Städte sorgen sich um Folgen des Lockdowns für Kinder und Jugendliche – Bund, Länder, Kommunen und Gesellschaft müssen wirksam gegensteuern

Die Städte fordern Bund und Länder auf, den Blick für die massiven Folgen der Corona-Lockdowns im Leben von Kindern und Jugendlichen zu schärfen und mit wirksamen Hilfs­maßnahmen gegenzusteuern. Nach einer virtuellen Sitzung des Präsidiums des Deutschen Städtetages sagte der Vizepräsident, Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster:

"Viele Kinder, Jugendliche und ihre Eltern bewältigen tagtäglich Herausforderungen durch die Corona-Krise. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken. Denn ohne sie wäre der Kampf gegen die Pandemie nicht zu gewinnen. Kinder und Jugendliche erleben mehr noch als die meisten Erwachsenen, wie gravierend die Corona-Pandemie ihren Lebensalltag einschränkt. Auch Kinder und Jugendliche aus zugewanderten Familien sind besonders betroffen. Lange Phasen des Distanz- oder Wechselunterrichts in Schulen und starke Einschränkungen in Kitas, kaum Treffen mit Freunden, kein Training in den Sportvereinen, abgesagte Gemein­schaftsfahrten fordern ihnen allen viel Verzicht ab. Viele können keine Zukunftspläne machen, weil Ausbildungsplätze schwerer zu finden und die Perspektiven unsicher sind. Das hinterlässt Spuren in Körper und Seele bei Millionen von Kindern und Jugendlichen.“

Der Deutsche Städtetag fordert den Bund auf, als ersten Schritt ein Programm von 2 Milliar­den Euro aufzulegen, um Kinder und Jugendliche zeitnah zu unterstützen. Zum Beispiel für Nachhilfestunden, Sportangebote, Sommercamps und Sprachschulungen. Lewe machte deutlich: „Wir müssen jetzt die Kinder und Jugendlichen unterstützen, die Hilfe brauchen. Es geht nicht nur darum, Lernrückstände aufzuholen. Wir müssen es schaffen, für Viele den Weg zurück in ein unbeschwertes Aufwachsen zu ebnen. Da geht es um Bildungschancen genauso wie um eine gesunde körperliche und seelische Entwicklung. Wir hoffen sehr, dass das Bundeskabinett kommende Woche Grundzüge für ein solches Programm beschließt.“

Der Städtetagsvizepräsident betonte weiter: „Wir reichen Bund und Ländern die Hand, weil wir die Situation in den Städten kennen. Wir haben gute und effektive Strukturen, um junge Menschen zu unterstützen. Wichtig ist es, auf diese Hilfsangebote und Strukturen zurückzugreifen und diese zu stärken. Das sollte der Bund mit seinen Geldern tun, und die Länder sollten dies durch eigene Mittel spürbar ergänzen.“ Das bedeute auch mehr Geld für zusätzliches Personal. Es gehe sowohl um kurzfristige Angebote als auch um die zusätzliche langfristige Förderung von Kindern und Jugendlichen. „Die Städte wollen nach ihren Möglichkeiten tatkräftig mithelfen, für Kinder und Jugend­liche einen guten Weg aus der Pandemie und für die Zeit danach zu finden. Bund, Länder und Kommunen müssen den Kindern und Jugendlichen gemeinsam attraktive Angebote machen, damit sie die Erfahrungen während der Pandemie verarbeiten können. Wir müssen soziale Folgen wie Vereinsamung und Passivität angehen“, so Lewe.

Für konkrete „schnelle Hilfen“ und die Umsetzung von langfristigen Maßnahmen fordert der Deutsche Städtetag Bund und Länder auf, die geplanten Mittel zielgerichtet einzusetzen:

  • Familienberatung sollte ausgebaut und zusätzliche erlebnispädagogische und psycho­soziale Angebote für Kinder- und Jugendliche geschaffen werden. Hierfür müssen zusätzliche Personalressourcen bei den Trägern der Jugendhilfe mobilisiert werden.
  • Ergänzend zum Unterricht sollten „Study Halls“ organisiert werden, inklusive einer Betreuung, auch außerhalb von Schulen, etwa in Bibliotheken, Jugendzentren, Kultur-einrichtungen. Dort könnten Kinder und Jugendliche in Distanz lernen und Hausaufgaben erledigen, die das zu Hause technisch oder aufgrund fehlender Räume nicht können.
  • Das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes für Kinder und Jugendliche aus ein­kommensschwachen Familien sollte aufgestockt werden. So könnte die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben verbessert werden. Leistungsberechtigte Kinder und Jugendliche sollten etwa die Chance haben, Sport- oder Musikangebote nutzen zu können.
  • Gebraucht werden zusätzliche Kapazitäten in der Schulsozialarbeit. Sie sind nötig, um Förderbedarfe bei Kindern und Jugendlichen besser zu identifizieren und in Konflikt­situationen zu helfen.
  • Die Länder sollten die Kommunen dabei unterstützen, spezifische Förderprogramme für kindgerechte Erholungsmöglichkeiten aufzulegen, beispielsweise für Sommercamps und begleitete Ausflüge.
  • Nachbarschaftshilfe und ehrenamtliches Engagement in den Stadtvierteln sind zu stärken, Mentoren sollten Kinder und Jugendliche direkt unterstützen können.
  • Angebote am Übergang von der Schule zum Beruf sind auszubauen, zum Beispiel Praktika und Orientierungskurse. Die Kommunen haben hier bereits viel Erfahrung, z.B. in den Jugendberufsagenturen. Die Angebote müssen aber aufgrund der schwierigen Situation im Ausbildungsmarkt ausgebaut werden. Durch die Corona-Krise gibt es derzeit auch zu wenig Praktikumsmöglichkeiten, was Bildungswege erschwert.
  • Mittelfristig müssen vorhandene Strukturen quantitativ und qualitativ gestärkt werden: in der Kinder- und Jugendhilfe sowie in den niedrigschwelligen Angeboten der psycho­sozialen Beratungsangebote, Schuldnerberatung, Erziehungsberatung, Schulsozialarbeit sowie in den Unterstützungsstrukturen der Schulpsychologie. Die Kommunen haben durch ihr Engagement für Bildungs- und soziale Beratungsangebote viel Erfahrung, um alle zentralen Akteure vor Ort an einen Tisch zu bringen. Ziel muss es sein, nicht neue Strukturen zu schaffen, sondern bewährte Strukturen zu nutzen und diese auszubauen.
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