Chance für einen Neuanfang beim Lieferkettengesetz nutzen

„Das deutsche Lieferkettengesetz wird am Donnerstag nicht vom Bundestag verabschiedet. Der Gesetzesentwurf wurde von der Tagesordnung genommen. Wir hoffen, weiterhin, dass ein nationaler Alleingang verhindert werden kann. Die vorgelegte nationale Lösung hätte deutsche Unternehmen einseitig im internationalen Wettbewerb benachteiligt und die Risiken von Handel und Investitionen unter anderem in afrikanischen Ländern erhöht.“ erklärt Christoph Kannengießer, Hauptgeschäftsführer des Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft.

„Die öffentliche Anhörung im Bundestag am Montag dieser Woche hat deutlich gezeigt, dass der vorliegende Gesetzentwurf mehr negative als positive Auswirkungen gehabt hätte. Die Intention, Menschrechte zu schützen und die Lebensbedingungen weltweit zu verbessern, ist unstreitig. Dies mit wenig differenzierten und aufwendigen bürokratischen Prozeduren bei deutschen Firmen erreichen zu wollen, führt aber nicht zum Ziel. In der Folge hätten sich vielmehr deutsche Unternehmen die Frage stellen müssen, ob sie das mit Risiken behaftete, hochkomplizierte Engagement in den sehr herausfordernden Märkten Afrikas überhaupt noch in ihrem Portfolio belassen. Es sind doch gerade deutsche Firmen, die vor Ort anständige Löhne zahlen, mit lokalen Arbeitskräften arbeiten, in deren Qualifikation investieren und in sich unzähligen begleitenden Projekten für Bildung, Gesundheit oder Umweltschutz engagieren. Deshalb genießen sie weltweit einen erstklassigen Ruf und sind als Partner gefragt. Durch das nationale Lieferkettengesetz wäre der Wettbewerb unserer Unternehmen im Ausland nun nochmals erschwert worden. Dominiert wird er ohnehin schon von Unternehmen aus Ländern, die viel geringere Standards einhalten. Mit dem Gesetz hätten diejenigen, die sich wenig bis gar nicht um Menschenrechte, Arbeits- oder Umweltschutz kümmern einen weiteren Vorteil erhalten – zu Lasten der Menschen vor Ort und entgegen dem eigentlichen Ziel des Gesetzes,“ so Kannengießer weiter.

„Nun bietet sich die Chance zu einem Neuanfang. Dieser sollte aber zumindest auf europäischer Ebene verankert werden. Die Durchsetzung von Menschenrechten und Mindeststandards verlangt viel weitergehende Ansätze, als ein nationales Gesetz sein kann. Es muss um die Stärkung der Durchsetzungskraft der lokalen Regierungen gegenüber den vor Ort tätigen Akteuren gehen – egal woher sie kommen. Denn nur dann wird den Menschen wirklich geholfen und nur dann werden Zustände beseitigt, die nicht zu tolerieren sind. Das setzt Partnerschaft voraus, statt den Versuch, unsere Unternehmen zu instrumentalisieren, Standards gegenüber den Akteuren vor Ort anstelle der an sich verantwortlichen lokalen Regierungen durchzusetzen – über deren Köpfe hinweg, ganz im bekannten paternalistischen Stil des Umgangs mit afrikanischen Staaten. In einem ersten Schritt sollte daher der Dialog mit diesen Partnern gesucht werden,“ erklärt Christoph Kannengießer.

„Auf EU-Ebene sollte es den Unternehmen erleichtert werden, Lieferketten zu kontrolliere, statt nur mit Sanktionen zu drohen. Die Schaffung von einheitlichen Registern für Zulieferer, die sich an erforderliche Standards halten, könnte hier helfen. Noch wirkungsvoller wäre es, wenn sich die Bundesregierung und die EU für eine verbindliche Lösung auf Ebene der OECD einsetzen würden. Entsprechende Leitsätze für multinationale Unternehmen zur Förderung der Achtung der Menschenrechte, der Einhaltung von Sozialstandards und des Umweltschutzes bei Unternehmensaktivitäten weltweit hat die OECD bereits vor einigen Jahren entwickelt. Dazu gehört auch ein Netzwerk von Nationalen Kontaktstellen, die bei Verstößen angerufen werden können. Die Grundlagen auf Ebene der 37 Mitgliedstaaten sind geschaffen. Anstatt ein rein nationales Gesetz zu entwerfen, sollte die Bundesregierung jetzt die Chance nutzen, auf europäischer oder gleich auf Ebene der OECD eine einheitliche Lösung herbeizuführen, die unsere Unternehmen im Wettbewerb nicht belastet und zugleich wirkungsvoll ist,“ fordert Kannengießer.

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