Die derzeitige Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen beruht selten auf fundiertem Wissen. Eine gemeinsame Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und des Vereins Mein Grundeinkommen soll das ändern und neue, empirische Maßstäbe setzen. „Diese Studie ist eine Riesenchance, um die uns seit Jahren begleitende theoretische Debatte über das bedingungslose Grundeinkommen in die soziale Wirklichkeit überführen zu können. Bisherige weltweite Experimente sind für die aktuelle Debatte in Deutschland weitgehend unbrauchbar. Mit diesem lang angelegten Pilotprojekt für Deutschland betreten wir wissenschaftliches Neuland“, sagt Jürgen Schupp, Senior Research Fellow des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) am DIW Berlin.
Mit dem heutigen Tag beginnt die Rekrutierungsphase für am Ende 1500 ProbandInnen der Langzeitstudie, von denen 120 nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden, die drei Jahre lang monatlich 1200 Euro erhalten – bedingungslos. Die restlichen einbezogenen 1380 StudienteilnehmerInnen dienen als Vergleichsgruppe, um sichergehen zu können, dass in der Studie zu beobachtende Veränderungen tatsächlich auf das ausgezahlte Grundeinkommen zurückzuführen sind.
„Wir wollen herausfinden, wie ein bedingungsloses Grundeinkommen Menschen und Gesellschaft verändert. Wir wollen wissen, was es mit Verhalten und Einstellungen macht und ob das Grundeinkommen helfen kann, mit den gegenwärtigen Herausforderungen unserer Gesellschaft umzugehen“, sagt Michael Bohmeyer, Initiator des Vereins Mein Grundeinkommen.
Keine Bedingungen bei der Auszahlung
Die TeilnehmerInnen des Pilotprojekts, das unter dem Motto „Wir wollen es wissen“ steht, müssen keine Bedürftigkeit belegen und können unbegrenzt Geld hinzuverdienen, wenn sie wollen. Der Betrag des gezahlten Grundeinkommens orientiert sich an der Armutsgefährdungsgrenze. Das heißt, er liegt über dem Einkommensbetrag, ab welchem die Möglichkeiten zur Lebenserhaltung und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt sind.
Da menschliche Entscheidungsprozesse hochkomplex sind und der Fokus auch auf Veränderungen von Entscheidungen und kognitiven Fähigkeiten der TeilnehmerInnen liegt, wird die Studie außerdem von WissenschaftlerInnen des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern sowie der Universität zu Köln durch psychologische und verhaltensökonomische Forschung unterstützt.
„Diese Studie ist eine Riesenchance, um die uns seit Jahren begleitende theoretische Debatte über das bedingungslose Grundeinkommen in die soziale Wirklichkeit überführen zu können.“ Jürgen Schupp
Eine Million BewerberInnen haben die Chance teilzunehmen
Die Bewerbung zur Teilnahme ist für alle möglich, die ihren ersten Wohnsitz in Deutschland haben und mindestens 18 Jahre alt sind. Zur Bewerbung muss ein Online-Fragebogen mit Kontaktinformationen, Angaben zu Geschlecht, Kinderanzahl und Anzahl der Personen im Haushalt sowie einigen Daten zur Lebenssituation, wie den höchsten erworbenen Schulabschluss, Nettoeinkommen und den Erhalt von Sozialleistungen, ausgefüllt werden. Die Studie startet, sobald sich entweder eine Million Menschen unter www.pilotprojekt-grundeinkommen.de zur Studienteilnahme beworben haben oder spätestens am 10. November 2020 mit den bis dahin eingeschriebenen Personen. Diese große Zahl ist notwendig, da die Datenqualität enorm verbessert wird, wenn die Grundmenge der BewerberInnen, aus der die TeilnehmerInnen ausgewählt werden, möglichst groß und vielfältig ist.
Die Auszahlung der Grundeinkommen beginnt im Frühling 2021. Die TeilnehmerInnen werden im dreijährigen Studienzeitraum jeweils sechs Onlinefragebögen ausfüllen, die unter anderem Fragen zur Erwerbstätigkeit, Zeitverwendung, dem Konsumverhalten, Werten und der Gesundheit enthalten.
Besonders an der Studie ist, dass sie durch Spenden von 140.000 Privatpersonen finanziert wird, die momentan 607.000 Euro im Monat an den Verein Mein Grundeinkommen spenden. Ab dem Studienstart werden rund 23 Prozent dieser Spenden für die vollständige Finanzierung der Studie verwendet. Die Finanzierung durch private Spenden sichert die politische Unabhängigkeit der Studie.
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