Kein gutes Haar ließ er an der dauerexpansiven Geldpolitik der Europäi-schen Zentralbank (EZB). „Was das Zinsniveau anbelangt, leben Banken und Sparer schon seit Jahren in der Welt des Schmerzes. Und diese Welt des Schmerzes wird noch lange anhalten. Die Hoffnung auf eine Zinserhöhung ist spätestens mit der Corona-Krise utopisch geworden. Die Zinsen werden deshalb auf unabsehbare Zeit niedrig bleiben.“
Vor kurzem habe EZB-Chefvolkswirt Lane klargemacht, dass die Leitzinsen im Euroraum noch nicht die Untergrenze erreicht hätten und es noch Raum für weitere Kürzungen gebe. Für die Kreditwirtschaft sei das eine schlechte Nachricht. Denn der EZB-Negativzins belaste sie schon heute immens. Problematisch seien vor allem die diversen Anleihekaufprogramme der EZB, die gerade einlagenstarken Instituten immer weniger sichere und zugleich rentable Anlagemöglichkeiten übriglasse.
Die EZB-Politik der offenen Schleusen wirke sich nicht nur auf die Kredit-wirtschaft negativ aus. Zwar sei von einer Verbraucherpreisinflation wegen der coronabedingten Zurückhaltung bei Konsum und Investi-tionen noch wenig zu sehen. Das bedeute allerdings nicht, dass es überhaupt keine Inflation gebe: „Auch für monetäre Liquidität gilt die alte Weisheit: ‚Wasser sucht sich seinen Weg.‘ Wir erleben, dass viel über-schüssiges Geld in Vermögenswerte wie Immobilien, Aktien, Edelmetalle, Alkoholraritäten, alte und neue Meister und sonstige Preziosen strömt. Dort gehen die Preise längst durch die Decke“, beklagte Grandke.
Liquiditätsschwemme hat negative Verteilungswirkung
Die ultraexpansive Geldpolitik der Notenbanken richte langfristig in der Verteilungswirkung gravierende gesellschaftliche Verwerfungen an. Nutznießer der Vermögenspreisinflation seien die Reichen und Vermögenden, die von den jährlichen Wertsteigerungen profitierten. „Wer schon hat, bekommt noch mehr. Die anderen schauen in die Röhre und können sich in manchen Regionen nicht einmal mehr eine Eigen-tumswohnung leisten. Das ist eine Entwicklung, die ich mit Sorge sehe. Es mehren sich die Anzeichen, dass die Geldpolitik die Akzeptanz in der Bevölkerung verliert. Laut einer EZB-Umfrage haben mehr als die Hälfte der Befragten Kritik an den niedrigen Zinsen geäußert – im Euroraum wohlgemerkt, nicht nur in Deutschland“, stellte Grandke klar.
Verschärfte Regulierung wirkt in Krise teilweise prozyklisch
Die Corona-Pandemie habe außerdem die Tücken einer verschärften Regulatorik offengelegt. „Es ist jetzt genau das passiert, wovor wir seit langem warnen. In einer Krise wirken bestimmte regulatorische Elemente prozyklisch und damit als Brandbeschleuniger. Wenn notleidende Risikopositionen tatsächlich wie geplant schneller von den kreditwirt-schaftlichen Eigenmitteln abgezogen werden müssen, schränkt das die Möglichkeiten der Institute zur Kreditvergabe ein und erschwert diese. Wir brauchen hier mehr Flexibilität. Der Hessische Finanzminister hat einen Schwellenwert vorgeschlagen, bis zu dem Institute notleidende Kredite halten dürfen. Das ist ein praktikabler Weg. Denn so können die Sparkassen wirtschaftlich sinnvolle, mittelfristige Sanierungen begleiten und ihren Kunden zur Seite stehen“, hob Grandke hervor.
Meldewesen á la Petersburger Hängung: möglichst viel und dicht
Es sei zu begrüßen, dass die EU-Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden der europäischen Kreditwirtschaft wegen der Corona-Pandemie zahlreiche Erleichterungen im aufsichtsrechtlichen Rahmenwerk und vor allem auch in der Verwaltungspraxis bewilligt hätten. Wenig Erleichterung sei allerdings in dem Bereich zu spüren, der besonders die kleineren Institute plage: dem Meldewesen. „Hier scheint weiter das Ordnungs-prinzip der Petersburger Hängung zu gelten: möglichst viel und dicht! Es kommen immer wieder neue Meldeanforderungen und administrative Belastungen hinzu, zuletzt das Covid-19-Meldewesen oder die Bundes-bank-Verordnung für das Meldewesen für Wohnimmobilienfinan-zierungen, durch die ein riesiges Datenmonster entsteht. Warum man ausgerechnet in einer Zeit, in der die Krisenbewältigung absolute Priorität haben sollte, die Kreditwirtschaft mit neuer Bürokratie belasten muss, ist mir ein Rätsel“, gab Grandke zu bedenken.
Mit dem Bankenpaket habe die Europäische Bankenaufsicht EBA den Auftrag erhalten, den Meldeaufwand vor allem für kleine und nicht komplexe Institute um 10 bis 20% zu senken. „Die EBA nimmt diesen Auftrag auch ernst. Sie hat als ersten Schritt eine Kostenstudie zum Meldeaufwand initiiert, an der auch Sparkassen teilgenommen haben. Welche Schlussfolgerungen die EBA daraus ziehen wird, bleibt abzuwarten. Aus unserer Sicht hilft letztendlich nur eines: Der Meldeaufwand muss deutlich reduziert werden“, forderte Grandke.
Corona treibt Digitalisierung – auch bei den Sparkassen
Corona habe auch bei den Sparkassen einen Digitalisierungsschub bewirkt. Das gelte für den Zahlungsverkehr, das Online-Banking, aber auch für die Filialnutzung und die Beratung. „Viele Kunden haben gemerkt, dass sie auch jenseits der Filiale schnell und komfortabel Kontakt zu ihrer Sparkasse aufnehmen können. Sie haben erlebt, dass auch per Telefon, Video oder Chat eine persönliche Beratung möglich ist. Diese Erfahrung wird nicht ohne Folgen bleiben. Dieses Rad wird nach der Pandemie nicht mehr völlig zurückgedreht werden“, gab sich Grandke überzeugt.
Filiale bleibt Anker der Multikanalstrategie
Diese Entwicklung bedeute aber nicht das Aus für die klassische Filiale. „Unsere Kunden möchten die Filialen behalten, auch wenn sie sie immer seltener nutzen. Außerdem ist die Filiale der Anker unserer Multikanal-strategie. Sie grenzt uns von den Online- und Neobanken ab und symbolisiert unsere regionale Verwurzelung: Sie zeigt, dass wir für unsere Kunden vor Ort da sind – gerade auch in einer Großkrise, wie wir sie derzeit erleben“, hob Grandke hervor.
Sparkassen als Prototyp nachhaltiger Unternehmen
Auch der Trend zur Nachhaltigkeit beschäftige die Institute immer stärker: „Das war für uns schon immer ein Thema. Schließlich stellen Sparkassen mit ihrem öffentlichen und auf die Region bezogenen Auftrag traditionell den Prototyp nachhaltiger Unternehmen dar. Inzwischen hat das Thema aber nicht zuletzt durch den stärkeren Fokus auf den ökologischen Aspekt noch einmal deutlich an Breite und Tiefe gewonnen. Wir gehen das Thema Nachhaltigkeit daher noch aktiver an.“
So hätten sich der DSGV und die Regionalverbände mit dem strate-gischen Zielbild 2025 zur Nachhaltigkeit in Sparkassen auf ein gemein-sames Grundverständnis geeinigt. Es gehe von Sparkassen aus, die in ihrem eigenen Geschäftsbetrieb mit den natürlichen Ressourcen sorgsam umgingen und das auch in ihrem Kreditgeschäft und bei ihrer Vermögensanlage berücksichtigten. Die Sparkassen-Finanzgruppe Hessen-Thüringen habe dieses Ziel in ihrer Verbundstrategie weiter konkretisiert. Im Verbandsgebiet des SGVHT hätten bereits mehr als die Hälfte der Institute die Selbstverpflichtung auf die Ziele des Pariser Klimaabkommens unterschrieben. „Sie verpflichten sich, weniger CO2 auszustoßen und nachhaltiger zu wirtschaften und auch ihre Kundschaft bei diesem Ziel zu unterstützen. Die Häuser, die bislang noch nicht gezeichnet haben, möchten erst eine Bestandsaufnahme machen. Sie gehen von einem späteren Zeichnungstermin aus. Das zeigt, dass die Sparkassen die Selbstverpflichtung und die damit verbundenen Ziele sehr ernst nehmen“, erklärte Grandke.
Auch auf der Produktseite seien die Mitgliedsinstitute des SGVHT gerüstet. Ihr Neugeschäftsvolumen bei den nachhaltigen Förderfinan-zierungen habe sich im Vergleich zu 2019 auf knapp 600 Mio. € fast verdoppelt. Im Anlagebereich könnten die Institute auf immer mehr nachhaltige Produkte von Verbundpartnern zurückgreifen und ihrer Kundschaft anbieten. In der Anlageberatung fragten bereits heute etliche Sparkassen regelmäßig bei ihren Kunden aktiv nach, ob Interesse an nachhaltigen Wertpapieren bestehe. Obwohl die regulatorische Pflicht zu einer solchen Abfrage wahrscheinlich erst 2022 in Kraft trete, werde das ab dem 1. Mai 2021 von allen Sparkassen praktiziert. Damit nehme die Sparkassenorganisation eine Vorreiterfunktion ein.
Grandke wandte sich gegen die Kritik, dass die Sparkassen das Thema Nachhaltigkeit nicht schnell und intensiv genug umsetzen würden. „Mich stört, dass sich diese Kritik oft an einem idealisierten Zielbild ausrichtet, das der realwirtschaftlichen Verantwortung der Sparkassen nicht gerecht wird. Wir möchten in der Region für alle da sein. Deshalb handeln wir nicht nach der Devise: „Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, alle unsere Kunden bei der Transformation und bei ihrem Weg in Richtung Nachhaltigkeit zu begleiten und zu unterstützen“, betonte Grandke.
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