Wohnatlas 2020: Neubau oder Gebrauchtimmobilie? Was rechnet sich?

  • Kaufpreisdifferenz in Miesbach und Garmisch-Partenkirchen am höchsten
  • Geringe Preisunterschiede in vielen ländlichen Gebieten

Ein Altbau mit Charme oder eine moderne Neubauwohnung? Das ist nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern in vielen Regionen auch eine Frage des Geldes. Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) hat die Immobilienangebote in 401 kreisfreien Städten und Landkreisen untersucht und gibt im Postbank Wohnatlas 2020 einen Überblick über die regionalen Preisabstufungen zwischen Eigentumswohnungen im Bestand und Neubauobjekten, die zwischen 2017 und 2019 fertiggestellt wurden.

Insbesondere in Teilen Sachsens und Nordrhein-Westfalens sowie in der Region München sind Neubauten deutlich teurer als Bestandswohnungen. Die mit Abstand größten Preisunterschiede zeigen sich im Landkreis Miesbach. Dort kostet der Quadratmeter einer gebrauchten Wohnung im mittleren Preissegment 5.600 Euro, in einem Neubau knapp 9.400 Euro. Beim Kauf einer 70 Quadratmeter großen Wohnung ergibt sich in dem Landkreis, der nur eine Dreiviertelstunde von München entfernt liegt, eine Preisdifferenz ohne Nebenkosten von mehr als 263.000 Euro. Im oberen Preissegment, in dem Wohnungen nicht nur mit Ausstattungsextras wie edlen Böden und großzügigen Bädern, sondern nicht selten auch mit einem tollen Blick in die Landschaft rund um Schlier- und Tegernsee glänzen, liegt der Preisaufschlag für Neubauten sogar bei gut 452.000 Euro. Das ist bundesweit die größte Preisdifferenz im Hochpreisbereich.

Aufschlag für Neubau ist die Regel

Nicht ganz so happig, aber mit knapp 200.000 Euro immer noch kräftig fällt der Aufschlag für Neubauten im mittleren Preissegment in Garmisch-Partenkirchen aus: In dem bei Skifahrern und Wanderern gleichermaßen beliebten Landkreis an der Grenze zu Österreich finden Neubauprojekte in attraktiver Lage und ausgestattet mit allen Annehmlichkeiten modernen Wohnens Anklang – das macht sich im Preis bemerkbar. Im Hochpreissegment sind die Unterschiede etwas weniger stark ausgeprägt: Wer sich für Neubau entscheidet, muss beim Erwerb von 70 Quadratmetern Wohneigentum mit Preisaufschlägen von knapp 162.000 Euro rechnen.

Große Preisunterschiede zeigen sich im mittleren wie auch im oberen Preissegment in Stuttgart und Düsseldorf. Die beiden Metropolen, die zu den sieben größten deutschen Städten zählen, finden sich in beiden Rankings in den Top Ten – im mittleren Preissegment mit Kaufpreisunterschieden von mehr als 160.000 Euro. Kräftige Preisaufschläge für Neubauten von mehr als 150.000 Euro weist der Postbank Wohnatlas auch für die Städte Essen und Gelsenkirchen sowie für die Kreise Meißen, Nordsachsen und Straubing-Bogen aus.

Wo die Unterschiede weniger ins Gewicht fallen

Nicht so sehr ins Geld gehen die Unterschiede zwischen Bestands- und Neubauwohnung in Hamburg. Für die Hansestadt zeigt der Postbank Wohnatlas eine vergleichsweise geringe Preisdifferenz von gut 80.000 Euro. Im Hochpreissegment fällt der Unterschied sogar noch geringer aus und liegt bei knapp 44.000 Euro. Damit ist die Hansestadt Hamburg prominenter Vertreter der Landkreise und kreisfreien Städte, in denen die Preisdifferenz zwischen Bestand und Neubau im mittleren Segment größer ist als im Hochpreisbereich. Im bundesweiten Mittel liegt der Preisvorteil einer 70 Quadratmeter Wohnung aus dem Bestand im mittleren Preissegment bei 89.410 Euro, bei den hochpreisigen Objekten bei 67.643 Euro.

Preisdifferenzen zwischen Neu- und Bestandsbauten für 70-qm-Wohnungen in Euro, mittleres Preissegment (Median) / oberes Preissegment (teuerste 10%) *

In vielen ländlichen Gebieten ist die Wahl zwischen Neubau oder Gebrauchtimmobilie nicht unbedingt eine Frage des Geldbeutels. Die Preisdifferenzen sind relativ gering. So geht es im mittleren Preissegment im Landkreis Freising um einen Aufschlag von rund 11.500 Euro und in Aurich um gut 14.000 Euro für die neu errichtete Immobilie. „Kleinere Preisaufschläge für Neubauten sollten Käufer mindestens in Betracht ziehen. Denn die Vorteile sparen unter Umständen bares Geld: moderne Haustechnik, höhere Energieeffizienz und Gewährleistungsansprüche bei Mängeln. Wer sich für einen Neubau entscheidet, bleibt in der Regel einige Jahre von Reparaturen verschont“, sagt Eva Grunwald, Leiterin Immobiliengeschäft Postbank.

Alt- oder Neubau – was ist das größere Wagnis?

Allerdings ist ein Neubau tendenziell das riskantere Vorhaben. Oft existieren zum Zeitpunkt des Kaufs lediglich Baupläne und Zeichnungen – wie das Raumgefühl der eigenen vier Wände tatsächlich sein wird, zeigt sich dann erst bei Fertigstellung und Bezug. Wer selbst baut, hat noch mit ganz anderen Herausforderungen zu kämpfen: Jedes Bauvorhaben kostet Zeit und Nerven und ist weitaus komplexer als der Kauf einer gebrauchten Immobilie. „Bei Gebrauchtimmobilien kann der Kaufinteressent mit eigenen Augen sehen, was er bekommen wird: Wie fällt das Licht ins Wohnzimmer? Wie hell oder geräumig ist der Flur? Dringt der Straßenlärm durch die Schallisolierung der Fenster? Solche Fragen lassen sich bei der Besichtigung eines Altbaus häufig einfacher beantworten als bei einem Neubauprojekt in Planung“, sagt Grunwald. „Allerdings verrät der Altbau seinem künftigen Besitzer häufig bei der Besichtigung nicht alles: Käufer sollten Sachverständige oder Gutachter hinzuziehen, um zu überprüfen, ob die Immobilie gravierende Mängel aufweist.“

Regionen der teuren Altbauten

In vielen Regionen sind die begehrten Lagen längst bebaut. Wer hier wohnen will, wird kaum ein Neubauobjekt finden. Dann macht der gepflegte Altbau das Rennen. In den Landkreisen Leer und Nordfriesland sind Bestandsbauten im Durchschnitt sogar teurer als Neubauten. Im Bereich der hochpreisigen Immobilien werden in acht Landkreisen für den komfortablen Altbau höhere Preise fällig als für das Neubauobjekt. Zu diesen Kreisen zählen Aurich, Wittmund, Leer, Landkreis Rostock, Vechta, Schweinfurt, Cloppenburg und Freising.

Hintergrundinformationen zum Postbank Wohnatlas 2020

Der Postbank Wohnatlas ist eine jährlich erscheinende, mehrteilige Studienreihe, die den deutschen Immobilienmarkt unter verschiedenen Aspekten auf Kreisebene beleuchtet. Die vorliegende Analyse ist der dritte Studienteil des diesjährigen Wohnatlas. Unter der Leitung von Diplom-Volkswirtin Dörte Nitt-Drießelmann, Senior Researcherin beim Hamburger WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), wurde die Immobilienpreisentwicklung in den 401 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten untersucht.

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