„Für die zehn am meisten von der Covid-19-Pandemie betroffenen Länder schätzen wir mit unserem demografischen Skalierungsmodell ab, wie hoch die Dunkelziffer infizierter Personen ist“, sagt Mikko Myrskylä, Direktor am Max-Planck-Institut für demografische Forschung. So gebe es dort nach Stand der Zahlen vom 13. Mai 2020 durchschnittlich vier Mal so viele Infizierte, wie bestätigte Fälle.
Für Italien geht das Modell von etwa 1,4 Millionen infizierter Menschen aus. Das sind sechs Mal so viele, wie von den Behörden offiziell gemeldet. In den USA gehen die Forscher*innen mit 3,1 Millionen Erkrankten von mehr als doppelt so vielen Infizierten aus. In Deutschland dagegen, wo sehr viele Menschen auf Covid-19 getestet werden, schätzt das Modell die Dunkelziffer nur 1,8 Mal so hoch ab.
„Allerdings ist die Unsicherheit für unsere Modellschätzungen groß“, ergänzt die Mitautorin der Studie, Christina Bohk-Ewald, die derzeit an der Universität Helsinki arbeitet. Denn die Dunkelziffern lägen demnach im Bereich zwischen doppelt und elf Mal so hoch. Auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern seien groß. Ihr Modell stellt das Forscher*innenteam in einer Studie vor, die als Pre-Print-Version ohne Peer-Review auf medRxiv online abrufbar ist.
Für ihre Modellrechnung verwenden die Forscher*innen hauptsächlich Angaben zu den Covid-19-Todesfällen und zur Infektionssterblichkeit. Da aber die COVID-19 Infektionssterblichkeit für die meisten Länder noch nicht bekannt ist, übertragen sie die Forscher*innen mit Hilfe der sogenannten Restlebenserwartung von einem Referenzland auf andere Länder. Diese demografische Größe erlaubt es, Unterschiede in der Altersstruktur, den Vorerkrankungen in der Bevölkerung und im Gesundheitssystem der Länder zu berücksichtigen.
Das demografische Modell beruht somit vor allem auf zwei Annahmen: Zum einen geht es davon aus, dass die Zahl der Menschen, die an Covid-19 verstorben sind, überall recht genau erfasst wird. Zum anderen legen die Forscher*innen zu Grunde, dass die Infektionssterblichkeit aus einer Referenzregion (hier aus Hubei, China), nach mathematisch-demografischer Anpassung, auch auf andere Länder übertragbar ist. Den drei Wissenschaftler*innen ist bewusst, dass diese beiden Annahmen nur Annäherungen sind und nicht überall exakt so zutreffen.
Die Forscher*innen sind überzeugt, ein breit einsetzbares Modell entwickelt zu haben, das mit leicht verfügbaren Daten nützliche Schätzungen der tatsächlichen Zahl Covid-19-Infizierter liefert. „Unser Modell eignet sich auch dazu, die geschätzten Infektionszahlen anderer Ansätze und Studien, die zum Beispiel die Verbreitung von Antikörpern in der Bevölkerung messen, vorläufig auf Plausibilität zu prüfen“, sagt Christian Dudel. Demnach seien die nur regional durchgeführten Antikörpertests und die daraus gewonnen Daten häufig nicht repräsentativ für die ganze Bevölkerung eines Landes.
Das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock untersucht die Struktur und Dynamik von Populationen. Die Wissenschaftler*innen des Instituts erforschen politikrelevante Themen wie den demografischen Wandel, Altern, Geburtendynamik und die Verteilung der Arbeitszeit über die Lebensspanne, genauso wie den digitalen Wandel und die Nutzbarmachung neuer Datenquellen für die Erforschung von Migrationsströmen. Das MPIDR ist eine der größten demografischen Forschungseinrichtungen in Europa und zählt international zu den Spitzeninstituten in dieser Disziplin. Es gehört der Max-Planck-Gesellschaft an, der weltweit renommierten deutschen Forschungsgemeinschaft.
www.demogr.mpg.de
Max-Planck-Institut für demografische Forschung
Konrad-Zuse-Straße 1
18057 Rostock
Telefon: +49 (381) 2081-0
Telefax: +49 (381) 2081-202
http://www.demogr.mpg.de
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit MPIDR
Telefon: +49 (381) 2081-143
E-Mail: leek@demogr.mpg.de