Die Seenotretter kamen zahleichen Fischereifahrzeugen und ihren Besatzungen zu Hilfe, waren mehrere Male für Offshore-Windparkversorger, Seeleute von Handelsschiffen oder Passagiere von Fähren und Fahrgastschiffen im Einsatz. Auch viele Wassersportler und Küstenbesucher konnten sich erneut auf die schnelle Hilfe der DGzRS-Besatzungen verlassen. Nun hat die rauere Jahreszeit begonnen, das Wetter auf See wird wieder schlechter. Erst am vergangenen Wochenende retteten die freiwilligen Seenotretter der Station Travemünde drei Menschen nach Kenterung ihres Bootes stark unterkühlt aus der 13 Grad Celsius kalten Ostsee.
Aufgrund der Coronavirus-Pandemie waren in den vergangenen Monaten weniger Schiffe auf Nord- und Ostsee unterwegs. Auch die diesjährige Wassersportsaison begann verspätet. Beides macht sich in der jüngsten Einsatzstatistik der Seenotretter bemerkbar. Vom Januar bis Oktober 2020 haben die Besatzungen der rund 60 Seenotrettungskreuzer und -boote 1.605 Einsätze gefahren, etwa 400 weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Dennoch halfen sie dabei annähernd gleich vielen Menschen (3.366, Details siehe Anhang).
Neue Formen der Öffentlichkeitsarbeit
Der von der DGzRS vor mehr als 20 Jahren ins Leben gerufene Tag der Seenotretter am letzten Juli-Sonntag, eine jährliche Großveranstaltung mit bis zu 30.000 Besuchern, war in diesem Jahr Coronavirus-bedingt nicht in gewohnter Form möglich. Allerdings war die DGzRS mit dem virtuellen Tag der Seenotretter im Internet sehr erfolgreich: Alle Rettungsstationen beteiligten sich mit Videos und virtuellen Rundgängen, die insgesamt mehr als eine halbe Million Mal angesehen wurden. „Auf diese Weise konnten unsere Crews trotzdem ihre Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit demonstrieren – und allen Unterstützern herzlich danken. Wir sind überwältigt von dem großen Zuspruch und den vielen Zuschriften unserer Förderer, die uns auch jetzt die Treue halten“, dankt DGzRS-Geschäftsführer Nicolaus Stadeler. Wie sich die Pandemie auf die Spenden insgesamt auswirkt, ist noch nicht abzusehen. Wie immer sind dafür die letzten Wochen des Jahres entscheidend.
Aus Infektionsschutzgründen sind nach wie vor bis auf Weiteres keine Besichtigungen der Rettungseinheiten und keine Besuche der Stationen zwischen Borkum und Ueckermünde möglich. Als zuständiger maritimer Such- und Rettungsdienst in den deutschen Gebieten von Nord- und Ostsee muss die DGzRS die Wahrnehmung ihrer selbst gewählten Aufgabe auch unter erschwerten Bedingungen sicherstellen und Besatzungen, Mitarbeiter sowie Spender vor Ansteckungsrisiken schützen. Die Seenotretter haben deshalb neben dem virtuellen Tag der Seenotretter einige zusätzliche digitale Formate entwickelt, um den Kontakt zu ihren zahlreichen Freunden und Förderern im ganzen Land zu halten.
Neue HAMBURG im Dienst: Besondere Taufe mit Bo(o)tschafterin
Wesentliche Unterstützung erfuhren die Seenotretter in den vergangenen Monaten durch ihre diesjährige ehrenamtliche Bo(o)tschafterin, die Moderatorin und Reporterin Anke Harnack. „Ich habe großartige Menschen kennengelernt und bei allen dieselbe Einstellung gefunden: Die Seenotretter machen nicht viele Worte über das, was sie da draußen, manchmal bei Sturm und großer Gefahr für sie selbst, leisten. Umso wichtiger ist es mir, ihnen eine Stimme zu geben, die auf diese Arbeit hinweist.“
Höhepunkt für Anke Harnack war die Taufe des jüngsten Seenotrettungskreuzers HAMBURG für die Station Borkum. Coronavirus-bedingt konnte sie nicht wie vorgesehen im April öffentlich an der Elbphilharmonie in Hamburg stattfinden, sondern musste Ende Juli in kleinem Kreis an der DGzRS-Zentrale in Bremen nachgeholt werden. „Nach 35 Jahren eine neue HAMBURG für die Seenotretter zu taufen, war mir eine große Ehre“, sagt die in Hamburg lebende Rüganerin. „Mich begeistert, dass die Seenotretter ohne jegliche staatliche Gelder auskommen. Ich bin allen Menschen dankbar, die mit ihren Spenden dazu beitragen, dass die Seenotretter auch in Zukunft genauso unabhängig rausfahren können, wenn andere reinkommen.“
Neuer ehrenamtlicher Bo(o)tschafter 2021
Das Bo(o)tschafter-Ehrenamt übergibt Anke Harnack im neuen Jahr an einen Mann, der die Dinge mit wenigen Federstrichen gekonnt auf den Punkt bringt: Wolf-Rüdiger Marunde. Der Cartoonist und Illustrator hat großen Respekt vor der Arbeit der Seenotretter. „Die DGzRS ist eine kleine, aber hochprofessionelle Organisation mit einer großen Aufgabe. Ich bin froh, dass es die Seenotretter gibt. Das ist ein richtig gutes Gefühl“, sagt der 66-Jährige, dessen Arbeiten unter anderem Woche für Woche die rund 3,5 Millionen Leser der Zeitschrift „Hörzu“ erreichen.
Die Seenotretter sind dem gebürtigen Hamburger schon immer vertraut. „Ich bin zwar kein ,Salzbuckel‘, aber ein ,Fischkopp‘: gern im und auf dem Wasser, letzteres am liebsten unter Segeln.“ Mit einem Augenzwinkern will sich der Träger des Deutschen Karikaturenpreises zeichnerisch auch mal „seinen“ Seenotrettern nähern. Wolf-Rüdiger Marunde ist bereits der 22. Prominente, der das Bo(o)tschafter-Ehrenamt der Seenotretter übernimmt. Die Reihe begann im Jahr 2000 mit Liedermacher Reinhard Mey.
Taufen und Indienststellungen
Durchschnittlich 30 Jahre sind die Rettungseinheiten der DGzRS im harten Einsatz auf Nord- und Ostsee. Rein rechnerisch ergibt sich daraus der Bedarf, jährlich durchschnittlich zwei neue in Dienst zu stellen. Nach der Wiedervereinigung 1990 standen die Seenotretter vor einer historischen Aufgabe: Es galt, die veraltete Technik in Mecklenburg-Vorpommern schnell zu modernisieren. Dies gelang innerhalb von nur vier Jahren, nicht zuletzt dank großartiger Unterstützung der treuen Förderer der Seenotretter. „Zweckgebundene Erbschaften haben uns in die Lage versetzt, für einige dieser Boote frühzeitig moderne Nachfolger zu bauen“, erläutert DGzRS-Geschäftsführer Nicolaus Stadeler.
2020 sind folgende Rettungseinheiten getauft und in Dienst gestellt worden beziehungsweise werden noch abgeliefert:
- Seenotrettungsboot ROMY FRANK/Station Puttgarden (10,1 Meter),
- Seenotrettungskreuzer HAMBURG/Station Borkum (28 Meter),
- Seenotrettungsboot EVA AHRENS-THIES/Station Ueckermünde (8,9 Meter),
- Seenotrettungsboot OTTO DIERSCH/Station Norddeich (10,1 Meter),
- Seenotrettungsboot SRB 80/Station Travemünde (10,1 Meter),
- Seenotrettungsboot SRB 82/Station Schleswig (8,9 Meter),
- Seenotrettungskreuzer SK 41/Station Grömitz (28 Meter).
2021 erhalten die Freiwilligen-Station Prerow/Wieck ein neues 8,9-Meter-Seenotrettungsboot (SRB 83) und die Seenotretter auf dem Darß einen neuen 28-Meter-Seenotrettungskreuzer (SK 42). Letzterer wird den Traditionsnamen NIS RANDERS erhalten nach dem Inbegriff des Seenotretters aus der bekannten gleichnamigen Ballade von Otto Ernst. Die DGzRS hat dazu eine besondere Spendenaktion gestartet und deshalb den Namen der neuen Rettungseinheit entgegen ihrer Tradition frühzeitig bekanntgegeben. Alle Informationen zur neuen NIS RANDERS gibt es auf der Website nis-randers.de.
Zudem rechnen die Seenotretter für das erste Quartal 2021 mit der Ablieferung ihres ersten eigenen Trainingsschiffes. Der 22 Meter lange Neubau wird ausdrücklich keine Rettungseinheit, sondern ein konventioneller Verdränger mit Stahlrumpf. Mit ihm trainieren die Besatzungen künftig dezentral auf den Stationen an Nord- und Ostseeküste. Davon werden vor allem die rund 800 Freiwilligen der DGzRS profitieren, aber auch neue Kollegen unter den 180 Festangestellten sollen mit dieser Einheit für ihre Aufgaben qualifiziert werden.
Seenotretter hoffen zum Jahresende auf Spendenbereitschaft der Bevölkerung
Zum Jahresende hoffen die Seenotretter auf die Spendenbereitschaft der Bevölkerung. In diesen Wochen wenden sie sich wieder verstärkt an die Öffentlichkeit, um über ihre Arbeit zu informieren, die Menschen im ganzen Land um Unterstützung zu bitten und neue Förderer zu gewinnen. Sie sind auf die Unterstützung der breiten Bevölkerung angewiesen.
Rund 5.000 Plakate hängen an publikumsintensiven Plätzen in rund 320 Städten und Gemeinden bundesweit. Auf großformatigen Bildern ist das Seenotretter-Motto „Ohne Deine Spende geht’s nicht“ zu lesen. Die Buchstaben vervollständigen sinnbildlich einen halben Seenotrettungskreuzer in stürmischer See. Die Flächen dafür hat die awk Außenwerbung GmbH kostenlos zur Verfügung gestellt.
Anhang: Einsatzzahlen im Detail
Vom 1. Januar bis 31. Oktober 2020 haben die Besatzungen der rund 60 Seenotrettungskreuzer und -boote in Nord- und Ostsee bei insgesamt 1.605 Einsätzen (Januar bis Oktober 2019: 1.979 Einsätze) 3.366 (3.200) Menschen Hilfe geleistet. Im Einzelnen haben sie
- 37 (73) Menschen aus Seenot gerettet,
- 309 (259) Menschen aus drohender Gefahr befreit,
- 200 (292) Mal erkrankte oder verletzte Menschen von Seeschiffen, Inseln oder Halligen zum Festland transportiert,
- 46 (51) Schiffe und Boote vor dem Totalverlust bewahrt,
- 885 (864) Hilfeleistungen für Wasserfahrzeuge aller Art erbracht sowie
- 474 (561) Einsatzanläufe und Sicherungsfahrten absolviert.
In vielen Fällen griffen die Seenotretter frühzeitig ein und begrenzten so Schäden bereits im Vorfeld. Zudem sind sie 2.303 Mal in ihren Revieren zwischen Borkum im Westen und Ueckermünde im Osten auf Kontrollfahrt gegangen.
Seit ihrer Gründung am 29. Mai 1865 hat die DGzRS bis Ende Oktober 2020 insgesamt 85.580 Menschen aus Seenot gerettet oder Gefahrensituationen auf See befreit. Das entspricht in etwa der gesamten Bevölkerung der Städte Gießen (Hessen), Villingen-Schwenningen (Baden-Württemberg), Lünen (Nordrhein-Westfalen) oder Flensburg (Schleswig-Holstein).
Die Einsatzzahlen verteilen sich auf die einzelnen Küsten wie folgt:
Niedersächsische Nordseeküste Die Besatzungen der an der niedersächsischen Küste stationierten Seenotrettungskreuzer und -boote haben bei 476 (555) Einsätzen 968 (795) Menschen geholfen. Davon wurden 3 (21) Menschen aus Seenot gerettet und 125 (68) weitere aus Gefahrensituationen befreit.
Schleswig-Holsteinische Nordseeküste Die Seenotretter der Stationen an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste waren 124 (193) Mal im Einsatz und halfen 297 (289) Menschen. Davon wurden 9 (3) Menschen aus Seenot gerettet und 19 (33) weitere aus Gefahrensituationen befreit.
Schleswig-Holsteinische Ostseeküste An der Ostseeküste Schleswig-Holsteins waren die Seenotretter 566 (731) Mal im Einsatz für 1.055 (1.106) Menschen. Sie retteten 24 (27) Menschen aus Seenot und befreiten weitere 103 (59) aus Gefahrensituationen.
Mecklenburg-Vorpommersche Ostseeküste In Mecklenburg-Vorpommern waren die Seenotretter zu 439 (500) Einsatzfahrten für 1.046 (1.010) Menschen unterwegs. Sie retteten 1 (22) Menschen aus Seenot und befreiten weitere 62 (99) aus Gefahrensituationen.
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Telefon: +49 (421) 53707-0
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