5 Leitbilder für eine bessere Wohnungs- und Städtebaupolitik

<p>Zum Jahreswechsel hat der Grundeigentümerverband Haus & Grund Schleswig-Holstein 5 Leitbilder aufgestellt, wie eine bessere Wohnungs- und Städtebaupolitik aussehen könnte. Der Vorstandsvorsitzende Alexander Blažek erklärte dazu heute in Kiel:</p> <p>„Mit diesen Leitbildern für eine bessere Wohnungs- und Städtebaupolitik kann der Immobilienmarkt der Corona-Krise trotzen.</p> <ul> <li>Nachverdichtung statt Bauland ausweisen</li> <li>Baugrundstücke kleinparzellig vergeben</li> <li>Eigentumsbildung stärken – Grunderwerbsteuer beim Ersterwerb erlassen</li> <li>Öffentlichen Raum in Innenstädten aufwerten</li> <li>Büros in Wohnungen umnutzen

<strong>1. Nachverdichtung statt Bauland ausweisen</strong></li> </ul> <p>Die Probleme des Wohnungsmarktes bestehen trotz der Corona-Krise unverändert fort. In Ballungsräumen übersteigt die Nachfrage nach Wohnraum das Angebot. Daran ändert auch Corona nichts, weil Großstädte mit ihren vielfältigen Angeboten insbesondere für junge Menschen attraktiv bleiben. <strong>Kurzfristig ist Nachverdichtung die Lösung</strong>, um Wohnraum dort zu schaffen, wo dieser besonders nachgefragt wird. Nachverdichtung kann auf vielfältige Weise erfolgen:</p> <ul> <li><strong>Baulücken schließen, Innenhöfe bebauen, Dachgeschosse ausbauen, Gebäude aufstocken</strong></li> </ul> <p>Auch in innerstädtischen Lagen gibt es noch zahlreiche Baulücken oder unbebaute bzw. mangelhaft genutzte Innenhöfe. Um diese Potenziale zu heben, müssen die Kommunen ihre „Hausaufgaben“ machen:</p> <ul> <ul> <li>Baulückenkataster erstellen</li> <li>Aktives Flächenmanagement: Eigentümer motivieren, das Flächenpotential auszuschöpfen.</li> <li>Baugenehmigungsverfahren erleichtern statt behindern: Bauämter müssen sich als Dienstleister für Bauherren verstehen und nicht als Bedenkenträger!</li> <li>Politik muss Bauämtern den Rücken stärken bei Konflikten mit Nachbarn („NIMBY“ („Not in my Backyard“ – Zielkonflikt)).</li> <li>Zweite Baureihe für Townhouses in Kleinsiedlungen mit großen Grundstücken schaffen statt Flächenversiegelung für nicht nachhaltige Einfamilienhausgebiete</li> <li>Dachgeschossausbau erleichtern: Nach wie vor erhebliche Potenziale vorhanden!</li> <li>Gebäudeaufstockung nutzen: In Schleswig-Holsteins Großstädten regelmäßig viergeschossige Wohngebäude anstreben. Das würde tausende von Wohnungen ermöglichen.</li> </ul> </ul> <p>Nachverdichtung hat zahlreiche <strong>Vorteile</strong>:</p> <ul> <li>Keine neue Infrastruktur (Straßen, Leitungen, Kindergärten, Schulen usw.) erforderlich, da vorhanden.</li> <li>Keine Flächenversiegelung</li> <li>Vorhandene Bausubstanz kann bei Dachgeschossausbau und Gebäudeaufstockung weiter genutzt werden.</li> <li>Keine Zersiedelung durch Ausweisung neuer Baugebiete</li> <li>Dem „Donut-Effekt“ auf dem Land entgegenwirken: Ortszentren werden gestärkt.</li> </ul> <p>Auch die Ballungsräume in Schleswig-Holstein bieten noch erhebliches Potenzial für Nachverdichtung. Die <strong>Einwohnerdichte</strong> in unseren Städten ist vergleichsweise <strong>niedrig</strong>:</p> <ul> <li>Kiel: 2.080 Einwohner/Quadratkilometer (km²)</li> <li>Lübeck: 1.011 Einwohner/km²</li> <li>Flensburg: 1.589 Einwohner/km²</li> <li>Neumünster: 1.120 Einwohner/km²</li> <li>Norderstedt: 1.366 Einwohner/km²</li> </ul> <p>Zum Vergleich:</p> <ul> <li>Hamburg: 2.443 Einwohner/km²</li> <li>München: 4.777 Einwohner/km²</li> <li>Berlin: 4.115 Einwohner/km²</li> <li>Kopenhagen: 7.336 Einwohner/km²</li> <li>Aarhus: 3.083 Einwohner/km²</li> <li>Barcelona: 16.141 Einwohner/km²</li> <li>Paris: 20.755 Einwohner/km²</li> </ul> <p><strong>Bauland auszuweisen, hilft nur langfristig</strong>. Die Kommunen müssten erst zu sehr hohen Kosten Bauland erwerben und Bebauungspläne erarbeiten, was aufgrund der Beteiligungsverfahren sehr zeitaufwendig ist.</p> <p><strong>2. Baugrundstücke kleinparzellig vergeben</strong></p> <p>Wenn Bauland ausgewiesen wird, müssen die Kommunen Baugrundstücke kleinparzellig vergeben. Das heißt, große Flächen für den Wohnungsbau müssen kleinteilig an Bauherren veräußert werden, die dann jeweils ein Mehrfamilienhaus auf diesem Grundstück errichten können. <strong>Das ist in der Gründerzeit erfolgt und dieses städtebauliche Konzept hat sich seit über einhundert Jahren bewährt. Die Stadtviertel aus dieser Zeit erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit.</strong> Mehrfamilienhäuser unterschiedlicher Bauherren sorgen für abwechslungsreiche und architektonisch reizvolle Bebauung. Gleichzeitig wird in der damals typischen <strong>Blockrandbebauung</strong> eine <strong>hohe Baudichte</strong> erreicht. Die Blockrandbebauung hat den Vorteil, dass zur Straßenseite <strong>attraktive Fassaden</strong> entstehen und ein abgeschlossener Innenhof mit einer <strong>Privatsphäre</strong> für die Bewohner geschaffen wird. So bleiben die Wohnungen in diesen Häusern auch für junge Familien interessant, weil die Kinder in diesen Innenhöfen abgeschirmt und damit sicher spielen können. Vorbildliches <strong>Beispiel</strong> ist dafür <strong>Aarhus</strong> in Dänemark.</p> <p>Heutzutage vergeben die Kommunen stattdessen größere Baugrundstücke oftmals an einen Investor, weil das einfach und schnell geht. Das führt regelmäßig zu einer eintönigen, da ausschließlich <strong>renditeorientierten</strong> „<strong>Klötzchenarchitektur</strong>“. Dieser Bauweise fehlen typischerweise regionale Bezüge; sie ist bundesweit austauschbar und führt zu einer <strong>Anonymisierung von Wohnsiedlungen</strong>.</p> <p><strong>3. Eigentumsbildung stärken – Grunderwerbsteuer beim Ersterwerb erlassen</strong></p> <p>Die <strong>Eigentumsquote</strong> in Deutschland ist europaweit mit rund <strong>40 Prozent</strong> vergleichsweise niedrig und auch in <strong>Schleswig-Holstein</strong> mit etwas über <strong>50 Prozent</strong> nicht viel höher. Dabei ist das <strong>Eigenheim</strong> nach wie vor ein wesentlicher <strong>Baustein für die Altersvorsorge</strong> und die <strong>Vermögensbildung</strong>. Schleswig-Holstein ist mit einer Grunderwerbsteuer in Höhe von 6,5 Prozent nach wie vor Spitzenreiter. Damit wird der Eigentumserwerb für junge Familien unzumutbar verteuert. Bei einem Kaufpreis in Höhe von 350.000 € für ein Eigenheim werden allein für die Grunderwerbsteuer 22.750 € fällig.</p> <p>Daher fordern wir die Jamaika-Koalition auf, beim Ersterwerb einer Wohnimmobilie durch eine Familie auf die Grunderwerbsteuer zu verzichten.</p> <p><strong>4. Öffentlichen Raum in Innenstädten aufwerten</strong></p> <p>Die leeren Innenstädte waren schon vor dem aktuellen Lockdown ein Problem. Die Corona-Pandemie verstärkt diese Krise wie ein Brennglas. Darum müssen die Kommunen jetzt handeln und massiv in die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raumes investieren. Dann wird dieser für die Menschen wieder attraktiv – im wahrsten Sinne des Wortes. Das löst Investitionen der umliegenden Immobilieneigentümer aus. Der „Kleine Kiel Kanal“ ist dafür ein sehr gutes Beispiel für eine Einzelmaßnahme; Ein Vorbild für attraktive Innenstädte liefern auch hier unsere dänischen Nachbarn mit Aarhus. Wie wichtig der öffentliche Raum ist, hat die Bundesstiftung Baukultur im aktuellen Baukulturbericht eindrucksvoll dargestellt.</p> <p><strong>5. Büros in Wohnungen umnutzen</strong></p> <p>Büros werden auch künftig leer stehen, weil die Menschen corona-bedingt im Homeoffice arbeiten. Das bietet für Innenstädte und Ortszentren neue Chancen. Leerstehende Büros sollten künftig als Wohnraum genutzt werden. Das hat mehrere Vorteile. In Ballungsräumen entsteht Wohnraum dort, wo dieser besonders nachgefragt wird: Im Zentrum. Das ist zum einen nachhaltig, weil kein Neubau stattfinden muss. Des Weiteren bringt Wohnen Leben in die verödeten Innenstädte, wo schon vor Corona nach Feierabend „tote Hose“ war. Wohnbevölkerung zieht Lebensmittel-Einzelhandel und Gastronomie nach sich. <strong>Leben in der Stadt bringt Leben in die Stadt!</strong> In kleineren Orten können in zentralen Lagen Wohnungen für ältere Menschen geschaffen werden, weil hier die Infrastruktur besser ist. Wenn diese Bevölkerungsgruppe Einfamilienhäuser leerzieht, entstehen weitere Möglichkeiten für junge Familien, sich den Traum der eigenen vier Wände zu verwirklichen. Dafür müssen dann keine Einfamilienhaussiedlungen am Rand dieser Gemeinden entstehen, die den „Donut-Effekt“ verstärkten.</p> <p><strong>Alles in allem bleibt Betongold der sichere Hafen. Das lässt sich schon jetzt resümieren. Die Corona-Pandemie bietet die Chance, die Wohnungs- und Städtebaupolitik neu zu denken und zu besseren Ergebnissen zu kommen</strong>.“</p>

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