produktion deutscher Hersteller in China im letzten Jahr um 0,9% auf 5,08 Mio. Einheiten. In Deutschland gab die stückzahlmäßige Fertigung aber im zweiten Jahr in Folge um etwa 9% nach und erreichte ein Niveau von nur noch 4,67 Mio. Autos. Damit rutschte die inländische Produktion erstmals seit dem Rezessionsjahr 2009 unter die Marke von 5 Millionen Stück und auf den tiefsten Wert seit 1996.
China hat in den letzten Jahren seine Bedeutung als Produktionsstandort für die deutsche Automobilindustrie recht stetig ausgebaut. 2014 rollten erst knapp 4 Mio. Pkw deutscher Konzernmarken von den Fertigungsbändern in China. In der Rangfolge der wichtigsten ausländischen Produktionsstandorte deutscher Unternehmen liegt das Land mit großem Abstand vor Spanien, Tschechien und den USA (siehe Grafik). Dabei ist der größte Teil der in China produzierten Fahrzeuge für den inländischen Absatz bestimmt.
Insgesamt entwickelte sich die Auslandsproduktion der deutschen Hersteller in den letzten Jahren sehr dynamisch. Sie lag im Jahr 2019 um mehr als 200% über dem Niveau von 2000. Die stückzahlmäßige Pkw-Fertigung im Inland unterschritt im letzten Jahr dagegen den damaligen Wert um 9%. 2019 übertraf die gesamte Auslandsproduktion der deutschen Hersteller die Inlandsproduktion um mehr als 140%.
Es existieren viele Gründe für die steigende Auslandsproduktion deutscher Hersteller. Bei den Fabriken in Osteuropa überwiegt das Kostenargument. Die Erschließung der lokalen Märkte ist häufig ein wesentlicher Treiber für die Expansion im Ausland. Dies gilt z.B. für China, wo zudem staatliche Local-Content-Anforderungen ein gewisses Maß an Wertschöpfung vor Ort erfordern. Auch der US-Automarkt wird zu großen Teilen durch Produktionsstätten deutscher Hersteller in den USA bedient. Zudem beliefern die deutschen Unternehmen Drittmärkte aus den USA heraus. Durch ausländische Produktionsstätten lassen sich auch Zölle und nicht-tarifäre Handelshemmnisse vermeiden. In Summe dürfte die Auslandsproduktion deutscher Hersteller künftig tendenziell weiter wachsen.
In den vergangenen Jahren ging die Expansion der deutschen Automobilindustrie im Ausland nicht unbedingt zu Lasten des heimischen Standorts. Eine Produktion von über 5 Millionen Einheiten gilt als zufriedenstellendes Niveau in einem reifen Automarkt mit hohen Standortkosten. Der Produktionsindex, der auch die Zulieferer sowie qualitative Komponenten (z.B. bessere Ausstattung der Fahrzeuge) umfasst, stieg zwischen 2000 und 2019 immerhin um real 30%. Die Entwicklung der letzten beiden Jahre in Deutschland gibt jedoch Anlass zur Sorge und könnte der Beginn einer strukturellen Schwächephase sein. So haben sich in den letzten Jahren einige kostenseitige Standortfaktoren im internationalen Vergleich verschlechtert (z.B. Lohnkosten, Steuersätze für Kapitalgesellschaften, Strompreise). Zudem wird die zunehmende Bedeutung der E-Mobilität wohl zu Wertschöpfungsverlusten in Deutschland führen. Insgesamt sehen wir die deutsche Automobilindustrie besser für die Herausforderung der Zukunft gerüstet als den Automobilstandort Deutschland.
Zurück nach China: Der Ausbruch des Corona-Virus wird sich 2020 natürlich auch in den Produktionszahlen deutscher Autohersteller in China negativ widerspiegeln; laut Medienberichten brach der Pkw-Absatz in der ersten Februarhälfte um mehr als 90% gegenüber dem Vorjahr ein. Am langfristigen Trend, dass China als Produktionsstandort für die deutsche Automobilindustrie gegenüber Deutschland an Bedeutung gewinnt, ändert dieser temporäre externe Schock jedoch nichts.
Siehe auch: E-Mobilität: Ohne Subventionen (noch) in der Nische.
Deutsche Bank AG
Taunusanlage 12
60325 Frankfurt am Main
Telefon: +49 (69) 910-00
Telefax: +49 (69) 910-34225
http://www.db.com