Die Studie weist erstmals länderübergreifend nach, dass sich die Entwicklung der Covid-19-Fallzahlen stark auf die Zustimmungswerte für Regierungen auswirkt. Zu Beginn der Pandemie im Februar und März 2020 stiegen die Umfragewerte für fast alle Regierungen stark an. In Ländern, in denen die Fallzahlen jedoch weiter zunahmen, sanken die Zustimmungswerte dann schnell wieder ab, insbesondere wenn die Regierungen keine strikten Gegenmaßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ergriffen haben. Drei Monate nach Ausbruch des Virus sind die Zustimmungsgewinne für Regierungen in Ländern mit geringer wachsenden Fallzahlen im Durchschnitt mehr als 10 Prozentpunkte höher als in Ländern mit stark wachsenden Covid-19-Infektionen. „Das sind sehr signifikante Unterschiede. Regierungen mit einem schlechten Pandemie-Management senken ihre Wiederwahlchancen erheblich“, sagt Christoph Trebesch, Research-Center-Leiter am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) und einer der Autoren der Studie.
Für die Studie haben Forscher eine neuartige Datenbank mit Zustimmungswerten der Regierung und Wahlabsichten in 35 Ländern auf wöchentlicher Basis zusammengetragen. Sie werten diese neue Datenressource gemeinsam mit Informationen zu Covid-19-Infektionszahlen und -Todesfällen, Indikatoren für ökonomische Aktivität und zu politischen Eindämmungsmaßnahmen aus. Zu den betrachteten Ländern zählen 20 entwickelte und 15 aufstrebende Volkswirtschaften, in denen sehr regelmäßig politische Meinungsumfragen durchgeführt werden. Insgesamt stehen die Länder für 65 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Beteiligt waren neben Trebesch vom Kieler Institut für Weltwirtschaft, Helios Herrera von der britischen Warwick University, Maximilian Konradt vom Graduate Institute Geneva und Guillermo Ordoñez von der University of Pennsylvania.
Die Forscher betrachten einerseits Länder wie Italien oder Argentinien, die schnell mit einschränkenden Maßnahmen auf den Virus-Ausbruch reagierten. Demgegenüber stehen Länder wie Brasilien, Schweden oder die Vereinigten Staaten, die sich trotz vieler Covid-19-Fälle für eine laxere Pandemiebekämpfung entschieden. Sie untersuchten für diese Länder die statistischen Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Faktoren. „Steigende Fallzahlen in Kombination mit einer laxen Krisenpolitik führen zu einem hohen Ansehensverlust von Regierungen“, sagt Guillermo Ordoñez, Professor für Volkswirtschaftslehre an der University of Pennsylvania. „Die zeitliche Dynamik ist beachtlich. Während wir zu Beginn der Pandemie praktisch überall wachsende Zustimmungsraten beobachten, geht dieser Zugewinn bei einer schwachen Pandemiepolitik und steigenden Fallzahlen schnell wieder verloren.“
Die Ergebnisse lassen aus Sicht der Forscher den Schluss zu, dass ökonomische Einschränkungen die Wähler weniger abschrecken als wachsende Gesundheitsrisiken durch eine eskalierende Pandemie. „Die Zustimmungsraten reagieren nicht stark auf Veränderungen in den Indikatoren für ökonomische Aktivität“, sagt Ordoñez. „Regierungen, die alles taten um die Gesundheitsrisiken zu reduzieren, haben profitiert, auch wenn dies auf Kosten der Wirtschaft geschah.“ Die Ergebnisse zeigten die dominante Rolle des Gesundheitsschutzes in einer Pandemie bei den Wählern, wobei die Ansteckungszahlen stärker ins Gewicht fallen als die Zahl der Todesfälle. „Regierende werden sowohl nach den Fallzahlen als auch nach ihren politischen Entscheidungen bewertet. Wer bei beidem schlecht abschneidet, hat auch die schlechtesten Zustimmungswerte. Die Geduld der Öffentlichkeit ist in einer solchen Pandemie sehr begrenzt.“
Die Ergebnisse der Studie lassen Schlüsse für bevorstehende Wahlen zu: „Fallende Infektionszahlen könnten zum Beispiel für US-Präsident Donald Trump die Chancen auf eine Wiederwahl deutlich erhöhen. Auch bevorstehende Wahlen etwa in Chile, Neuseeland, Portugal oder Bolivien dürften wesentlich von der Pandemieentwicklung beeinflusst werden“, sagt Trebesch.
Mehr Informationen finden Sie im Kiel Working Paper Corona-Politics: The cost of mismanaging pandemics
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