Als Ausgangspunkt für die Berechnungen hat die Forschungsgruppe ein Investitionsprogramm gewählt, welches das IMK 2019 zusammen mit dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) entwickelte. Es sieht in einem 10-Jahres-Zeitraum zusätzliche öffentliche Investitionen von insgesamt 460 Milliarden Euro vor. Damit sollen beispielsweise eine Modernisierung der kommunalen Infrastruktur, ein Ausbau von Breitband- und Eisenbahnnetz sowie mehr öffentlicher Wohnungsbau finanziert werden. Zudem fließen gut 100 Milliarden in bessere Bildung und Forschungsförderung sowie 75 Milliarden Euro in Techniken zur Dekarbonisierung (siehe auch die Tabelle in der pdf-Version dieser PM; Link unten).
Als Laufzeit für die Investitionsoffensive setzt die neue Studie das Jahrzehnt von 2021 bis 2031 an. Für die Berechnungen verwenden Dullien und seine Ko-Forschenden Ekaterina Jürgens, Christoph Paetz und PD Dr. Sebastian Watzka das makroökonomische Mehrländermodell NiGEM, das bei Zentralbanken und internationalen Organisationen weit verbreitet ist. Dabei nehmen die Ökonominnen und Ökonomen in Kauf, dass die NiGEM-Standardversion die positiven Multiplikator-Wirkungen öffentlicher Investitionen auf das Wirtschaftswachstum nur etwa halb so hoch ansetzt wie beispielsweise der Internationale Währungsfonds in aktuellen Schätzungen. Das deute wiederum darauf hin, dass ihre Ergebnisse „am unteren Ende einer plausiblen Spanne liegen“, schreiben sie. Das heißt: Die Wissenschaftler sehen eine erhebliche Wahrscheinlichkeit, dass das BIP durch den Investitionsschub in der Realität noch stärker wächst und die Schuldenquote entsprechend schneller sinkt.
Doch auch in den Berechnungen mit dem NiGEM-Standardmodell zeigt sich ein deutlich positiver Effekt: Da die kreditfinanzierten staatlichen Investitionen für zusätzliche Nachfrage sorgen und private Folgeinvestitionen anregen, ist das deutsche BIP 2050 schon so um drei bis vier Prozent größer als ohne Investitionsprogramm. Die für die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen zentrale Schuldenstandsquote, gemessen am BIP, fällt hingegen 2050 nicht höher aus als ohne Investitionsoffensive. Grund: Zwar muss der Staat anfangs höhere Kredite aufnehmen, die Schuldenquote steigt also zunächst. Durch das stärkere BIP-Wachstum sinkt sie dann aber bis 2050 auf das Niveau, das sie auch ohne zusätzliche Investitionen hätte – obwohl sich die Zinsen über den Simulationszeitraum vom derzeit sehr niedrigen Niveau wieder normalisieren und im Szenario mit Investitionsprogramm sogar leicht stärker steigen als ohne dieses Programm.
Die Bilanz fällt noch deutlich besser aus, wenn die Rechnung positive Faktoren einbezieht, die ökonomisch unbestritten, aber in der Standardversion von NIGEM ebenfalls nur unvollständig abgebildet sind. Berücksichtigt man, dass sich durch massive öffentliche Investitionen die Produktivität der deutschen Unternehmen verbessert, etwa durch leistungsfähigere Infrastruktur oder eine besser qualifizierte Erwerbsbevölkerung, rückt das Datum, ab dem die Schuldenquote mit Investitionsprogramm niedriger liegt als ohne, noch einmal spürbar näher. Dann hätte sich die Investitionsoffensive bereits zwischen 2041 und 2047 „amortisiert“. „Wenn wir jetzt beherzt investieren, können die Kinder des Jahrgangs 2021 also in einem Land mit modernerer Infrastruktur, besseren Schulen und deutlich geringerem CO2-Fußabdruck aufwachsen. Vorteile, von denen die Jungen noch stärker profitieren würden als Ältere“, sagt IMK-Direktor Dullien.
*Sebastian Dullien, Ekaterina Jürgens, Christoph Paetz, Sebastian Watzka: Makroökonomische Auswirkungen eines kreditfinanzierten Investitionsprogramms in Deutschland. IMK Report Nr. 168, Mai 2021. Download: https://www.boeckler.de/…
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