In Trippelschritten aus der Corona-Krise

  • 2020 kann für Berlin mit einer Rezession von -8% gerechnet werden
  • Die Arbeitslosenquote stieg im Juli weiter auf 10,8% (215.305 Erwerbslose)
  • Das Berliner Gastgewerbe ist besonders betroffen, mit einem Umsatzrückgang im Zeitraum Januar bis Mai um 42,7% im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum

Auch die Berliner Wirtschaft wurde von der Corona-Pandemie zu einer Vollbremsung gezwungen und läuft nur langsam wieder an. Dr. Jürgen Allerkamp, Vorsitzender des Vorstands der Investitionsbank Berlin (IBB): „Viele Selbstständige und mittelständische Unternehmen aus den Bereichen Kunst, Unterhaltung und Erholung, dem Gastgewerbe und den unternehmensnahen Dienstleistungen machen die besondere Mischung der Berliner Wirtschaft aus. Sie spüren die Krise nach wie vor am schmerzlichsten. Mit knapp 2 Milliarden EUR aus verschiedenen Soforthilfeprogrammen von Bund und Land konnten rund 360.000 Arbeitsplätze in Berlin gesichert und ein kompletter Zusammenbruch der Wirtschaft verhindert werden.“

Berlin diesmal stärker betroffen als in der Finanzkrise 2008/2009

Rund 193.000 Soloselbstständige und 183.000 Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern prägen die Berliner Wirtschaft. War der vergleichsweise geringe Industrieanteil Berlins von 7,8% an der Bruttowertschöpfung (Deutschland: 21,6%) in der letzten großen Krise 2008 sogar ein gewisser Schutz vor einem zu starken Wachstumseinbruch, so sind in der jetzigen Krise eine Vielzahl der Berliner Dienstleistungsbereiche mit voller Wucht betroffen. So rechnen die Volkswirte der IBB für Berlin aufgrund der Betroffenheit und Dauer der Schließung einzelner Branchen mit einer Rezession in 2020 von etwa -8% – für Deutschland könnte es -6% werden. 2019 wuchs das Berliner BIP mit 3,0% noch deutlich über dem Bundestrend.

Besonders hohe Verluste im Dienstleistungsbereich

Die Dienstleistungsbereiche sind eine wichtige Stütze der Berliner Wirtschaft. Noch 2019 konnten sie ihre Umsätze um 5,2% gegenüber dem Vorjahr steigern. Mit knapp 30% der Berliner Umsätze bestimmen sie den Konjunkturverlauf weiterhin stark. Vor allem der Verkehrsbereich, Verlage, Werbeagenturen, Filmherstellung, Reiseveranstalter sowie unzählige freiberufliche und private Dienstleister sind betroffen. Insbesondere aber das Gastgewerbe und die Bereiche Kunst, Erholung und Unterhaltung werden noch sehr lange mit den Folgen der Krise zu kämpfen haben. Das Gastgewerbe könnte 2020 etwa 30% der Bruttowertschöpfung des Vorjahres verlieren. So sanken die Umsätze im Zeitraum Januar bis Mai um 42,7% im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum.

Jobwunder erst einmal gestoppt

Corona stoppte vorerst auch das Berliner Jobwunder. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist im Mai im Jahresvergleich zwar noch einmal um 0,7% auf 1,54 Mio. gestiegen, der stärkste Zuwachs aller Bundesländer. Bereits seit September stockt der Abbau der Arbeitslosigkeit jedoch, und Corona verschärft diesen Trend dramatisch. So waren im Juli 2020 215.305 Erwerbslose gemeldet. Die Arbeitslosenquote stieg so weiter auf 10,8% (von 10,5% im Juni). Die Arbeitslosigkeit war vor Corona zum letzten Mal im April 2016 zweistellig gewesen. In Berlin meldeten in der Krise bis Juni 38.945 Unternehmen Kurzarbeit für 406.240 Personen an.

Berliner Industrie kam bisher glimpflich davon

Die Berliner Industrie ist von der Krise bisher nicht so stark betroffen wie im Bundestrend. Die Umsätze der Berliner Industrieunternehmen sind in den ersten fünf Monaten 2020 gegenüber dem entsprechenden Vorjahrzeitraum lediglich um 2,3% gefallen, in Deutschland waren es dagegen 15,9%. Die Pharmazeutische Industrie, die umsatzstärkste Berliner Industriebranche, konnte ihre Umsätze bis Mai sogar um 160 Mio. EUR (+4,8%) steigern. Doch die Schließung von Produktionsanlagen, unterbrochene Lieferketten sowie der Nachfrageeinbruch aufgrund der Corona-Pandemie werden auch die Berliner Industrie 2020 empfindlich treffen.

Fachkräftemangel und steigende Kosten drücken Bauaktivität

Die Bauaktivität wird neben den neuen Corona-Auflagen vor allem durch den Fachkräftemangel in vielen Bau- und Handwerksberufen, fehlende Kapazitäten, sowie steigende Baukosten gebremst. Zudem gingen die Baugenehmigungen von Wohnungen in den ersten fünf Monaten 2020 gegenüber dem Vorjahr um 7,0% auf 9.333 zurück. Aufgrund von Corona waren Ämter nur eingeschränkt arbeitsfähig, und der Genehmigungsstau dürfte zunehmen.

Da Deutschland und auch Berlin im Vergleich mit anderen europäischen Ländern relativ gesehen gut durch die Krise gekommen ist, könnte die Attraktivität Deutschlands für internationale Arbeitskräfte langfristig wieder zunehmen. Davon würde dann auch Berlin profitieren, zumal auch vor der Krise ein hoher Bedarf an internationalen Arbeitskräften in vielen Bereichen der Wirtschaft bestand, vor allem in der boomenden Digitalwirtschaft. Ab Mitte 2021 könnte Berlin seinen gegenüber dem Bund überdurchschnittlichen Wachstumspfad dann langsam wieder aufnehmen.

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