Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bewilligt im Rahmen des Ideenwettbewerbs „Biologisierung der Technik“ für das Verbundvorhaben BOOST die Förderung im Schwerpunkt Produktionsforschung. Gegenstand der Förderung sind Einzel- oder Verbundprojekte, die anhand einer konkreten technischen Fragestellung das Potenzial biologischer Ressourcen, Verfahren, Prozesse oder Prinzipien für industrielle Anwendungen aufzeigen. BOOST steht für „Biologisch inspiriertes Sitzsystem“ und basiert auf der Kombination verschiedener biologischer Vorbilder. An dem Projekt beteiligt sind unter anderem die Technische Hochschule Mittelhessen (THM), die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und die Grammer AG. Das Verbundvorhaben wird von der TransMIT Gesellschaft für Technologietransfer mbH im Auftrag der THM betreut und vom TransMIT-Kooperationsnetzwerk 3D-Druck und additive Fertigung – Bionik unterstützt.
Die Gestaltung und Fertigung eines leichten, komfortablen und umweltfreundlichen Sitzsystems stellt gerade für den öffentlichen Personennah- und -fernverkehr eine permanente und von zahlreichen kleinen oder größeren Herausforderungen und Innovationsbedarfen geprägte Aufgabe dar. Dabei steht nicht nur die allgemeine Attraktivität für die Nutzer im Vordergrund, sondern beispielsweise auch gesundheitliche Aspekte etwa durch eine lang andauernde physiologisch ungünstige Körperhaltung oder mangelnde Blutzirkulation sowie ökologische Fragestellungen, die das Recycling, CO2– und Schadstoffemissionen betreffen. Es besteht somit ein hoher Bedarf für ein modernes Sitzsystem, umfassend ein Sitzkissen und einen Kissenträger, die eine physiologisch angepasste Druckverteilung gewährleisten und dementsprechend einen optimalen Kompromiss herstellen zwischen harten, nicht verformbaren Sitzflächen und sehr nachgiebigen Sitzflächen mit nachteilig starker Konturanpassung.
Vor diesem Hintergrund entwickeln die Projektpartner im Verbundvorhaben BOOST ausgehend von mehreren Vorbildern aus der Natur ein neuartiges Sitzsystem für Nutzfahrzeuge, Bahnen und Busse, das diesen Anforderungen gerecht wird. Dabei gründet sich der Lösungsansatz sowohl auf den Werkstoff als auch auf die Konstruktion und Fertigung. Bei der inneren Struktur des Sitzkissens orientieren sich die Verbundpartner an den Kammerstrukturen von Moostierchen-Kolonien sowie dem Federkörper eines Bovists, während der Kissenträger nach dem Vorbild eines Spinnennetzes konzipiert wird. Die Identifizierung dieser biologischen Vorbilder, die in entsprechende technische Lösungen umgesetzt werden, resultiert insbesondere aus eigens zu diesem Zweck durchgeführten Untersuchungen der umfassenden Sammlungen der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung sowie auf Arbeiten von Prof. Dr. Klaus Nicol, emeritierter Professor der Biomechanik an der Universität Münster.
„Im gegenwärtigen Stand der Technik sind durchaus vielversprechende Ansätze vorhanden, die aber in der Praxis noch nicht umgesetzt wurden“, erläutert der Projektleiter Prof. Dr.-Ing. Udo Jung vom Fachbereich Maschinenbau, Mechatronik und Materialtechnologie an der THM und Leiter des TransMIT-Zentrums für Leichtbau und Betriebsfestigkeit. „Wir verfolgen nun mit dem Verbundvorhaben BOOST einen völlig neuen Ansatz, womit eine ganze Reihe von Problemen gelöst werden können. So wird unser Sitzsystem unter anderem eine große Dauerhaltbarkeit, eine erhöhte Resistenz gegenüber Feuer und Vandalismus sowie zum Zwecke der Ressourcenschonung und Emissionsreduktion bei Herstellung und Nutzung ein geringes Gewicht aufweisen. Durch eine effektive Schwingungsdämpfung können wir auch einen verbesserten Schutz des menschlichen Körpers vor Erschütterungen und Stößen gewährleisten.“
„Tiere und Pflanzen sind seit jeher wichtige Ideengeber für technische Innovationen aller Art“, betont Dr. Julia Intemann, Projektmanagerin für den Wissenstransfer bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung. „Durch unsere umfangreichen Sammlungen fossiler und rezenter Tier- und Pflanzenarten verfügen wir in besonderer Weise über die Kompetenz zur Identifizierung biologischer Vorbilder für technische Lösungen. Wir freuen uns sehr, dass wir auf dieser Basis gemeinsam mit unseren Partnern einen Beitrag zum Gelingen dieses spannenden Projektes leisten können.“ Dr. Daniel Gerhard, Projektkoordinator bei der Grammer AG, ergänzt: „Bei unseren Kunden und auf dem Markt insgesamt besteht ein dauerhaftes Interesse an innovativen Lösungen, die im gesamten Produktspektrum neue Anwendungen ermöglichen. Neben den umweltschonenden Aspekten durch Leichtbau ist für uns die Erhöhung des Sitzkomforts eine wichtige Zielstellung.“
Die Demonstratoren von Sitzkissen und Kissenträger sollen vorzugsweise durch additive Fertigung als ein einziges integriertes Bauteil gefertigt werden. Für die Herstellung von Demonstratoren auf Basis der simulierten Kissenstrukturen sind additive Verfahren ideal geeignet. Daher greifen die Verbundpartner zur Realisierung diverser Aufgaben im Rahmen des TransMIT-Kooperationsnetzwerks 3D-Druck und additive Fertigung – Bionik auf Dienstleister zurück, die auf unterschiedliche Werkstoffe und Verfahren spezialisiert sind. Die prototypische Umsetzung erfolgt schließlich durch den renommierten Sitzhersteller Grammer. Die Grammer AG ist spezialisiert auf die Entwicklung und Herstellung von Komponenten und Systemen für Pkw-Innenausstattung sowie von Fahrer- und Passagiersitzen für Offroad-Nutzfahrzeuge, Lkw, Busse und Bahnen.
Mit der Förderung von Projekten im Rahmen des „Ideenwettbewerbs Biologisierung der Technik“ beabsichtigt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das in Deutschland verfügbare Wissen im Hinblick auf die technische Machbarkeit und die Umsetzung in industriellen Nutzen in den beiden Schlüsseltechnologien „Neue Werkstoffe und Materialien“ und „Produktionsforschung“ zur Geltung zu bringen. Die so gewonnenen Erkenntnisse sollen Impulse für die weitere Ausgestaltung zukünftiger BMBF-Förderaktivitäten im Kontext der „Biologisierung der Technik“ geben. Im Rahmen der Ausschreibung werden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten gefördert, die zu einer Erhöhung der Anwendungs- und Verwertungschancen von bio-basierten Materialien und biologisch inspirierten Werkzeugen, Methoden oder Vorgehensweisen im Bereich der Materialwissenschaft und Werkstoffforschung oder der Produktentstehung und Produktionsprozesse beitragen.
Mehr Informationen zum „Ideenwettbewerb Biologisierung der Technik“ unter: https://www.zukunft-der-wertschoepfung.de/de/biologisierung-der-technik-2259.html
Weitere Informationen zum Innovationscluster 3D-Druck und additive Fertigung – Bionik unter: https://www.3ddruck-transmit.de/
Die TransMIT GmbH erschließt und vermarktet im Schnittfeld von Wissenschaft und Wirtschaft seit 1996 mit rund 160 Angestellten das Innovations-Potenzial zahlreicher Wissenschaftler aus mehreren Forschungseinrichtungen in und außerhalb Hessens. Direkt aus den drei Gesellschafterhochschulen der TransMIT GmbH (Justus-Liebig-Universität Gießen, Technische Hochschule Mittelhessen und Philipps-Universität Marburg) bieten mehr als 160 TransMIT-Zentren unter professioneller wissenschaftlicher Leitung innovative Produkte, Technologien, Dienstleistungen sowie Weiterbildungsveranstaltungen aus nahezu allen Fachrichtungen an. Der Geschäftsbereich Patentverwertung identifiziert und bewertet im Kundenauftrag Produktideen und Forschungsergebnisse und bietet diese international für Lizenzierung oder Kauf an. Das betreute Portfolio umfasst dabei alle Technologiefelder deutscher Hochschulen. Ergänzt wird dieses Angebot durch Leistungen für das komplette Innovationsmanagement von der Idee bis zum marktreifen Produkt im Geschäftsbereich Managed Innovation Services (MIS), insbesondere Fördermittelberatung und Projektmanagement für kleine und mittelständische Unternehmen. Darüber hinaus initiiert und betreut das Geschäftssegment Kooperationsnetzwerke & Neue Märkte Netzwerke zwischen KMU, die sich proaktiv weiterentwickeln wollen. Die TransMIT GmbH hat bei mehreren Rankings im Auftrag verschiedener Bundesministerien jeweils den 1. Platz unter den 21 größeren Technologietransfer-Unternehmen in Deutschland erreicht und ist autorisierter Partner des BMWi-Programms "go-Inno" sowie der Innovationsberatung des BAFA. Referenzprojekte sind u. a. das Museum "mathematikum", das Clustermanagement für die Medizinwirtschaft "timm" und die BMWi-Projekte "SIGNO KMU-Patentaktion" und "-Erfinderfachauskunft" sowie "WIPANO Unternehmen". Aktuell ist die TransMIT GmbH federführender Partner der EU-Initiative KETBIO (Key Enabling Technologies in Biotechnology) und gehört zum Projektkonsortium des europäischen Programms zur Förderung der Biotechnologie als einer von sechs bedeutenden Schlüsseltechnologien (KETs) des EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation Horizont 2020 (https://www.ketbio.eu/).
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