Internationale Jazz-Stars im Essener Grillo-Theater

Wer in Zeiten von Corona das Programm für eine gesamte Saison plant, muss ein unerschütterlicher Optimist sein. Dr. Berthold Klostermann, der Künstlerische Leiter der Reihe „Jazz in Essen“ im Grillo-Theater, ist ein solcher, und so hat er diesmal sechs Konzerte von September 2020 bis Mai 2021 zusammengestellt, damit das Publikum wieder das erleben kann, was der französische Jazzer Michel Portal einmal so beschrieben hat: „Jazz bietet mir die einzige Möglichkeit, frei zu sein, zu schweben, zu träumen."

Die jazzige Spielzeit beginnt auch im kommenden Herbst wieder mit der Verleihung des Essener „Jazz Potts“, einem Preis für innovative Jazzmusiker, der 1998 von Viktor Seroneit († 2011) und Niklaus Troxler für den „Plakat Kunst Hof Rüttenscheid“ begründet wurde. 23. Preisträgerin ist in diesem Jahr eine Frau, die es nach Jutta Hipp (1956) als erste und bis heute einzige deutsche Jazzmusikerin geschafft, vom legendären Blue-Note-Label veröffentlicht zu werden, und das schon mit ihrem Debütalbum: Julia Kadel. Mit ihrem mittlerweile dritten Album „Kaskaden“ (2019), erschienen beim Label MPS, hat die ehemalige Psychologiestuden­tin ihren Ruf als originelle Pianistin, Komponistin und Leiterin eines traumhaften Trios weiter ausgebaut. „Ein scheinbar konventionelles Format, das den Hörer aber in eine erstaunlich abwechslungsreiche Klangwelt aus Jazz, Geräuschhaftem und Kammermusikalischem zieht“, schwärmt Berthold Klostermann. Das Preisgeld in Höhe von 2000 Euro wird wieder vom Essener Kabarettisten Hagen Rether gestiftet. Corona-bedingt ist die Platzkapazität im Essener Grillo-Theater derzeit leider eingeschränkt. Aus diesem Grund wird das Preisträgerkonzert, das Julia Kadel gemeinsam mit ihren Trio-Musikern Karl-Erik Enkelmann (Bass) und Steffen Roth (Schlagzeug) bestreitet, am Sonntag, dem 20. September gleich zweimal zu erleben sein: um 17:00 und um 20:00 Uhr. Der Kartenvorverkauf für diese beiden Konzerte beginnt am 3. August, Tel.: 0201/81 22-200.

Auch im zweiten Konzert setzt Berthold Klostermann auf weibliche Jazz-Power: Mit „Sisters in Jazz“ holt er Cæcilie Norby auf die Grillo-Bühne. Die dänische Sängerin und Perkussionistin schart mit Rita Marcotulli (Klavier), Pernille Bevort (Saxofon), Lisa Wulff (Bass) und Benita Haastrup (Schlagzeug) zudem Musikerinnen der Extraklasse aus mehreren europäischen Ländern um sich, um mit dieser gebündelten musikalischen Energie Stücke hochkarätiger Frauen zu interpretieren: u. a. von Jazzdiven wie Betty Carter, Abbey Lincoln und Nina Simone, von Singer/Songwriterinnen wie Carole King und Joni Mitchell, Ricky Lee Jones und Bonnie Raitt. Eigene Songs von Norby und ihren „Sisters in Jazz“ runden das Programm ab. Klostermann: „Bei aller Positionierung für Frauen im Jazz klingt die Musik nie nach Programm oder Bekenntnis, sondern stets nach zeitlosem, mit Herz und Verstand, Talent und Power gemachtem Vocal Jazz.“
Auch dieses Konzert wird Corona-bedingt am Sonntag, dem 18. Oktober zweimal im Grillo-Theater zu erleben sein: um 17:00 und um 20:00 Uhr.

Wer es schräg und gleichzeitig virtuos mag, der sollte das „Jazz in Essen“-Konzert kurz vor Silvester keinesfalls verpassen. Denn auch wenn das Fest der Liebe gerade erst vorbei ist, für eine Portion Weihnachtslieder ist es bekanntlich nie zu spät. Schon gar nicht, wenn die bekanntesten der bekannten Besinnlichkeits-Ohrwürmer so einmalig dargeboten werden, wie Matthias Schriefls „Moving Krippenspielers“ das machen. Schriefl, der „Trompetengott aus dem Allgäu“ (WAZ), präsentiert sie im Rahmen einer mitreißend-abgefahrenen Show: Sechs Akteure, an die dreißig Instrumente, weihnachtliche Kostüme, eine Weihnachtsgeschichte, die viel Platz für Spontanes auf der Bühne lässt, Gesang, Volkstänze – das sind die Zutaten für dieses zeitlose Krippenspiel. „Das Ganze ist ein wahrhaftiges Heidenspektakel“ (Jazz thing), in dem Blasmusi auf Jazz, Balkan, Calypso, Funk, Punk, Reggae, Disco-Beat, Avantgarde, Boogie, Gospel, Dreigesang, Bach und Hörspiel trifft. Eine Mordsgaudi für alle vor und auf der Bühne. Neben Matthias Schriefl (Blech, Baritonsaxofon, Alphorn, Stimme) sind mit dabei: Johannes Bär (Blech, Klarinette, Alphorn, Stimme), Michl Engl (Tuba, Tenorhorn, Alphorn, Stimme), Claudia Schwab (Geige, Flügelhorn, Akkordeon, Flöte, Stimme), Simon Rummel (Viola, Tasten, Melodica, Stimme) und Kalle Mathiesen (Schlagzeug, E-Bass, Stimme). Los geht’s am Dienstag, dem 29. Dezember um 20 Uhr im Grillo-Theater.

Im ersten Konzert des neuen Jahres ist am Sonntag dem 7. März 2021 ab 20 Uhr ein Mann im Grillo-Theater zu Gast, der zu den einflussreichsten Gitarristen der Generation nach Scofield / Frisell / Metheny zählt. Seine Sporen verdiente sich Kurt Rosenwinkel bei Ikonen wie Gary Burton und Paul Motian, seine Vielseitigkeit zeigte er durch die Kooperation mit Koryphäen wie Q-Tip („A Tribe Called Quest“) oder Joshua Redman, der ihm bescheinigte: „Kurt ist ein Mann mit vielen musikalischen Tugenden. Seine Technik ist erstaunlich, sein Gehör großartig, seine Time unfehlbar, sein Groove messerscharf, seine Artikulation präzise, sein Ton durchdringend, aber warm, sein narrativer Fluss entspannt, aber dynamisch. Ein großer Innovator und wahrer Individualist.“ 2013 schenkte Eric Clapton ihm eine seiner Gitarren – mehr Ehre geht kaum. Nach neun Jahren Lehrtätigkeit am Jazz-Institut Berlin, konnte es Rosenwinkel offenbar nicht mehr ohne sein 2009 gegründetes „Standards Trio“ aushalten: Mit Dario Deidda (E-Bass) und Gregory Hutchinson (Schlagzeug) an seiner Seite sind virtuose Spielfreude und zeitgemäße Arrangements garantiert.

Weiter geht es am Sonntag, dem 2. Mai 2021: Ab 20 Uhr präsentiert Nguyên Lê im Grillo-Theater sein Programm „Overseas“, das aus einem 2018 entstandenen Zirkusprojekt hervor­gegangen ist. In Essen ist der als Sohn vietnamesischer Eltern in Frankreich geborene Fusion-Gitarrist Nguyên Lê ein guter Bekannter: So war er u. a. 2005 in Paolo Fresus „Kind of Porgy & Bess“ im Grillo-Theater zu erleben. „Als Künstler“, sagt Lê, „begann ich, meine eigene Identität aufzubauen, mit der Kultur meiner Eltern und der des Landes, in dem ich lebe. Heute aber lautet die Frage nicht mehr: ‚Bin ich Vietnamese?‘ Denn so wie sich Vietnam verändert hat, habe auch ich mich verändert. Ich bin Vietnamese und Weltbürger. Meine Musik will das aus­drücken.“ Bei „Overseas“ bringt Lê vietnamesische Tradition, Jazz, Rock, Hip-Hop, Reggae und Electronica zu einer verblüffend homogenen Mischung zusammen. Das Ergebnis: „Exotisch, quirlig, farbenreich, mitreißend, bezaubernd.“ (Fono Forum)

Die Besetzung besteht aus Nguyên Lê (E-Gitarre), Illya Amar (Vibrafon), Chris Jennings (Bass), Alex Tran (Schlagzeug, Percussion), Trung Bao (Beatbox) sowie Mieko Miyazaki (Koto) oder Ngo Hong Quang (trad. vietnamesische Instrumente, Stimme).

Als besonderes Bonbon wird es am Sonntag, dem 30. Mai ab 20 Uhr ein weiteres „Jazz in Essen“-Konzert geben: An diesem Abend holen „Web Web“ ihr im April 2020 wegen der Corona-Pandemie ausgefallenes Konzert im Grillo-Theater nach. Die vier Musiker dieser All-Star-Band zählen zu den erfahrensten und meistgefragten Instrumentalisten hierzulande, sie spielten mit allen, die in Jazz und Pop Rang und Namen haben. „Zusammen wollten sie eigentlich ein ungeschliffenes, weitgehend improvisiertes Album einspielen“, erzählt Berthold Klostermann, „und ihr Label sollte verbreiten, es handele sich um verschollene Aufnahmen einer obskuren Band aus den 1970er Jahren.“ Dabei habe sich dann aber das Problem ergeben, dass sie nicht hätten live auftreten und auch keine weiteren Platten hätten machen können. „Zum Glück haben sie es sich anders überlegt“, so Klostermann, „denn jetzt können wir sie dabei erleben, wie sie auf der Bühne in ihrer Musik aufgehen, sich darin verlieren, sie einfach geschehen lassen, ganz nach der Maxime ‚Improvisation geht vor Perfektion‘.“ Als idealen Gast für ihren „Dance Of The Demons“ haben sich „Web Web“ den marokkanischen Gnawa-Musiker Majid Bekkas mit ins Boot geholt. Er verleiht ihrem hypnotisch treibenden, trancehaften Sound einen spirituellen Sufi-Touch.

Die Reihe „Jazz in Essen“ wird realisiert in Kooperation mit dem Kulturbüro der Stadt Essen und gefördert von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung.

Eintritt jeweils € 22,00.
Karten gibt es im TicketCenter der Theater und Philharmonie Essen, Tel.: 0201/81 22-200, oder per E-Mail-Reservierung unter tickets@theater-essen.de.

Infos zu allen „Jazz in Essen“-Konzerten unter: www.schauspiel-essen.de

Aufgrund der nach wie vor ungewissen Corona-Lage empfiehlt das Schauspiel Essen allen Jazz-Fans, sich vor ihrem Konzertbesuch unter www.schauspiel-essen.de zu erkundigen, ob die Veranstaltung auch tatsächlich stattfindet.

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