Waldseeviertel: Auch Reinickendorf kann #Kiezblock

Im Norden Berlins, in Hermsdorf, wird ein Wohngebiet seit Jahrzehnten als Transitstrecke benutzt. Bis zu 7.000 Pkw fahren täglich durch das Waldseeviertel, statt die B96 zu nutzen. Changing Cities begrüßt einen Konsensantrag aller sechs Fraktionen, der am Mittwoch in der BVV Reinickendorf verabschiedet werden soll, um den Durchgangsverkehr endlich aus dem Kiez zu verbannen.

Sogar die Navis leiten den Kfz-Verkehr durch die Schildower Straße. Seit zwanzig Jahren versucht man, das Problem zu lösen: Optimierung der Kreuzungen der B96 für den Kfz-Verkehr, Tempo-30-Zone und Durchfahrverbot für Lkw im Wohngebiet, Piktogramme auf der Straße, Fahrbahnschwellen und Verkehrseinengungen. Ergebnis: Der Durchgangsverkehr nimmt weiter zu.

Die BVV-Beschlussvorlage sieht nun die einzig effektive Lösung vor: Modalfilter – also eine physische Trennung der Verkehrsarten. Blumenkübel sollen zukünftig den Fuß- und Radverkehr weiterhin ermöglichen, den motorisierten Durchgangsverkehr aber aus dem Wohngebiet fernhalten.  „Fehlende Sicherheit, schlechte Luft und Lärm auf den Straßen sind nicht nur Probleme der Innenstädte. Am Stadtrand, wo der Kfz-Verkehr überwiegt und der ÖPNV-Ausbau nur zögerlich vorankommt, kann man lange nach Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum suchen. Alle denken, der Stadtrand ist ruhig, grün und sicher – von wegen!“, kommentiert Prof. Dr. Karl Michael Ortmann von der Bürgerinitiative für mehr Verkehrsberuhigung.

Überall in Berlin kämpfen Anwohner*innen gegen den übermäßigen Durchgangsverkehr in ihren Kiezen. „Der #Kiezblock, also das verkehrsberuhigte Wohnviertel, erweist sich als ein sehr erfolgreiches und leicht umsetzbares Modell für höhere Lebensqualität in den Berliner Wohngebieten. 18 Kieze in Pankow haben #Kiezblock-Pläne vorgelegt, der Samariter-, Ostkreuz- und Bergmann-Kiez wollen auch so sein wie das Nikolaiviertel bereits seit 33 Jahren ist: ohne Durchgangsverkehr, mit mehr Platz für Fuß- und Radverkehr und mit Platz zum Spielen und Verweilen,“ sagt Ragnhild Sørensen, Pressesprecherin von Changing Cities.

Der Verein begrüßt die parteiübergreifende Einigung in Reinickendorf. „Es ist ein tolles Zeichen, dass alle Fraktionen die Zeichen der Zeit verstanden haben. Der Kfz-Verkehr im Bezirk ist am Kollabieren. Wir müssen hier Mobilität neu definieren: den ÖPNV kräftig ausbauen und Fuß- und Radverkehr stärken. Sonst ersticken wir”, sagt Mathias Adelhoefer vom neu gegründeten Netzwerk Fahrradfreundliches Reinickendorf, einem Projekt von Changing Cities. Das Netzwerk setzt sich für sichere und komfortable Radwege  und für eine zügige Umsetzung des Mobilitätsgesetzes im Bezirk ein.

Über Volksentscheid Fahrrad, ein Projekt von Changing Cities: Hinter dem Volksentscheid stehen Engagierte, Mobilitätsexpert*innen, Demokratie-Retter*innen und Fahrrad-Enthusiast*innen. Ein 10-Punkte-Plan des geplanten Gesetzes benannte konkrete Maßnahmen, jährliche Zielsetzungen und eine Verpflichtung zur Umsetzung innerhalb von acht Jahren. Der Volksentscheid Fahrrad wurde Berlins schnellster Volksentscheid: Der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens wurde innerhalb von nur dreieinhalb Wochen von 105.425 Berlinern unterschrieben – 7% der Wähler*innenstimmen. Die neue Koalition sagte daraufhin zu, alle Ziele und Forderungen zu übernehmen. Am 28. Juni 2018 verabschiedete der Berliner Senat Deutschlands erstes Mobilitätsgesetz. Jährlich werden nun mehr als 50 Mio. Euro in die Radwege investiert. 

Über den Changing Cities e.V.

Wir fördern zivilgesellschaftliches Engagement für lebenswertere Städte. Das bislang größte Projekt von Changing Cities e.V. ist der Volksentscheid Fahrrad in Berlin, mit dem es 2016 gelang, die Berliner Verkehrspolitik zu drehen und das bundesweit erste Mobilitätsgesetz anzustoßen. Changing Cities e.V. unterstützt landes- und bundesweit Bürger*inneninitiativen, die sich im Bereich nachhaltige Verkehrswende und lebenswerte Städte einsetzen, mit Kampagnenwissen oder stößt solche Initiativen an. Changing Cities ist als gemeinnützig anerkannt.

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