Aus der Abgrenzung von Jesus als Quelle christlicher Unterdrückung entwickelte sich ein neues jüdisches Interesse am Nazarener. „Es ist uns seit Ende des 18. Jahrhundert Stück um Stück gelungen, in Jesus auch den jüdischen Bruder wiederzuentdecken und ihn damit heimzuholen in sein jüdisches Umfeld. Das gilt nicht nur für die Theologie, sondern auch für die Literatur und für die Bildende Kunst, gerade auch im heutigen Israel“, so Homolka, der in diesem Band die unterschiedlichen Ansätze der jüdischen Leben-Jesu-Forschung beschreibt: Wie sehen Juden Jesus heute, im religiösen wie auch im kulturellen Kontext?
Homolka zeigt dabei, dass Juden sich nicht Christus als einem Erlöser angenähert haben, sondern Jesus, dessen Gedanken nur innerhalb eines jüdischen Kontexts richtig gedeutet werden könne und dessen Leiden man im jüdischen Kontext zu deuten wisse. Im Zentrum der Beschäftigung mit dem Juden Jesus steht damit das Ringen des Judentums um Authentizität und Augenhöhe. Der Wiener katholische Dogmatiker Jan-Heiner Tück schreibt dazu in seinem Geleitwort: „Walter Homolka [gibt] wichtige Impulse, wie die Entfremdungsgeschichte in eine Geschichte wechselseitiger Lernbereitschaft überführt werden kann. Denn sowohl die jüdische Forschung zu Jesus als auch die vielfältige Präsenz des Nazareners in der jüdischen Literatur und Kunst zeigt, dass sich Juden mit der Person Jesu sehr wohl identifizieren können, ohne das christliche Bekenntnis zu Jesus Christus zu teilen.“
Rabbiner Walter Homolka, Dr. Dr., geb. 1964. Der Rektor des Abraham Geiger Kollegs ist Universitätsprofessor für Jüdische Religionsphilosophie der Neuzeit, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Jüdische Theologie der Universität Potsdam und Mitglied im Gesprächskreis Juden und Christen des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.
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