„Dir Krise ist ein produktiver Zustand, man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen“, heißt es bei Max Frisch bereits 1957 in „homo faber“. Aber wenn sie da ist, die Krise, dann verdrängt oft genug Panik die Produktivität. Schon der Begriff „Krise“ löst eine Gänsehaut aus, er beschreibt etwas Unangenehmes, Aufgezwungenes, das uns alle treffen und bleibenden Schaden verursachen kann. Dabei können die Ursachen mannigfaltig sein, sie reichen von Umstrukturierungen und Standortschließungen über Cyber-Angriffe bis hin zu spektakulären Explosionen.
Die Corona-Pandemie, die uns alle täglich vor neue Herausforderungen stellt, zeigt deutlich: Krisen zu verhindern ist unmöglich! Aber ein Unternehmen** jeder Größe kann sich so auf Krisen vorbereiten, dass der Schaden begrenzt ist, dass vielleicht sogar am Ende etwas Positives steht und damit die von Frisch beschworene Produktivität mit neuer Kraft zurückkommt.
Eine sehr effiziente Möglichkeit für diese Prophylaxe sind speziell auf das Unternehmen zugeschnittene Krisensimulationen, deren Vorbereitung, Realisierung und Nachbereitung im Mittelpunkt dieses Beitrags stehen.
Im Wesentlichen ist zwischen zwei Varianten zu differenzieren, die sich insbesondere in der Realisierung und in der Nachbereitung unterscheiden. Die Hörsaal-Simulation findet mit allen Beteiligten im Rahmen eines gemeinsamen Workshops statt, die Real-Life-Simulation wird dagegen im Unternehmen selbst veranstaltet, d.h. alle Teilnehmer*innen werden im Laufe eines Arbeitstages von der „Krise“ ebenso überrascht wie es in der Realität der Fall wäre. Die Unterschiede beider Varianten sowie die jeweiligen Vor- und Nachteile werden im Folgenden noch detailliert dargestellt.
2. Ziele
Folgende Ziele werden mit der Krisensimulation verfolgt:
- Sensibilisierung von Führungskräften und Arbeitsebene für Belange der Krisenkommunikation.
- Testen der Organisation auf „Krisenfestigkeit“, Ermittlung etwaiger Defizite in puncto Kommunikation und Stabsarbeit.
- Notwendigkeit des Aufbaus und der Pflege von politischen, gesellschaftlichen und Medien-Netzwerken vor der Krise verdeutlichen.
3. Analyse des Unternehmens und seiner Krisenpotenziale
Den Anfang bildet bei beiden Varianten ein ausführliches Briefing des Unternehmens durch eine oder einen „Verbündete/-n“. Diese Verbündeten bringen den Regisseuren der Simulation das Unternehmen nahe (Ziele, Werte, Belegschaft, Daten und Fakten, etc.) und analysieren mit ihnen gemeinsam dessen Risiken im Hinblick auf Krisen. Sie sind also in die Simulation eingeweiht und können daher auch nicht daran teilnehmen. Am Ende dieses Briefings stehen Ideen für das Szenario der Simulation.
4. Erarbeitung des Szenarios sowie der Regiepläne
Jetzt beginnt die Arbeit der Regisseure: Sie entwickeln ein Krisenszenario und stimmen es mit den Verbündeten im Unternehmen ab. Anschließend erarbeiten sie Regiepläne, d.h. sie legen fest, welche Bereiche des Unternehmens „mitspielen“, wie sie in die Rahmenhandlung eingebunden werden, welche Situationsänderungen im Verlaufe der Situation eingespielt werden. Schließlich steht das fertige Konzept einer Simulation mit Lösungsvorschlägen für die jeweiligen Abschnitte.
5. Realisierung der Krisensimulation
5.1 Die Hörsaal-Variante
Die Realisierung der Hörsaal-Variante findet in einem gut ausgestatteten Seminarraum statt, zudem stehen einige Gruppenräume zur Verfügung. Je nach Art des Unternehmens und des Szenarios treffen hier die relevanten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens zusammen. Bei einem KMU sollte unbedingt die erste Führungsebene eingebunden sein, darüber hinaus sind die Kommunikationsverantwortlichen – egal ob haupt- oder nebenamtlich – sowie etwaige Jurist*Innen und Sicherheitspersonal mit von der Partie. Der Rest ergibt sich aus der Aufgabenstellung. Insgesamt sollte die Anzahl der Teilnehmer auf gar keinen Fall höher als 15 sein, 12 sind optimal.
Schritt für Schritt führen die Regisseure im Plenum des Workshops durch das Szenario, die Teilnehmer*Innen lösen dabei in Gruppen die sich durch die Einspielungen ergebenen Probleme. Das können Entscheidungen ebenso sein wie die Formulierung von Wordings, Pressemitteilungen und/oder Positionspapieren, die Vorbereitung von Veranstaltungen wie Belegschaftsversammlungen oder Pressekonferenzen und Interviews, etc. Anschließend stellen die Arbeitsgruppen ihre Ergebnisse im Plenum vor und diskutieren sie. Einzelne Teile der Simulation, wie z.B. Pressekonferenzen oder Interviews können auch im Seminarraum live „gespielt“, aufgezeichnet und anschließend analysiert werden.
Zum Abschluss nehmen die Teilnehmer*innen ein komplettes Simulationspaket mit dem Szenario, den Einspielungen und den Lösungsvorschlägen mit.
5.2 Die Real-Life-Variante
Bei dieser Variante, die in der Zentrale des Unternehmens veranstaltet wird, ist den Teilnehmer*innen im Vorfeld nichts von der Simulation bekannt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass dies nicht immer 100%ig durchzuhalten ist und dass einige „Schlüsselspieler“ im Vorfeld von der anstehenden Simulation wissen sollten – aber keine Details.Die Regisseure, die Verbündeten und evtl. notwendiges Unterstützungspersonal haben sich in einem „geheimen“ Konferenzraum im Unternehmen eingerichtet und steuern von dort aus die Simulation.
Der Startschuss für die Krise fällt z.B. durch einen Anruf bei der Geschäftsführung, ein plötzlich auftauchendes Schriftstück, eine Medienveröffentlichung o.Ä. Alle Teilnehmer*innen sind an ihren angestammten Arbeitsplätzen tätig und werden dort von der Krise genauso überrascht wie es auch realiter geschehen wäre. Aus dem geheimen Konferenzraum werden jetzt die unterschiedlichen Situationsentwicklungen in das Unternehmen eingespielt. Die Verbündeten haben im Wesentlichen die Aufgabe, gemeinsam mit den Regisseuren die Reaktionen der Verantwortlichen auf diese unterschiedlichen Lageänderungen zu beobachten und festzuhalten. Alles geschieht live: die Anfragen der Journalisten per Telefon, die Anrufe besorgter Bürger*innen und Mitarbeiter*innen, das Kamera-Team am Werkstor, etc.
Am Ende steht das Erlebnis eines Tages mit einer Fülle neuer Erfahrungen und Erkenntnisse.
6. Das Feedback
Bei der Hörsaal-Variante findet Feedback quasi nach jedem Schritt mit der Besprechung der Gruppenarbeits-Ergebnisse und der Lösungsvorschläge statt. Dieser Schritt ist bei der Real-Life-Variante deutlich komplexer. Hier hat sich ein erstes Feedback unmittelbar nach der Simulation mit allen Beteiligten bewährt, weil die Eindrücke auf allen Seiten noch sehr frisch sind. Dabei schildern die Teilnehmer*innen ihre Wahrnehmungen und Bewertungen ebenso wie die Verbündeten und die Regisseure.
Hier ergibt sich in der Regel ein sehr konkretes Bild der Stärken und Schwächen des Unternehmens im Hinblick auf die Bewältigung von Krisen. Eine Diskussion dieses Feedback mit Unternehmensvertretern und Regisseuren einige Zeit nach der Simulation bietet sich an, weil sich bis dahin die jeweiligen Wahrnehmungen „gesetzt“ haben.
7. Die Konsequenzen
In der Regel ergeben sich aus dem gemeinsamen Feedback Konsequenzen, die vielfältig sein können: organisatorische Änderungen, die Notwendigkeit digitaler Krisen-Handbücher und -Pläne, Stellenbeschreibungen für den Krisenfall oder Schulungsbedarf für Mitarbeiter*innen, um nur einige zu nennen. Die Verantwortung für die Umsetzung dieser Konsequenzen liegt selbstverständlich bei der Unternehmensleitung. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass die Umsetzung gemeinsam mit den Regisseuren der Simulation zu besonders guten Resultaten führt, weil sie Knowhow aus einer Vielzahl ähnlich gelagerter Projekte mitbringen.
8. Vor- und Nachteile der Varianten
Auch wenn die Vorteile der einen im Wesentlichen die Nachteile der anderen Variante sind, soll hier doch intensiv darauf eingegangen werden, da dieser Punkt entscheidend ist für den Erfolg der Simulation.
8.1 Die Hörsaal-Variante
Vorteile: Bei dieser Variante handelt es sich um ein kompaktes Training von Führungskräften in klassischer Form. Es sind lediglich ein gut ausgestatteter Seminarraum sowie einige Gruppenräume erforderlich, wo 12 bis 15 Teilnehmer*innen weitergebildet werden können. Die organisatorische Vorbereitung ist unproblematisch, da zusätzlich lediglich ein Kameramann bzw. eine Kamerafrau benötigt werden.
Nachteile: Es handelt sich um eine künstliche Situation, alle Teilnehmer*innen wissen, worum es geht, jegliches Adrenalin fehlt. Zudem werden organisatorische Defizite des Unternehmens im Hinblick auf Krisenbewältigung nicht offenbar. Konsequenzen können alle Beteiligten für sich selbst und ihr Handeln ziehen, aber nicht oder nur sehr bedingt für ihr Unternehmen. Schließlich fehlt komplett dieser Eindruck der Unmittelbarkeit, wenn z.B. ein aufgebrachter Journalist mit erhobener Stimme Informationen einfordert oder ein Geschäftsführer spontan einem vor dem Werkstor stehenden Kamerateam Rede und Antwort stehen muss.
8.2 Die Real-Life-Variante
Vorteile: Bei dieser Variante stehen die persönlichen Eindrücke aller Beteiligten im Vordergrund. In aller Unmittelbarkeit erleben sie, wie ihr Unternehmen von einer Minute zur anderen in den Krisenmodus wechseln muss, um dem Druck und den ständig wechselnden Anforderungen gerecht zu werden und Schaden abzuwenden. Das ist Adrenalin pur! Nicht nur die Führungskräfte, sondern auch die Arbeitsebene ist eingebunden und erlebt die Krisensituation. Im Nachhinein ergibt sich meist ein klares Bild, in welchen Bereichen Verbesserungsbedarf besteht, um derartige Krisen optimal managen zu können.
Nachteile: Die Vorbereitung für die Real-Life-Variante ist deutlich anspruchsvoller als für die Workshop-Variante. So wird ein Raum mit Infrastruktur für die Regisseure gebraucht, es muss eine zentrale Telefonnummer geschaltet werden, die in diesem Raum aufläuft, um die Rückrufe annehmen und auswerten zu können. Außerdem sind mehrere „Schauspieler“ und in der Regel ein Kameramann oder eine Kamerafrau vonnöten, die die Einspielungen glaubwürdig inszenieren können. Darüber hinaus werden je nach Unternehmen und Szenario Beobachter gebraucht, deren Eindrücke das Feedback abrunden können.
9. Fazit
Um einen ersten Eindruck von Krisenbewältigung und Krisensimulationen zu bekommen, ist sicherlich die Hörsaal-Variante geeignet, weil sie Schritt für Schritt vorgeht. Wenn es dann aber um konkrete Erfahrungen aus dem eigenen Unternehmen geht und um potenzielle Konsequenzen für die Organisation, bietet sich die Real-Life-Variante an.
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* Ekkehard Seegers blickt auf mehr als 30 Jahre Public Relations-Erfahrung in der chemischen Industrie zurück, wo Krisenkommunikation immer eine wichtige Rolle spielte. Heute ist er als freier Trainer, Berater und Lehrbeauftragter tätig, er entwickelt und realisiert Krisensimulationen, insbesondere für KMU.
** Der Begriff „Unternehmen“ wird in diesem Beitrag synonym verwendet für alle Institutionen, die von einer Krise betroffen sein können: Wirtschafts- und Industriebetriebe, öffentliche Einrichtungen aller Art, Verbände, Vereine, Hilfsorganisationen, soziale Institutionen, etc.
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