Das wird getestet
Die Wissenschaftler möchten von den Neustädterinnen und Neustädtern vor allem drei Dinge erheben:
- Mit Fragebögen und Einzelinterviews möchten sie Einzelheiten zur Symptomatik und möglichen Exposition mit dem Virus, beispielsweise bei Veranstaltungen, herausfinden. Zudem stehen auch psychosoziale Komponenten im Vordergrund, also die Frage, wie sich die Menschen während der Quarantäne gefühlt haben.
- Blutentnahmen erlauben die Testung von Antikörpern und die Untersuchung von spezifischen Abwehrzellen.
- Mit Abstrichen soll gezeigt werden, dass das Virus nicht mehr im Dorf zirkuliert.
Von der weithin bekannten Heinsberg-Studie – im nordrheinwestfälischen Landkreis war deutschlandweit der erste Corona-Hotspot – unterscheidet sich die Studie in Neustadt vor allem in folgenden Punkten:
- Das wissenschaftliche Team um Mathias Pletz untersucht den gesamten Ort.
- Insbesondere werden auch Kinder getestet. Dafür ist eigens ein Kinderarzt mit vor Ort.
- Zudem unterscheidet sich die Methodik der Testverfahren: So werden mehrere Testverfahren pro Patient angewendet, um eine mögliche Immunität gegen das Coronavirus sicher zu ermitteln.
Nach den Befragungen und Tests erfolgen Laboruntersuchungen und -auswertungen. Dies wird einige Monate in Anspruch nehmen, mit ersten Ergebnissen rechnen die UKJ-Experten aber noch in diesem Jahr.
Gemeinsam stark
Eine so groß angelegte Studie ist nur gemeinsam möglich, durch die Kooperation vieler Beteiligter. „Wir sind zuallererst einmal den Bewohnern von Neustadt am Rennsteig und Bürgermeister Dirk Macheleidt sehr dankbar, dass sie bereit sind, an der Studie teilzunehmen. Das ist keinesfalls selbstverständlich“, so Mathias Pletz. „Uns alle eint das Bedürfnis, so viel wie möglich über das neuartige Coronavirus herauszufinden. Eine einzigartige Situation wie in Neustadt kann hierbei so wertvolle Erkenntnisse liefern, dass wir diese Chance nicht ungenutzt lassen sollten“, so der UKJ-Experte weiter. „Ich bin überzeugt, wir werden gemeinsam unheimlich viel dazu beitragen, das Virus besser zu verstehen“, bedankt sich Pletz.
„Von der Studie erwarten wir uns einen nachhaltigen Beitrag zur Forschungsdebatte über COVID-19“, sagte Thüringens Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee. „Um die Corona-Krise erfolgreich zu bewältigen, brauchen wir fundierte Erkenntnisse über die Ausbreitungswege des Virus, Krankheitsverläufe und mögliche Immunitäten nach überstandener Erkrankung.“ Das Wissenschaftsministerium hatte deshalb frühzeitig eine Finanzierung des Vorhabens zugesagt. Für das Corona-Sondervermögen, über das der Landtag voraussichtlich in diesem Monat entscheiden werde, seien deshalb 500.000 Euro angemeldet worden.
Landrätin Petra Enders: „In Neustadt können wir aus der Krise für die Zukunft lernen. Die zweiwöchige Quarantäne war eine schwierige Situation für alle. Wir konnten aber Infektionsketten unterbrechen und die Ausbreitung des Coronavirus eindämmen. Um die Quarantäne beenden zu können, haben wir umfassende Abstriche im Ort gemacht und schnell wurde mit der fast lückenlosen und einzigartigen Datenlage deutlich: Wir hatten in Neustadt Bedingungen wie in einem Labor. In keinem anderen Ort Deutschlands ist in dieser Komplexität und Intensität getestet worden. Eine wissenschaftliche Betrachtung der pandemischen Lage in Neustadt habe ich auch deshalb forciert, weil wir dem Coronavirus nur wirksam begegnen können, wenn wir es verstehen. Ich bin froh, dass sich mit Prof. Mathias Pletz und seinem wissenschaftlichen Team des Uniklinikums Jena für die medizinische Betrachtung und mit Prof. Thomas Hotz von der TU Ilmenau für die statistische Betrachtung versierte und engagierte Wissenschaftler gefunden haben, die sich der besonderen Lage in Neustadt und ihrer Chancen ebenso bewusst sind wie Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee, dessen Ministerium der Studie auch den finanziellen Rückhalt gibt.“
Die gesamte Studie ist ein partnerschaftliches Projekt und lebt von der hervorragenden Zusammenarbeit besonders mit Landrätin Petra Enders, dem Gesundheitsamt des Ilm-Kreises um Amtsärztin Dr. Koch und unterstützenden Ärzten des Ortes. So hatte das örtliche Gesundheitsamt schon während der Quarantäne umfangreiche Tests bei den Einwohnern durchgeführt und Infektionsketten und -wege geprüft. Es besteht also eine ausgezeichnete Datenbasis für die Studie. Nicht zuletzt geht der Dank an das Land Thüringen, das die Kosten für die großangelegte Studie trägt.
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