Bei schlechtem und zu kurzem Schlaf sollte man immer auf eine berufliche Überlastung schauen

Die Corona-Pandemie fordert uns einiges ab – auch eingefahrene Strukturen zu überdenken. In der Arbeitswelt hat sich im letzten halben Jahr schon jede Menge verändert. Dass man hier dran bleiben und langfristig noch flexibler werden muss, findet der Schlafmediziner Prof. Dr. Helmut Frohnhofen. „Benötigen wir neue Arbeitszeitmodelle und müssen wir von bisherigen Modellen wegkommen?“ Er ist in diesem Jahr einer der Organisatoren der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), die – wie so viele Kongresse derzeit – digital vom 29. bis 31. Oktober stattfindet. Das Kongressmotto lautet „Schlaf und Arbeit“.

Die DGSM ist schon seit vielen Jahren bemüht, ein Bewusstsein für die Gefährlichkeit von unzureichendem Schlaf in der Bevölkerung zu schaffen. Es gibt eine Vielzahl von spannenden Studienerhebungen innerhalb der Gesellschaft zur Rolle beruflicher Faktoren für die individuelle Schlafqualität, zu flexibleren Arbeitszeitmodellen, Anforderungen für eine zumutbare Schichtarbeit, Sekundenschlaf oder Lichtverschmutzung. „Von der Physiologie des Körpers her brauchen wir ausreichend Schlaf, sonst steigt u.a. unsere Fehlerquote und unsere Stimmung wird schlechter. Mit der zunehmenden Digitalisierung und Globalisierung steigen die Erfordernisse an uns und verlangen eine unserer Physiologie entgegenstehende Leistungsfähigkeit – nicht nur auf Arbeit“, warnt Prof. Frohnhofen. Eine klassische Risikokonstellation stelle etwa eine junge Familie mit Kindern dar, wo beide arbeiten, vielleicht noch ein Haus bauen. Da sei unzureichender Schlaf vorprogrammiert durch eine Überbelastung. „Andere Arbeitszeitmodelle, wie etwa von weniger Stunden, die sich auf unterschiedliche Tageszeiten verteilen beispielsweise, könnten hier einen enormen Druck von den Menschen nehmen“, sagt Helmut Frohnhofen.

Bei schlechtem oder zeitlich zu wenig Schlaf sollte man immer auch auf eine berufliche Überlastung schauen. Nicht selten führen Überforderung und Stress in dem Falle zu einer psychischen Überlastung wie z.B. einem Burnout. „Sehr viele Studien belegen, dass zu wenig Schlaf Hauptrisikofaktor für die Entwicklung eines Burnouts ist. Körperliche Erschöpfung und verminderte Leistungsfähigkeit – zwei eindeutige Phänomene bei Burnout – gehen also auch eindeutig auf unzureichenden Schlaf zurück“, erklärt der Schlafmediziner und Psychologe Markus B. Specht. Was kann man tun, um dem vorzubeugen? „Das Wichtigste, was jeder tun kann, ist sich die Frage zu stellen: Hole ich mir im Alltag, also täglich, genug Erholung als Gegenpart zum auftretenden Stress“, so Specht. 15 Minuten würden da fürs erste bereits ausreichen, in denen man sich einer kleinen Auszeit vom Alltag widme. Dies könne eine Entspannungsübung sein, eine Runde um den Block gehen oder eine Sporteinheit. Auf der Website der DGSM-Jahrestagung findet sich ein Beispiel für eine Atemübung.

Bei Menschen, deren Schlaf zu falschen Zeiten stattfindet, gerät die innere Uhr leicht aus dem Takt. Diese steuert, wann biochemische Vorgänge am optimalsten stattfinden sollten – sei es der Schlaf, die Wirksamkeit von Medikamenten oder die Verarbeitung von Nährstoffen. Den Einfluss von Licht und Nahrung auf die innere Uhr untersucht der Neurobiologe Prof. Dr. Henrik Oster. Licht wirkt auf Taktgeber im Gehirn, während die Nahrung Uhren in peripheren Organen wie Leber und Niere stark beeinflussen kann. „Bei Schichtarbeitern wird daraus leicht ein Problem: Sie sehen nachts Licht, was die Zentraluhr beeinflusst, und essen zudem häufig zu eher ungewöhnlichen Zeiten, was dann wiederum die Organuhren verstellt. Dadurch arbeiten die uhrengesteuerten Funktionen in den verschiedenen Organen nicht mehr optimal zusammen. Konsequenz ist u.a. eine Schieflage im Energiestoffwechsel – wir nehmen leichter zu oder entwickeln sogar ernsthafte metabolische Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes. Das Risiko dafür ist bei Schichtarbeitern um rund ein Drittel erhöht“, stellt Prof. Oster die Sachlage dar.

Anhand experimenteller Studien an Mäusen konnte seine Studiengruppe die Wirkung von Licht und Nahrung auf spezifische Gewebsrhythmen unterscheiden. Dabei zeigte sich, dass die Funktion einzelner Gewebsuhren oft gar nicht so entscheidend für den Energiestoffwechsel ist. „Die Koordination der Netzwerkrhythmik scheint die entscheidende Stellschraube zu sein. Das ist aus medizinisch-therapeutischer Sicht wiederum sehr interessant, weil es evtl. gar nicht nötig ist, zur Rhythmusstabilisierung die Zentraluhr zu erreichen. Über die Netzwerk-Kommunikation wird diese auch aus der Peripherie indirekt beeinflusst“, fasst Henrik Oster die neuen Erkenntnisse zusammen.

Im Programm der virtuellen DGSM-Jahrestagung gibt es zu den genannten und vielen weiteren Themen Vorträge, die den aktuellen Wissensstand darstellen. Zum Bereich „Schlaf und Arbeit“ sind u.a. die folgenden Symposien zu nennen:

  • Symposium 6 (Eulensymposium): „Schlaf, Fatigue und Unfallrisiko: von der Arbeitsumgebung zu biomathematischen Modellen und zurück“ (29.10.2020, 20:30–21:30)
  • Hauptsymposium: „Schlaf und Arbeit“ (30.10.2020, 08:45–10:15)
  • Symposium 12: „Zeitgeber-Schlichtung: Ein Schlüssel zu gesundem Schlaf und gesunder Arbeit“ (30.10.2020, 10:45–12:15)
  • Symposium 23: „Schlaf und Arbeit bei Familien“ (31.10.2020,08:30–10:00)
  • Symposium 25: „Auswirkungen des Arbeitens gegen die Uhr“ (31.10.2020, 10:15–11:45)

Das gesamte Programm der Jahrestagung können Sie hier einsehen.

Medienvertreter sind sehr herzlich zur virtuellen Teilnahme am gesamten Kongress eingeladen. Akkreditieren Sie sich dazu bitte über die Homepage oder den Pressekontakt. Es wird auch eine Online-Pressekonferenz angeboten, zu der Sie in Kürze noch weitere Informationen erhalten. Selbstverständlich können Sie auch individuelle Gesprächstermine mit Referenten, der Tagungsleitung oder dem DGSM-Vorstand vereinbaren. Auch dazu bitten wir, sich an den Pressekontakt zu wenden.

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