Im Norden nichts Neues

Es ist unbestritten, dass Mietspiegel jahrzehntelang als verlässliche, das Gros der Beteiligten befriedende Bezugsgröße für die ortsübliche Vergleichsmiete galten. Doch nicht erst die Corona-Krise hat gezeigt, „die Zeiten ändern sich“ und dies auch in der Zukunft. Ein Sprichwort, das sich die Landeshauptstadt bei der beauftragten Fortschreibung ihres „qualifizierten Mietspiegels“, der nach der gesetzlichen Definition in § 558d BGB alle zwei Jahre erarbeitet und nach vier Jahren zwingend neu erstellt werden muss, durchaus einmal wieder ins Gedächtnis rufen sollte.

Zu argumentieren, dass der „qualifizierte Mietspiegel“ gegenüber einem „einfachen Mietspiegel“ grundsätzlich zu erheblich größerer Rechtssicherheit im Mieterhöhungsverfahren führe, ist sicher so einiges, nur nicht gegenwartsnah. Eine Erhöhung der Beweiskraft von „qualifizierten Mietspiegeln“ ist angesichts einer oftmals mangelhaften Repräsentativität der Datensätze, unterschiedlicher Erstellungsmethoden und Verzerrungen im Erstellungsprozess, bei dem zuweilen Parameter berücksichtigt werden, denen generalisierende Annahmen zugrunde liegen, äußerst fragwürdig.

„Wenn keine klareren Definitionen der Anforderungen an eine strenge Wissenschaftlichkeit „qualifizierter Mietspiegel“ gestellt werden, sind diese genau das, was sie „einfachen Mietspiegeln“ vorwerfen zu sein: „Rotweinmietspiegel“, die die Höhe der Vergleichsmieten tatsächlich nicht widerspiegeln, im übertragenen Sinne beim Rotwein ausgehandelt und preislenkend als politisches Steuerungsinstrument eingesetzt werden“, sagt Haus & Grund-Geschäftsführer Sönke Bergemann. „Demensprechend kritisch sehen wir die Ausweitung des Betrachtungszeitraums des Kieler Mietspiegels auf sechs Jahre. Diese stört den Rechtsfrieden zwischen Mietern und Vermietern empfindlich, ist zu einer genaueren Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete doch schließlich der Zeitpunkt des Mietvertrags entscheidend und nicht etwa das Erstellungsdatum des Mietspiegels“, so Bergemann weiter.

Schwer wiegt zudem der finanzielle Aspekt: „Qualifizierte Mietspiegel“ kosten in der Regel einen mittleren sechsstelligen Betrag. Das dürfte nicht nur in Kiel, sondern in vielen Gemeinden insbesondere in Corona-Zeiten die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und damit der Vertretbarkeit stellen.

„Wir sehen in Übereinstimmung mit der bestehenden Rechtsprechung bereits in „einfachen Mietspiegeln“ ein ausreichendes Indiz für die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete. Voraussetzung ist eine frühzeitige, umfassende und gleichberechtigte Beteiligung aller Interessenvertreter und ihrer Kenntnisse des örtlichen Wohnungsmarktes. Eine solche Verfahrensweise wäre nicht nur aus Kostengesichtspunkten ein großer Schritt zu mehr regionaler Akzeptanz von Mietern und Vermietern“, fasst Bergemann zusammen.

Dessen ungeachtet steht Haus & Grund Kiel in einer besonderen Verantwortung gegenüber den eigenen Mitgliedern und der Gesellschaft insgesamt. Folglich beteiligt sich der Verein in enger Abstimmung mit der Landeshauptstadt und dem Mieterbund an der Erarbeitung des neuen „qualifizierten Mietspiegels“ 2020. Hierzu richtet Haus & Grund Kiel einen Appell an die Bürgerinnen und Bürger sowie die Vermieterinnen und Vermieter, an den notwendigen Befragungen teilzunehmen und auf diese Weise bei der Erstellung des neuen Mietspiegels mitzuwirken.

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