Pandemie-taugliche Einsichten gesucht: Zur Systemrelevanz der Elternerziehung

In der Corona-Krise zeigt sich, wie systemrelevant Kinderbetreuung ist. Sie ist eine gesetzliche Pflicht von Eltern und nicht ihr Freizeitvergnügen. Eben dies verkennen seit jeher jene Familienfeinde, die familienpolitische Leistungen wie das Kindergeld oder Betreuungsgelder (wie in Bayern) mit Subventionen für Theater, Opern etc. gleichsetzen. So wurde in der um 2012/2013 geführten Kampagne gegen ein Bundesbetreuungsgeld dessen Befürwortern vorgeworfen, dass diese eine „Herdprämie“ für die Nichtinanspruchnahme von Kinderbetreuungsinfrastruktur fordern würden. Dies sei abwegig, weil es ja auch keine Erstattung für den Nichtbesuch von Theatern oder Opernhäusern geben würde. Diese sophistische Kritik an einer Honorierung von Erziehungsleistung wurde politisch-medial verbreitet, obwohl ihre Abwegigkeit evident ist: Theater muss niemand besuchen, Kinder betreuen aber schon (1).

Bei Kindern unter zwölf Jahren im eigenen Haushalt haben berufstätige Eltern oder Alleinerziehende deshalb einen Anspruch darauf, für die Pflege ihres kranken Kindes von der Arbeit freigestellt zu werden, bezahlt nach § 616 BGB oder notfalls unbezahlt nach § 45 SGB V (2). Eine unbezahlte Freistellung hunderttausender erwerbstätiger Eltern im Zuge des Corona-Lockdowns hätte diese wie auch viele Unternehmen ruinös überfordert. Deshalb hat der Bundestag bei der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes einen Lohnersatzanspruch für Eltern von Kindern unter zwölf Jahren geschaffen, die aufgrund von Kita- oder Schulschließungen nicht erwerbstätig sein können. Er beläuft sich auf 67% des Nettoeinkommens bis zu einem Maximalbetrag von 2016 € und wird für maximal sechs Wochen gezahlt (3). Diese sechs Wochen nähern sich jetzt dem Ende und damit nimmt der Druck zu, die Kindertagesstätten und Schulen wieder zu öffnen. Inwieweit dies gesundheitlich vertretbar ist, wird auch unter Experten kontrovers diskutiert. Das Problem ist ungelöst – die Wiederöffnung von Kitas und Schulen wird zum Dauerproblem.

Zugleich stellen sich neue Probleme für Familien aufgrund der Einkommensverluste durch Arbeitslosigkeit bzw. Kurzarbeitergeld. Damit reduzieren sich auch die Ansprüche auf Elterngeld, das als Lohnersatzleistung für das erste Lebensjahr gezahlt wird. Hierzu hat die Bundesregierung nun eine Gesetzesänderung beschlossen nach der sich „Einkommensersatzleistungen“, die Eltern „aufgrund der Co-vid-19-Pandemie erhalten“, nicht auf die Höhe des Elterngelds auswirken sollen (4). Monate mit Bezug von Kurzarbeitergeld sollen bei der Bemessung außen vor bleiben. Den Grünen geht die Regierung damit nicht weit genug: Sie fordern „die Lohnentschädigung für Eltern, die wegen einer behördlichen Schließung einer Betreuungseinrichtung ihre Kinder zuhause betreuen müssen, zu verlängern und zu einem „Corona-Elterngeld" weiterzuentwickeln, bei dem die Nachweispflicht über andere zumutbare Betreuungsmöglichkeiten entfällt, Home-Office eines Elternteils nicht als Betreuungsoption gewertet wird und die Dauer des Entschädigungsanspruches an die behördliche Schließung der Betreuungseinrichtungen gekoppelt ist“ (5). Ein noch großzügigeres „Corona-Elterngeld“ fordert die Linke: Es soll ermöglichen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder auszusetzen und dazu die Lohnfortzahlung in den ersten sechs Wochen zu 100% garantieren (6). Diese Forderungen sind nicht nur teuer, sondern auch ungerecht. Ebenso wie im Regierungsgesetzentwurf bleiben nichterwerbstätige Eltern außen vor. Dabei leisten sie derzeit genau jene Betreuungsarbeit, mit der sie die Kindertagestätten und Schulen entlasten und so auch die Notbetreuung für die Eltern in sog. systemrelevanten Berufen ermöglichen.

In die richtige Richtung geht dagegen der Antrag der FDP „den Bezug des Elterngeldes zu verlängern, wenn die Eltern aufgrund der Schließung ihrer Kindertagesbetreuung“ die zuvor geplante Unterbringung des Kindes in eine Betreuungseinrichtung verschieben müssen (7). Noch einfacher und gerechter wäre es, einfach die maximale Bezugsdauer des Elterngeldes zu verlängern, z. B. auf 18 Monate. Davon würden auch nichterwerbstätige Eltern und damit besonders Mehrkinderfamilien profitieren. Zugleich würde sich der Druck auf die Kindertagesstätten reduzieren. Damit wäre in Pandemie-Zeiten allen gedient. Solche pandemie-taugliche Einsichten aber sind rar.

(1)   Zur Diskussion um das vom Bundesverfassungsgericht aus Gründen der föderalen Kompetenzverteilung abgelehnten Betreuungsgeld: https://www.i-daf.org/aktuelles/aktuelles-einzelansicht/archiv/2015/04/20/artikel/betreuungsgeld-wer-ist-wofuer-zuerst-zustaendig.html; http://altewebsite.i-daf.org/272-0-Im-Blickpunkt.html Ferner über die medialen Aspekte um das Betreuungsgeld: Jürgen Liminski, Die verratene Familie, Ulrich-Verlag, 2007, Seiten 29 ff.

(2)   https://www.kindergesundheit-info.de/themen/krankes-kind/recht/berufstaetigkeit/

(3)   https://www.bmi.bund.de/RundschreibenDB/DE/2020/RdSchr_20200407.pdf?__blob=publicationFile&v=3

(4)   https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/186/1918698.pdf

(5)   https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/187/1918710.pdf.

(6)   https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/186/1918684.pdf

(7)   https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/186/1918670.pdf

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