Herr Dr. Kleine, mehr als zwei Jahrzehnte leiteten Sie die Geschicke des Kindermissionswerks. Was hat Sie bei Ihrer Arbeit besonders motiviert?
Dr. Kleine: Es war für mich eine insgesamt sehr motivierende, aber auch herausfordernde Arbeit. Ich habe sie aber genossen, weil sie mit der Sternsingeraktion eine geniale Idee beinhaltet, weil sie gestützt wird von vielen, vielen Kindern und Erwachsenen in Deutschland, und weil der verlängerte Arm dieses Hilfswerks in der Welt Menschen sind, die teilweise unter Einsatz ihres Lebens eine großartige Arbeit für unzählige Kinder und Jugendliche leisten. In einem solchem Zentrum zu sein, ist ein Geschenk gewesen. Ich habe das nie vergessen und schaue sehr glücklich auf diese Zeit zurück.
Sie haben in Ihrer Zeit beim Kindermissionswerk selbst viele Projekte in der ganzen Welt besucht. Wie hat Sie das geprägt?
Dr. Kleine: Einer meiner ersten Projektbesuche ging nach Nepal. In der Hauptstadt Kathmandu unterstützten wir ein Zentrum, das sich insbesondere um Mädchen kümmerte, die zur Prostitution gezwungen worden waren. Ich besuchte das Zentrum an einem Vormittag und erlebte, dass diese Mädchen aus dieser schlimmen Situation zwar befreit, jedoch so schwer traumatisiert waren, dass sie teilweise nicht mehr in der Lage waren, zu sprechen. Es war sehr bedrückend. Am Nachmittag habe ich dann noch ein Kinderhospiz besuchen können. In dem Hospiz waren Kinder und Jugendliche untergebracht, die fast alle Tuberkulose, viele auch Aids und andere schwere Krankheiten hatten. Schwester Deepa, die Leiterin der Einrichtung, hatte überall Fotos von verstorbenen Kindern aufgehangen. Alles war behelfsmäßig eingerichtet, es fehlte fast an allem. Mit Hilfe von Spenden konnten wir ein neues, gut ausgestattetes Hospiz bauen. Diese Einrichtung unterstützen wir noch heute. Überhaupt helfen zu können, hilft einem selber auch, das Erlebte verarbeiten zu können.
Wie hat Ihr Engagement beim Kindermissionswerk vor 21 Jahren überhaupt begonnen?
Dr. Kleine: Ich war den Sternsingern schon seit meiner Jugend verbunden und habe die Anfänge der Aktion im Rheinland miterleben können. Der entscheidende Kontakt kam schließlich über den damaligen Präsidenten des Kindermissionswerks, Prälat Poll, zustande. Ich war begeistert, in diesem Hilfswerk mitarbeiten zu können und mitzuhelfen, die Welt ein Stück warmherziger und heller zu machen. Als Spendenwerk sind wir natürlich auf die Großzügigkeit vieler in Deutschland angewiesen. In den letzten zwanzig Jahren durfte ich erleben, dass sich die Einnahmen des Werks fast verdoppelt haben und damit die Hilfe in der Welt auch. Wir konnten insgesamt in dieser Zeit über eine Milliarde Euro verwenden und somit viel Hilfe leisten. Rückblickend muss ich sagen: Ich bin außerordentlich dankbar, diese Möglichkeit gehabt zu haben. Dabei sind mir auch viele Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten durfte, denen ich während meiner Arbeit begegnen konnte, die ich in ihrer Empathie für das Gute erleben durfte, sehr ans Herz gewachsen.
Das Kindermissionswerk feiert in diesem Jahr sein 175-jähriges Jubiläum. Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Hilfswerks?
Dr. Kleine: Wir feiern nicht uns, sondern das Engagement, das jetzt 175 Jahre alt geworden ist. Die Idee des damaligen Präsidenten, Pater Koppelberg, 1959 die Sternsingeraktion zur Hilfe in der Welt zu nutzen, ist ein Meilenstein auf diesem Weg des Ausbaus der 175 Jahre alten Idee „Kinder helfen Kindern“. Ein solcher Geburtstag ruft dazu auf, dass wir das Kindermissionswerk erhalten und weiter wachsen lassen, damit diese tolle Idee auch weiterhin Gutes in der Welt bewirkt.
Infokasten:
Seit Februar 2000 war Dr. Gotthard Kleine für die geschäftlichen Vorgänge des Kindermissionswerks auf Vorstandsebene verantwortlich. Vor seiner Tätigkeit im Kindermissionswerk leitete er den Forschungsbereich Industrial Engineering und Arbeitsgestaltung an der Universität Bremen und lehrte im Fachbereich Produktionstechnik zu den Themen Arbeitsorganisation und betriebliche Qualifizierungen. Zuvor war Dr. Kleine in Düsseldorf als Unternehmensberater mit dem Schwerpunkt Personal- und Organisationsentwicklung tätig. Als Geschäftsführer der Organisations- und Entwicklungsstelle des Bundesministers für Bildung- und Wissenschaft in Leipzig dozierte er zudem an verschiedenen Einrichtungen. Sein Studium der Physik und später auch der katholischen Theologie absolvierte Dr. Kleine an der RWTH Aachen. 1990 promovierte er zu den Themen Betriebs- und Arbeitsorganisation.
Am 1. April 2021 tritt Anne Wunden als neue Geschäftsführerin des Kindermissionswerks die Nachfolge von Dr. Kleine an. Frau Wunden wird ebenfalls auch Mitglied des Vorstands im Hilfswerk der Sternsinger.
Mehr als 1.600 Projekte für Not leidende Kinder weltweit werden jährlich vom Kindermissionswerk ‚Die Sternsinger unterstützt. Einnahmen in Höhe von insgesamt rund 79 Millionen Euro standen dem Hilfswerk der Sternsinger 2019 für seine Arbeit zur Verfügung. Gefördert wurden Projekte in 108 Ländern. Neben der Förderung der Kinder-Hilfsprojekte zählen der Einsatz für die Rechte von Kindern weltweit sowie die Bildungsarbeit zu den Aufgaben des Hilfswerks.
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