von Götz Piwinge
Öffentliche Auftraggeber sind eigentlich eine gute Sache, denn der Auftragnehmer bekommt sein Geld sicher. An dieser Stelle möchte ich auf ein spezielles Thema anderes eingehen. Es geht um das Ausschreibungs-Gebaren der Öffentlichen. Vorneweg: Deutschland befindet sich im digitalen Mittelalter! Der Beweis findet sich in den drei Steinzeit-Fakten:
Steinzeit-Fakt Nr. 1
Die feingliedrige Atomisierung der Ausschreibungsportale
Niemand weiß genau, wieviele öffentliche Ausschreibungsplattformen es in Deutschland gibt, sicher aber über fünfzig Stück. Das reicht von den großen EU-Portalen, wie TED.Europa über Ausschreibungen des Bundes, hin zu allen Länder- und Provinzportalen. Natürlich muss sich das anbietende Unternehmen jedes Mal registrieren und seine Login-Daten sorgfältig verwalten. Und wenn man keine Ausschreibung verpassen möchte ist es notwendig, alle Portale in Zweitages-Rythmus zu durchsuchen. Interessierte Unternehmen müssen in jedem Portal ihre Suchbegriffe hinterlegen, wie beispielsweise “Learning Management”. Das heisst aber noch lange nicht, dass dann auch die passenden Ergebnisse in kompakter Form angezeigt werden, nein: Aus den äußerst unsauberen Ergebnisse müssen zunächst die unscharfen Ergebnisse manuell ausgefiltert werden. Denn bei unserem o.g. Beispiel werden regelmäßig auch Bauleistungen angezeigt. Und wenn man dann glaubt, dass eine Veröffentlichung zum eigenen Angebot passen können, dauert es weitere, wertvolle Minuten, bis die Leistungsbeschreibung in der Einzelausschreibung angezeigt wird, weil der Moloch an Formalien die Sicht auf das Wesentliche versperrt.
Die Anzahl der Ausschreibungsportal wächst stetig weiter. Die Qualität, Digitalität und Zuverlässigkeit der Lösungen reicht maximal für die deutsche Schulnote Vier. Warum schaffen es Provinzen, Ämter, Länder und Bund nicht, ein zentrales Portal durchzusetzen? Wie wäre es, die Leistungsbeschreibung grundsätzlich in die Kopfzeile zu stellen?
Steinzeit-Fakt Nr. 2:
Vergabejuristen sind die neue Wirtschaftsbremse!
Selbst wenn es um ein Auftragsvolumen von nur zwanzigtausend Euro geht, müssen die Anbieter vielen Stunden oder Tage an Arbeit investieren, um den geforderten Formalien der Ausschreibung gerecht werden zu können. Da wären zum Einen eine Flut von einzelnen Eigenerklärungen zur wirtschaftlichen Zuverlässigkeit, Versicherungsnachweise, Antischwarzarbeit etc. Einige dieser Nachweise müssen immer wieder neue, gegen Gebühren bei anderen Ämtern angefordert werden, z.B. Aktueller Auszug aus dem Gewerberegister oder Schufa-Auskunft. Zum Anderen ist in aller Regel auch ein umfangreiches Konzept zur Lösung gefordert, im B2B Business undenkbar! Man verlangt vom anbietenden Unternehmen schamlos ein Lösungskonzept mit zwanzig Seiten als sogenanntes Ausschlusskriterium. Also wer nicht liefert, fliegt raus. Weiter gilt es, den Aufbau des Angebotes genau in der geforderten Struktur zu gliedern, Anmerkung: Wenn vorhanden! Denn es gibt eine juristische Struktur und ein fachliche Struktur und entsprechenden Überschneidungen oder Widersprüche, beispielsweise bei der Benennung der Qualifikation des Fachpersonals. Die Vergabejuristen klöppeln die Fachanforderung an irgendeiner Stelle íns Ausschreibungs-Korsett. der Anbieter darf das dann übereinander legen und sich Gedanken darüber machen, wie er nicht sofort rausfliegt.
Bevor es zu einer Bewertung der fachliche Fähigkeit des Bewerbers kommt, wenn die juristischen Formalien ohne Nachbesserungs-Option geprüft. Der kleinste Fehler führt sofort zum Verfahrensausschluss. Dagegen kann man eine Rüge formulieren oder juristisch vorgehen. Falls man eine Fachkanzlei für Vergaberecht gefunden hat, muss man sich warm anziehen. Die Gebühren sind der absoluter Horror und für KMU nicht darstellbar. Der Rechtsschutz greift nicht und dem öffentlichen Auftraggeber, bzw. dem Bearbeitenden sind die Anwaltskosten egal, wie überall in der öffentlichen Hand. Die Kosten werden dem Projekt in aller Regel nicht direkt zugeordnet.
Es steht also nicht die beste Lösung in ersten Fokus, sondern die juristisch perfekte Bewerbung. Eine Zeitlang haben sich öffentliche Auftraggeber ernsthaft bemüht, KMU Chancengleichheit zu gewähren. Das ist mittlerweile aufgrund der von der EU durchgereichten Rechtsvorschriften und den Vorlieben Einzelner Geschichte. StartUps müssen sich einen etablierten Verbündeten suchen, um überhaupt teilnehmen zu können.
In anderen Ländern gibt es zentrale Firmenregister, wo üblichen Nachweise, wie Auskunft aus dem Gewebezentralregister, Umsatzsteuer-ID, Betriebsnummer, Versicherungen etc. zentral hinterlegt werden können, um diese dann durch eine einzige Einverständniserklärung abzurufen. Das wäre doch mal eine gute Staats-Leistung des Wirtschaftsministeriums!
Steinzeit-Fakt Nr. 3
Fragwürdige Anforderungen
Die umfassende Konzepte, die von den Auftraggebern verlangt werden, werden nicht vergütet. Das anbietende Unternehmen investiert viele Arbeitsstunden und exklusives Wissen; es lässt die Hosen herunter ohne zu wissen, wofür der Auftraggeber diese wertvollen Informationen nutzen wird. Möglicherweise zur Umsetzung des Projekts mit einem anderen Anbieter. Hinzu kommt, dass genau dieses Konzept auch noch kostenlos beim potentiellen Auftraggeber zu fest vorgegebenen Termin und einem Ort nach Belieben präsentiert werden muss.
Natürlich gibt und wird es immer wieder Fälle geben, in denen der Wunschlieferant von Vornehinein schon feststeht und in der Folge sämtliche Ausschreibungskriterien exakt darauf ausgerichtet sind. In meiner Laufbahn habe ich da schon einiges erlebt. Beispielsweise, dass die eben genannte Präsentation mit Bewertungskriterien versehen wird, die wahrhaftig zu 100% subjektiv sind. “Anbieter muss das Thema verständlich vermitteln können” oder “die Persönlichkeit des Beraters muss zum Teamverständnis des Auftraggebers passen”. Ist das nicht haarsträubend? Das Vergaberecht lässt sogar als Ausschlusskriterium zu, dass der Anbieter Veröffentlichungen in speziellen Fachzeitschriften gehabt haben muss. Bleibt nicht zuletzt das abendfüllende Thema “Referenzen”. Hier kann der öffentliche Auftraggeber nahezu alles Denkbare verlangen, wie beispielsweise Größenordnung des Auftrags oder spezielle Behördenerfahrung. Der Einstieg für Newcomer ist damit so gut wie ausgeschlossen. Die Juristen werden jetzt sagen, dass es ja die Möglichkeit der “Eignungsanleihe” gibt, das skurrilste aller Instrumente, um Eignungen, die man selbst nicht hat, bei jemand anderem auszuleihen. Das kann sogar ein geforderter Mindestumsatz sein, wie mir ein versierter Vergabejurist versicherte. Man kann sich also Umsatzangaben ausleihen. Was das alles noch mit der Qualität eines guten Leistungsangebotes zu tun hat, steht in den Sternen, doch eines wird klar: Wir brauchen ganz dringend eine Vereinfachung des Vergaberechts!
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