Von Pio Manzù entworfenes Konzeptfahrzeug

  • Vom Fiat 127 wurden zwischen 1971 und 1987 mehr als fünf Millionen Stück gebaut.
  • Nationales Automobilmuseum in Turin (MAUTO) feiert den 50. Geburtstag des Fiat 127 unter anderem mit einer Hommage an den Designer Pio Manzù.
  • Im MAUTO sind sechs ganz besondere Exemplare ausgestellt, außerdem Zeichnungen, Modelle und Baupläne des Designers, der für die Zeit revolutionäre Konzepte zur Mobilität entwickelte.
  • Zu den faszinierenden Exponaten zählt auch das Fiat City Taxi, das Manzù im Jahr 1968 entwarf und das die Basis für 15 Patente bildete, die Fiat später bei verschiedenen Serienmodellen umsetzte.
  • Das spektakuläre Fiat Konzeptfahrzeug gehört zur unbezahlbaren Oldtimer-Sammlung der Stellantis Abteilung Heritage.
  • Roberto Giolito, Head of Heritage, nahm an einer Talkrunde zu Designer Manzù und dem Fiat 127 teil.

Noch bis zum 5. September 2021 zeigt das Museo Nazionale dell’Automobile in Turin (MAUTO) die Ausstellung „Che macchina!“. Die Präsentation unter dem Motto „Was für ein Auto“ ist dem Fiat 127 gewidmet, der dieses Jahr seinen 50. Geburtstag feiert. Die Ausstellung würdigt auch den Designer, der die Form des Fiat 127 entwarf: Pio Manzoni, genannt Manzù, Sohn des italienischen Bildhauers Giacomo. Der Name der Ausstellung ist der Werbekampagne für den 1971 präsentierten Fiat 127 entnommen und fasst das Erstaunen über die Innovationen zusammen, mit denen der Fiat 127 seinerzeit überraschte. Das Modell wurde einer der meistverkauften Fiat überhaupt. Die Person Pio Manzù und die Entstehungsgeschichte des Fiat 127 standen im Mittelpunkt einer Diskussionsrunde, zu deren Referenten Roberto Giolito, Head of Heritage bei Stellantis, Rodolfo Gaffino Rossi, ehemaliger Direktor des MAUTO, und Luciano Galimberti, Präsident der italienischen Industriedesign-Vereinigung ADI, zählten.

Die Ausstellung zum 50. Geburtstag des Fiat 127, einem Meisterwerk von Pio Manzù

Der Fiat 127 war für seine Zeit ein beinahe revolutionäres Auto – innen geräumig und außen klein. Gleiches galt auch für die noch heute hochaktuelle Mobilitätsvision des 1969 verstorbenen Designers Pio Manzù. Sein Genie wird durch die Ausstellung „Che macchina!“ gewürdigt, die Kuratoren sind der Journalist Giosuè Boetto Cohen und Giacomo Manzoni, der Sohn des Designers. Die Realisierung der Ausstellung ist das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen der Manzoni Art & Design Foundation und der Heritage Abteilung von Stellantis, die für die Bewahrung und die Förderung des historischen Erbes der Marken Alfa Romeo, Fiat, Lancia und Abarth verantwortlich ist.

Mittelpunkt der Ausstellung sind sechs besondere Exemplare des Fiat 127, der 1971 präsentiert und 1972 zum „Auto des Jahres“ gewählt wurde. Zu sehen sind zwei Fiat 127 der ersten Bauserie sowie die Modellvarianten Rustica, Sport, Top und Panorama. Sie stellen nur eine kleine, aber signifikante Auswahl der zahlreichen Versionen des Fiat 127 dar, von dem bis 1987 mehr als fünf Millionen Stück produziert wurden. Die Ausstellung wird ergänzt durch Zeichnungen, Modelle, Prototypen und Pläne weiterer Gebrauchsgegenstände aus der Hand von Pio Manzù. Zu ihnen zählen die Parentesi-Lampe, die Manzù 1968 zusammen mit Achille Castiglioni entwarf, und der revolutionäre Autonova FAM von 1964, der erste Minivan in der Geschichte des Automobils. Ein weiteres Beispiel für das Talent von Manzù ist das auf einem Fiat 850 basierende Konzeptfahrzeug Fiat City Taxi, das heute Teil der unschätzbaren Oldtimer-Sammlung von Heritage ist und normalerweise im Multifunktionsraum des Heritage HUB in Turin ausgestellt ist.

Die Geheimnisse des Konzeptfahrzeugs Fiat City Taxi

Das Fiat City Taxi war ein originelles Projekt für den öffentlichen Nahverkehr, das sich durch verschiedene technologische Innovationen auszeichnete, die auf Sicherheit und Funktionalität abzielten. Das auf dem Fiat 850 basierende Konzeptfahrzeug enthielt nicht weniger als 15 damals neu angemeldete Patente. Viele der technischen Innovationen des auf dem Turiner Autosalon im Oktober 1968 vorgestellten Prototyps entwickelte das Centro Stile Fiat weiter und setzte sie später in Serienfahrzeugen ein. Die generelle Karosserielinie, vor allem die hintere Motorhaube, wurde 1972 im Fiat 126 wieder aufgegriffen. Dieser Kleinstwagen löste den legendären Fiat 500 von 1957 ab, den Nuova Cinquecento.

Der historische Kontext, der zur Zusammenarbeit zwischen Fiat und Pio Manzù führte

1968 erreichten die Studenten- und Sozialproteste ihren Höhepunkt. Gleichzeitig erlebten auch die Städte eine Zeit der Aufbruchstimmung. Auf den Straßen Italiens waren viele Taxis unterwegs, die auf dem genialen Minivan Fiat 600 Multipla basierten, der 1956 von Dante Giacosa konstruiert und parallel zum äußerst populären Fiat 600 gebaut wurde. Ab 1964 und bis zum Produktionsende im Jahr 1969 stellte der Turiner Automobilhersteller dem Fiat 600 einen Nachfolger zur Seite: den Fiat 850.

Zur gleichen Zeit beschäftigten sich die Konstrukteure von Fiat mit der Entwicklung einer Minivan-Version des Modells 850, die speziell auf den öffentlichen Nahverkehr ausgerichtet sein und den in die Jahre gekommenen Fiat 600 Multipla ersetzen sollte. Die Idee war, kein bestehendes Modell zu überarbeiten, sondern ein eigenständiges Fahrzeug zu entwickeln, das von Anfang an für den Einsatz als Taxi konzipiert war. Die 1960er Jahre waren auch die Ära der großen italienischen Karosseriebauer, die mit Konzeptfahrzeugen auf Basis existierender Modelle für Aufsehen sorgten. Und so wandte sich das Centro Stile Fiat erstmals an einen externen Designer. Die Wahl fiel auf einen der kreativsten Köpfe der Epoche: Pio Manzù.

Kraftübertragung nach dem System Idroconvert

Die Techniker starteten mit der Bodengruppe des Fiat 850. Angesichts der vorgesehenen Nutzung im Stadtverkehr wurde die Variante mit der Halbautomatik Idroconvert gewählt. Das auf dem Genfer Automobilsalon 1966 vorgestellte System basierte auf einem Drehmomentwandler und einer  hydraulischen Kupplung, die beim Schaltvorgang ohne Zutun des Fahrers durch einen elektromechanischen Stellmechanismus betätigt wurde. Auf diese Weise entfiel das Kupplungspedal, aber die vier Gänge blieben erhalten. Das System trug den Namen Idroconvert, den entsprechend ausgerüstete Fiat 850 auf der Motorhaube trugen.

Kompakte Abmessungen und komfortbetontes Design

Die Abmessungen des Konzeptfahrzeugs Fiat City Taxi waren kompakt. Aber der Innenraum wurde optimal ausgenutzt, um sowohl die flexible Nutzung in der Stadt zu gewährleisten als auch den Passagieren das Ein- und Aussteigen zu erleichtern. Die zweigeteilte Karosserie mit kurzen Überhängen wies eine straffe Linienführung auf, mit einer steil abfallenden Motorhaube, großen Fenstern, um den Fahrgästen einen guten Rundum-Blick zu ermöglichen, und einem Fahrgastraum, der höher als üblich ausfiel, um den Komfort an Bord zu verbessern. Die orange lackierte Karosserie sollte die Erkennbarkeit als öffentliches Verkehrsmittel erleichtern. Wohlgemerkt zu einer Zeit, in der Taxis häufig noch in Grün und Schwarz gehalten waren.

Mehr noch als durch seine größere Höhe fiel das Fiat City Taxi durch die asymmetrische Anordnung der Türen auf.  Auf der linken Seite befand sich lediglich die Fahrertür. Auf der rechten, dem Verkehr abgewandten Seite stiegen die Fahrgäste durch eine innovative elektrisch betätigte Schiebetür ein und aus. Die unterschiedlichen Abmessungen der Türen führten auch zu unterschiedlich großen Seitenfenstern. Die beiden Scheibenwischer waren besonders lang, da sie eine viel höher als normal ausgeführte Windschutzscheibe reinigen mussten. Auf der Fahrerseite war der Wischer in einer Parallelogramm-Konfiguration mit zwei Armen ausgeführt. Er blieb, wie damals auch bei einigen Serienfahrzeugen üblich, im Ruhezustand senkrecht stehen. Der Scheibenwischer auf der Beifahrerseite bewegte sich in einem Bogen von innen nach außen, also in die entgegengesetzte Richtung wie bei anderen zeitgenössischen Modellen von Fiat.

Revolution im Innenraum mit futuristischen Bedienelementen

Die Rücksitze des Fiat City Taxi boten Platz für drei Passagiere. Wenn gelegentlich ein vierter Sitzplatz benötigt wurde, kam für kurze Fahrten ein zusätzlicher Klappsitz neben dem Fahrer zum Einsatz. War dieser hochgeklappt, wurde der Raum für Gepäck genutzt, das mit einem speziellen Gurt gesichert werden konnte. Weitere Taschen konnten in einem Stauraum hinter den Rücksitzen und oberhalb des Motors untergebracht werden, der auch von außen durch eine große Heckklappe  leicht zu erreichen war.

Zu den Besonderheiten im Innenraum des Fiat City Taxi zählte auch eine futuristische Armaturentafel, die Instrumente und Taxameter aufnahm und mit einem flexiblen Material gepolstert war. Auch ein kleiner TV-Bildschirm war mit dem gleichen Material gepolstert. Außerdem konnte der Fahrer über ein Funkgerät, dessen Mikrofon in der Sonnenblende eingebaut war, beispielsweise mit der Taxizentrale sprechen.

Innovative Lösungen für höchstmögliche Sicherheit

Einige sicherheitstechnische Innovationen des Konzeptfahrzeugs Fiat City Taxi wurden zum Standard in Serienfahrzeugen der Marke. Dazu gehörten eine in Segmente unterteilte Lenksäule, die bei einem Frontalaufprall das Verletzungsrisiko für den Fahrer reduzierte. Das mit flexiblem Material gepolsterte Armaturenbrett und die Gurte zur Sicherung von Gepäckstücken bewährten sich ebenfalls in Serienfahrzeugen.

Das Sprechfunksystem mit dem Mikrofon in der Sonnenblende war ein früher Vorläufer der heutigen Freisprechanlagen für Mobiltelefone. Der Fernseher in der Mitte der Armaturentafel des Fiat City Taxi kann als Vorläufer der Monitore moderner Infotainmentsysteme angesehen werden. Einige der funktionalen Lösungen des Konzeptfahrzeugs wurden erst viele Jahre später wieder aufgegriffen. Hierzu zählen beispielsweise die verglaste Heckklappe, ein Merkmal der in den 1970er Jahren aufkommenden Schräghecklimousinen, oder das Kartenfach im Dachhimmel, das heute in jedem Minivan und Transporter zu finden ist.

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