VCD: Investitionsschub für klimafreundliche Mobilität statt Autokauf-Prämien

Für einen Investitionsschub für klimafreundliche Mobilität statt Autokauf-Prämien und für einen Rettungsschirm für ÖPNV-Unternehmen setzt sich in einem offenen Brief an den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann der ökologische Verkehrsclub Deutschland, Landesverband Baden-Württemberg e.V. (VCD) ein.

Anlass des Schreibens ist die Krise der Mobilitätsbranche in Folge der Corona-Pandemie und die von den Ministerpräsidenten Söder aus Bayern, Kretschmann aus Baden-Württemberg und Weil aus Niedersachsen vorgeschlagene Kaufprämie für die Autoindustrie. Diese stuft der VCD als kontraproduktiv ein und fordert stattdessen unter anderem ein Startgeld für grüne Mobilität, von dem alle profitieren, auch die Bezieher kleiner Einkommen.

„Die Mobilitätsbranche leidet stark unter der schwersten Krise seit Jahrzehnten. Der öffentliche Verkehr mit Bus und Bahn hat einen dramatischen Fahrgastrückgang und hohe Einnahmeverluste zu verkraften“, beschreibt VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb die aktuelle Lage. Die Politik müsse darauf reagieren, aber diese Reaktion müsse zu den politischen Zielen passen, die sich die Landesregierung gesetzt habe, insbesondere zum Klimaschutzziel, so der VCD.

Klimaziele verfehlt
„Obwohl es in Baden-Württemberg ein Klimaschutzgesetz gibt, wurden die Klimaziele im Verkehrssektor weit verfehlt. Im Vergleich zu 1990 hätten in Baden-Württemberg die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor bis 2020 um 20-25% reduziert werden sollen, tatsächlich sind sie im Verkehrssektor um 13% gestiegen“, stellt Matthias Lieb, Landesvorsitzender des VCDs, fest. Diese Ziele seien überwiegend durch den motorisierten Individualverkehr und dem Güterverkehr auf der Straße verfehlt worden, während der Schienenverkehr die CO2-Einsparungen erreicht habe.

Der Klimawandel werde in Baden-Württemberg immer häufiger spürbar, was auch die Verkehrswege bedrohe, konstatiert der VCD.

Startgeld grüne Mobilität
„Wir schlagen statt PKW-Kaufprämien ein »Startgeld grüne Mobilität « vor, das für sämtliche Formen nachhaltiger Mobilität verwendet werden kann. Dies kann der Kauf einer BahnCard, eines ÖPNV-Abos, eines (E-)Fahrrads oder Lastenrads, von Car- und Bikesharing-Leistungen oder auch ein Zuschuss zur Anschaffung eines E-Autos sein. Von dieser Prämie würden alle profitieren, besonders diejenigen mit geringerem Einkommen.“, so der Landesvorsitzende des VCDs, Matthias Lieb.

Investitionsschub für Bus und Bahn
Der VCD Baden-Württemberg schlägt in seinem Schreiben an Ministerpräsident Kretschmann einen Investitionsschub für Bus und Bahn vor. Takte von Bussen und Bahnen müssten verkürzt, weitere Fahrzeuge angeschafft und Linien ausgebaut werden, um Komfort, Wohl- und Sicherheitsempfinden der Fahrgäste im öffentlichen Verkehr anzuheben.

Elektrifizierung des ÖVs bis 2030
Mit einem Fahrzeugförderprogramm für E-Busse, O-Busse und Stadtbahnen lasse sich der öffentliche Verkehr bis 2030 vollständig elektrifizieren. Dadurch erhalte auch die Fahrzeugindustrie einen kräftigen Schub an Aufträgen. Davon profitierten Bushersteller sowie Zulieferbetriebe für elektrische Komponenten in Baden-Württemberg, so der VCD.

Elektrifizierungsprogramm für Schienenstrecken
Ein zusätzliches Landes-Ausbauprogramm für Schienenwege 2030 könne Beschäftigung sichern und sogar neue schaffen: Dazu müsse es schnell beschlossen werden und langfristig angelegt sein, um Planungssicherheit zu geben. „Wir fordern zusätzlich 100 Mio. € jährlich bis 2030 für die Elektrifizierung von Bahnstrecken, den zweigleisigen Ausbau und die Anschaffung von batterie-elektrischen bzw. Elektro-Triebwagen zur Ablösung der Dieseltriebwagen in Baden-Württemberg“, so Matthias Lieb. Damit werde der Klima- und Umweltvorteil der Schiene weiter gestärkt.

ÖPNV-Rettungsschirm
Kurzfristig müssten ÖPNV-Unternehmen unterstützt werden, die mit dem schlagartigen Rückgang der Fahrgastzahlen zu kämpfen hätten. Der VCD schlägt deshalb einen ÖPNV-Rettungsschirm von zunächst monatlich mindestens 200 Millionen Euro vor, mit welchem der Bund die Länder und Kommunen unterstützten solle.

Radverkehr weiter ausbauen
Die Corona-Krise zeige auch die Bedeutung des Radverkehrs. Aktuell würden deutlich mehr (hochwertige) Fahrräder und Pedelecs gekauft, stellt der VCD fest. Dies zeige, wie wichtig eine gut ausgebaute Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur für eine sichere, unabhängige und kostengünstige Fortbewegung ist. „Zentral ist dabei der weitere Ausbau eines dichten, für alle Nutzergruppen sicheren und attraktiven Fuß- und Radwegenetzes“, erklärt Matthias Lieb.

Digitalisierung als Chance
Auch die Chancen der Digitalisierung sollten aus VCD-Sicht stärker genutzt werden, einerseits beispielsweise zur Entwicklung einer landesweiten App für den öffentlichen Nahverkehr, andererseits reduziere digitale Infrastruktur auch das Verkehrsaufkommen.

PKW zu schwer und zu stark – Konjunkturhilfen nur mit strengen Auflagen
Beim Bau der Straßenfahrzeuge sei festzustellen, dass die installierten Motorleistungen und die Gewichte der Fahrzeuge in den letzten Jahren immer stärker angestiegen sind. Hier nähmen gerade die Fahrzeuge aus Baden-Württembergischer Produktion eine unrühmliche Spitzenleistung ein, was Gewicht und Antriebsleistung und damit indirekt Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen betreffe, beklagt der VCD. Auch bei der Elektromobilität dominierten bei den hiesigen Herstellern schwere Fahrzeuge mit hoher elektrischer Antriebsleistung und schweren Batterien – „Das ist keine smarte Mobilität, sondern 1:1 die Fortsetzung der bisherigen nicht klimafreundlichen Modellpolitik, nur jetzt eben elektrisch.“, so Matthias Lieb.

Ein Konjunkturprogramm, das jetzt in der Krise aufgelegt werde, dürfe somit nicht nur die Unternehmen durch die Krise bringen, sondern müsse langfristig auch Klima und Umwelt schützen und eine Mobilitätswende einleiten, fordert der VCD.

Die Konjunkturhilfen für die Autoindustrie seien zwingend mit umwelt- und klimafreundlichen Auflagen zu verknüpfen, fordert der VCD: „Stand April 2020 beträgt der durchschnittliche CO2-Ausstoß von neuen Pkw 151 g/km. Ab 2021 schreibt die EU einen Durchschnittswert von 95 g/km vor.“, stellt Matthias Lieb fest. Somit müssen Konjunkturhilfen zwingend dieses Ziel unterstützen, das heißt es dürfen nur Fahrzeuge gefördert werden, die höchstens 80 g/km CO2 ausstoßen und damit deutlich unter dem einzuhaltenden Grenzwert liegen. Matthias Lieb: „Ohne eine solche Vorgabe würden die Klimaschutz-Bemühungen der EU, damit auch des Bundes und des Landes konterkariert werden“.

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