Weltkindertag am 20. September – Schon vor der Geburt bis zu der Pubertät: Heranwachsende benötigen Jod für eine gesunde geistige Entwicklung

Auch wenn Deutschland laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht mehr als explizites Jodmangelgebiet gilt, sind Teile der Bevölkerung, unter anderem Kinder und Jugendliche, nicht ausreichend mit Jod versorgt. In der KiGGS-Studie (Untersuchung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland) wurde bei etwa 30 Prozent der untersuchten Heranwachsenden eine unzureichende Jodversorgung nachgewiesen. Jod ist ein essentielles Spurenelement und für die Bildung der Schilddrüsenhormone unentbehrlich. „Besonders in den kritischen Phasen der Entwicklung von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen kann ein Jodmangel schwerwiegende Folgen haben“, erklärt Professor Thomas Remer, Wissenschaftler und Ernährungsendokrinologe am Studienzentrum DONALD Studie Dortmund der Universität Bonn und 2.Vorsitzender des Arbeitskreises Jodmangel e.V. (AKJ), anlässlich des Weltkindertages am 20. September. Dazu gehören Wachstumsstörungen, Hördefekte, Konzentrations- und Lerndefizite sowie bleibende Beeinträchtigungen der intellektuellen Leistungsfähigkeit. Die Auswirkungen der unzureichenden Jodversorgung, unter anderem auf die geistige Entwicklung des Kindes, wurden in einer Stellungnahme der American Thyroid Association (US-amerikanischen Schilddrüsengesellschaft) von 2017 zum universellen Einsatz von Jodsalz hervorgehoben und entsprechend die Bedeutung einer ausreichend hohen Jodzufuhr gerade in der Schwangerschaft und während des anschließenden Stillens betont (6).

Jod – von großer Bedeutung in der Schwangerschaft

Ist nicht ausreichend Jod vorhanden, wird zu wenig Schilddrüsenhormon T4 (Thyroxin oder Tetrajodthyronin) gebildet. Das T4 liegt im Blut an ein Protein gebunden oder frei vor. Besonders das freie T4 (fT4) ist dafür verantwortlich, dass sich die Nervenzellen gesund entwickeln, da für eine adäquate Hormonwirkung im Gehirn vorwiegend das fT4 die Bluthirnschranke passieren muss. Es wird anschließend in den Zielzellen durch das Enzym Dejodase in die aktive Hormon-Form T3 (Trijodthyronin) umgewandelt. Schon leicht verminderte fT4-Werte können die geistige Entwicklung beeinträchtigen. Die Schwangerschaft gilt dabei als die kritischste Phase der kindlichen Hirnentwicklung. Bis zur 12. Schwangerschaftswoche wird der Fetus über die Schilddrüsenhormone der Mutter mitversorgt. Daher benötigt sie in der Schwangerschaft mehr Jod, um vermehrt Schilddrüsenhormone produzieren zu können. Aber auch danach: Zwar beginnt die kleine Schilddrüse des ungeborenen Kindes nun selbst Hormone zu bilden, benötigt hierfür jedoch das Jod der Mutter über die Nabelschnur. Professor Remer betont deshalb: „Um ausreichend mit Jod versorgt zu sein, sollten alle Schwangeren besonders auf ihre Jodzufuhr achten und sich gerade in dieser wichtigen Lebensphase dafür entscheiden, eine übliche, in der Regel joddefizitäre Kost mit täglich 150 bis 200 Mikrogramm Jod (in Tablettenform) zu ergänzen.“ Die Dosierung entspricht der gemeinsamen aktuellen Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin und der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (7).

Stillzeit: Mütterliche Jodversorgung unentbehrlich für das Kind

Nach der Geburt bis zum Ende der Stillzeit ist das Kind ebenfalls auf eine ausreichende Jodzufuhr seitens der Mutter angewiesen. Während der Stillzeit stellt die Muttermilch die einzige Nahrungsquelle für das Kind dar. In der Regel weist sie ein ideales Verhältnis aller notwendigen Nährstoffe auf – mit Ausnahme des Spurenelements Jod in Jodmangelgebieten. Die Brustdrüse kann aktiv nur so viel Jod für das Baby bereitstellen wie aufgrund der Nahrungszufuhr der Mutter in ihrem Blut zirkuliert. Deswegen sollte auch hier der erhöhte Jodbedarf mithilfe der Einnahme von Jodtabletten gedeckt werden, wenn nicht durch die übliche Ernährung eine tägliche Jodzufuhr von ca. 200 Mikrogramm pro Tag sichergestellt werden kann. Nicht gestillte Säuglinge werden generell durch kommerzielle Säuglingsanfangsnahrungen ausreichend mit Jod versorgt. Säuglinge haben eine kleinere Schilddrüse und können daher weniger Jod speichern. Somit besteht schneller die Gefahr einer Unterversorgung. Die Empfehlung der deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für die tägliche Jodzufuhr in den ersten Lebensmonaten liegt derzeit bei 40 Mikrogramm (siehe Tabelle). „Experten plädieren allerdings für eine deutliche Anhebung der Empfehlung gerade während der ersten Lebensmonate, um eine optimale Entwicklung des Gehirns zu unterstützen. So lauten die Referenzwerte des US-amerikanischen Institute of Medicine für die adäquate Jodzufuhr von Säuglingen bis zum sechsten Lebensmonat sogar: 110 Mikrogramm täglich“, sagt Professor Remer.

Während des gesamten Wachstums auf Jodzufuhr achten

Nach der reinen Stillzeit ist besonders bei selbst hergestellter Beikost die Jodzufuhr kritisch, da diese überwiegend pflanzlich ist (Getreide-, Obst-, Gemüsebreie) und daher nur wenig Jod enthält. Auch industriell hergestellte Beikost ist nur teilweise ausreichend angereichert. „Bei teilgestillten Säuglingen und der Zufütterung von selbst hergestellter Beikost wird oft weniger als die Hälfte der täglich notwendigen Jodzufuhr erreicht“, so Professor Remer. Zur Verbesserung der Jodversorgung können Jodtropfen zur Anreicherung der Nahrung genutzt werden. Allerdings sollte dies zuvor mit dem Kinderarzt besprochen werden.

Auch im Schulkindalter sollten Eltern auf eine ausreichende Jodzufuhr achten. „Bei neuseeländischen Schulkindern, mit annähernd ähnlicher Jodversorgung, wie sie auch bei deutschen Kindern zu beobachten ist, konnten durch die tägliche Jodgabe von 150 Mikrogramm über ein halbes Jahr bereits deutliche Verbesserungen geistiger Leistungsparameter im Vergleich zu Kindern der Kontrollgruppe ohne Jodgabe nachgewiesen werden“, erläutert Professor Remer.

Um die Kleinsten von Anfang an gut mit Jod zu versorgen, gibt der AKJ folgende Tipps:

Bei der Herstellung von Beikost, speziell auf pflanzlicher Basis und der hauptsächlichen Verwendung von Bio-Milchprodukten, muss auf eine ausreichende Gesamt-Jodzufuhr geachtet werden. Die Beikost sollten Eltern bei Kleinkindern unter einem Jahr nicht eigenmächtig nachsalzen, auch nicht mit Jodsalz. Ein zu hoher Salzkonsum kann langfristig eine ungünstige Entwicklung des Blutdrucks und der Geschmacksprägung verursachen. Wenn Kinder etwa ab dem ersten Lebensjahr auch salzhaltigere Mahlzeiten angeboten bekommen, sollten diese – wenn immer möglich – mit jodiertem Speisesalz zubereitet werden. Im höheren Kindes- und Jugendalter empfiehlt der AKJ eine jodreiche Ernährung mit regelmäßig Seefisch, Milch- und Milchprodukten sowie der gezielten Auswahl von Lebensmitteln, die mit jodiertem Speisesalz produziert wurden. Insbesondere die Jodsalzprophylaxe hat in der Vergangenheit maßgeblich zu einer verbesserten Jodversorgung beigetragen – dies betont nicht nur die amerikanische Schilddrüsengesellschaft in ihrem Statement (6), sondern auch das seit 30 Jahren weltweit eng mit der WHO und mit UNICEF zusammenarbeitende IGN (Iodine Global Network). „Laut der American Thyroid Association stellt die Anreicherung von Speisesalz mit Jod und dessen Verwendung in der Lebensmittelproduktion eine effektive sowie nachhaltige Strategie zur Behebung jodmangelbedingter Auswirkungen und Schilddrüsenerkrankungen dar“, äußert Professor Remer.

Weitere Informationen und Serviceangebote zum Thema Jodmangel unter jodmangel.de

Quellen:

1. Remer T. et al. (2010) Jodmangel im Säuglingsalter – ein Risiko für die kognitive Entwicklung. Dtsch med Wochenschr,Vol. 135, S.1551-1556
2. Niwattisaiwong S., Burman K.D., Li-Ng M. (2017) Iodine deficiency: Clinical implications. Cleveland Clinic Journal of Medicine, Vol.84, Nr.3, S.236-243
3. Wie wirkt sich Jodmangel in der Schwangerschaft auf die kognitive Entwicklung der Kinder aus? Lancet 2013, Vol. 382, S.331-337. In: Archiv 2014, Thieme Verlag www.thieme.de; (Download 19.05.2017, 17.01 Uhr)
4. Remer T. (2007) Jodversorgung bei Kindern und Jugendlichen: Maßnahmen, Probleme und Erfolge im Wachstumsalter. Prävention und Gesundheitsförderung, Vol. 3, S.167-174
5. Rayman M.P, Bath S.C. (2015) The new emergence of iodine deficiency in the UK: consequences for child neurodevelopment. Ann Clin Biochem, Vol.52, S.705-708
6. Pearce E.N. (2017) The American Thyroid Association: Statement on Universal Salt Iodization. Thyroid, Vol. 27, No.2
7. Feldkamp J. (2016) Klug entscheiden:…in der Endokrinologie. Dtsch Arztebl, Vol.113, Nr.17
8. Iodine Global Network. The Iodine Global Network: 2016 Annual Report. IGN: Seatle, WA. 22 May, 2016. Seatle, WA. 22 May, 2016.

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