Wir haben inzwischen verlässliche Zahlen vorliegen, die uns zeigen, wie dramatisch der Rückgang des Patientenaufkommens während des ersten Lockdowns war. Eine Untersuchung aus Hessen zeigte, dass im März und April des vergangenen Jahres 40 % weniger Patienten mit akutem Koro-narsyndrom in den Notaufnahmen und Kliniken vorstellig wurden (1). Es ist ausgeschlossen, dass die Rate dieser Erkrankungen tatsächlich so weit sank. Es wurden in Hessen während des ersten Lockdowns um 35 % weniger Kathetereingriffe am Herzen durchgeführt. Im selben Zeitraum stieg die kardiale Sterblichkeit um nahezu 11,8 % an. Auch bei anderen Herzerkrankungen gab es diesen Trend, wie eine im März erschienene Übersichtsarbeit zeigt: Die Zahl der Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz sank um 37 %, die der Aufnahmen wegen Herzrhythmusstörungen um 38 % und die wegen Erkrankungen der Herzklappen um 39 %. (2)
Diese Entwicklungen sind mehr als besorgniserregend, denn Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind noch immer – weit vor COVID-19 – Todesursache Nummer eins in Deutschland. Wie lebensbedroh-lich viele Herzerkrankungen sind, darf auch vor dem Hintergrund der Pandemie nicht vergessen werden.
Wir möchten daher alle Patientinnen und Patienten mit akuten Herzproblemen dringend bitten: Kommen Sie in die Notaufnahmen, rufen Sie den Rettungsdienst, suchen Sie Ihren Arzt auf. Alle Notaufnahmen führen inzwischen Schnelltests durch und haben getrennte Bereiche für mit Corona infizierte und nicht-infizierte Personen eingerichtet. Auch das Personal in den Krankenhäusern wird stetig getestet, so dass das Ansteckungsrisiko im Krankenhaus minimal ist.
Dass kranke Herzen nicht warten können, möchte ich auch noch einmal am Beispiel der sogenann-ten elektiven Eingriffe verdeutlichen. Es darf nicht das Missverständnis entstehen, dass „elektiv“ hier mit „unwichtig“ gleichgesetzt werden kann. In der Kardiologie bedeutet es nur, dass diese Eingriffe verschiebbar sind, weil für den Patienten keine akute Lebensgefahr besteht. Das kann sich aber durchaus ändern, wenn der Eingriff zu lange aufgeschoben wird. Die hochgradige Aortenklappens-tenose ist beispielsweise eine Erkrankung, bei der unbehandelte Patienten eine sehr ungünstige Prognose haben und mit hoher Wahrscheinlichkeit versterben. Diese Erkrankung können wir sehr gut kathetergestützt behandeln, so dass Patienten nur eine kurze Zeit auf der Intensivstation ver-bringen müssen.
Auch Maßnahmen zur Sicherstellung einer ausreichenden Durchblutung des Herzmuskels wie Stentimplantationen oder Bypass-Operationen kann man nicht ewig aufschieben, sonst drohen schwere Herzinfarkte und eine dauerhafte Schädigung des Herzmuskels.
Es muss also unbedingt eine Situation vermieden werden, in der wir solche Eingriffe wieder auf-schieben müssen. Wichtig zu erwähnen ist außerdem, dass am Herzen erkrankte Menschen deutlich häufiger von ei-nem schweren COVID-Verlauf betroffen sind als der Durchschnitt der Bevölkerung. Die heftige Im-munreaktion ist eine starke Belastung für das Herz-Kreislauf-System, worunter vor allem schwache Herzen zu leiden haben und daher Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz zur Hochrisiko-gruppe gehören. Zudem wird durch die Aktivierung bestimmter Abwehrmechanismen im Körper die Gefahr von Thrombosebildungen größer. Wir wissen inzwischen, dass als es Folge von COVID-19 vermehrt zu Thrombosen, Herzinfarkten und Herzmuskelentzündungen kommt, die das kardiovas-kuläre System direkt schädigen. (3)
Gerade für Herzpatientinnen und -patienten ist es daher besonders ratsam, sich gegen eine Corona-Infektion impfen zu lassen, sobald es Ihnen möglich ist.
Literatur
1. Nef et al. Impact of the COVID-19 pandemic on cardiovascular mortality and catherization activity during the lockdown in central Germany: an observational study. Clin Res Cardiol 2020; 1-10 https://doi.org/…
2. Zeymer, Gitt, Thiele et al. COVID-19-Pandemie – Effekte auf die klinische Versorgung von Herz-Kreislauf-Patienten im Frühling 2020, Herz 2021; 45:115-119; https://doi.org/…
3. Schieffer, Schieffer, Hilfiker-Kleiner et al. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und COVID-19 – Pa-thophysiologie, Komplikationen und Therapien, Herz 46:107-114· https://doi.org/10.1007/s00059-020-05013-y
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.500 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbil-dung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org
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