Zusätzlicher Strombedarf hebelt Klimavorteile von E-Autos aus

Aktuelle Studien, die dem Elektroauto schon beim derzeitigen Strommix eine positive Klimabilanz attestieren, vernachlässigen einen ganz entscheidenden Faktor: den steigenden Stromverbrauch. Bei einer vollständigen Umstellung auf Elektromobilität allein im deutschen PKW-Bereich würde der Strombedarf um fast 20 Prozent steigen. Im Vergleich zu einer Situation ohne Ausbau der Elektromobilität erfordert dies eine stärkere Verstromung fossiler Energieträger, wenn man davon ausgeht, dass die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien in beiden Fällen gleich hoch sein dürfte. Elektroautos führen damit zu 73 Prozent höheren Treibhausgasemissionen als moderne Diesel-PKW. Der Grund: Es ist klimaschonender, mit erneuerbaren Energien den Anteil fossiler Energieträger – insbesondere von Kohle – im Strommix zu reduzieren, als damit Elektroautos zu betanken.

„Elektroautos fahren heutzutage de facto mit 100 Prozent Kohlestrom“, sagt IfW-Forscher Ulrich Schmidt. „Denn der Anteil erneuerbarer Energie an ihrem Stromverbrauch steht nicht zur Verfügung, um fossile Energieträger an anderer Stelle zu verdrängen, und der erhöhte Strombedarf erfordert die zusätzliche Nutzung fossiler Energieträger.“ Schmidt hat in dem aktuellen Kiel Policy Brief „Elektromobilität und Klimaschutz: Die große Fehlkalkulation“ die Klimabilanz von Elektromobilität unter Berücksichtigung des steigenden Strombedarfs und des Strommixes überprüft. „Erst wenn die Energiewende weit fortgeschritten ist und der Strom nahezu ausschließlich aus erneuerbaren Energien besteht, ist das Elektroauto klimafreundlicher als moderne Diesel-Fahrzeuge.“

Allein mit Personenkraftwagen wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt im Jahr 2018 insgesamt 630,84 Mrd. Kilometer zurückgelegt. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch eines Elektroautos von 15 kWh je 100 Kilometer ergäbe dies bei vollständiger Umstellung auf Elektromobilität nur im PKW-Bereich einen Stromverbrauch, der 18,4 Prozent der Nettostromerzeugung in Deutschland entspricht, so Schmidts Analyse.

In zwei jüngeren Studien bleibe der deutlich steigende Stromverbrauch unberücksichtigt und führe so zu einem geschönten Bild von Elektromobilität, die im Corona-Konjunkturpaket durch eine zusätzliche Kaufprämie besonders bedacht wurde. „Selbst wenn das Auto mit ‚eigenem‘ Solarstrom betankt wird, wie es eine der Studien empfiehlt, wäre es klimafreundlicher, diesen ins Stromnetz einzuspeisen und dadurch den Anteil an Kohlestrom zu reduzieren“, schreibt Schmidt. Schätzungen der EU-Kommission gehen auch im Jahr 2050 noch von einem Anteil fossiler Energieträger von rund 40 Prozent aus. Somit würden auch dann noch Elektroautos de facto mit 100 Prozent Kohlestrom fahren und Emissionen von ca. 300 Gramm CO2 pro Kilometer verursachen, wohingegen moderne Diesel-Fahrzeuge einer ADAC-Studie zufolge nur ca. 173 CO2 emittieren.

Der emissionstreibende Effekt der E-Autos im Verkehrssektor wird nur dank der Existenz des europäischen Emissionshandelssystems abgefangen. Durch dieses System sind die Gesamtemissionen des Energie- und Industriesektors nach oben begrenzt, während der Verkehr nicht enthalten ist. Erhöhen sich aufgrund der Elektromobilität die Emissionen im Energiesektor, wird dadurch eine Reduktion im Industriesektor erzwungen. Nur durch diesen Effekt kann die Elektromobilität derzeit zum Klimaschutz beitragen.

Kiel Policy Brief „Elektromobilität und Klimaschutz: Die große Fehlkalkulation“

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