»Aufnahmeeinrichtungen und AnkER-Zentren sind kein Ort für Kinder und kein Ort für Erwachsene«, heißt es in dem gemeinsamen Aufruf, in dem die rund 100 Unterzeichnenden zudem fordern: »Statt Isolation und Entrechtung brauchen wir faire Asylverfahren und gleiche Rechte für alle Kinder, die in Deutschland leben.«
»Die räumliche Enge in AnkER-Zenten und Aufnahmeeinrichtungen, das Miterleben von Gewalt und Abschiebungen und der Mangel an Privatsphäre und Bildungsmöglichkeiten widersprechen den in der UN-Kinderrechtskonvention niedergelegten Kinderrechten«, erklärte Birte Kötter, Vorstandssprecherin von terre des hommes. Besonders Frauen, Kinder und Familien leiden unter diesem System. Die oftmals weit abgelegenen Einrichtungen führen zur Isolation und Entrechtung der Betroffenen. Es gibt kaum Zugänge zu psychosozialer Versorgung für traumatisierte oder psychisch belastete Menschen und zu regulären Kitas und Schulen, die für die Bildung von Kindern elementar sind. Die eingeschränkten Möglichkeiten zur Vorbereitung der Asylverfahren wirken sich negativ auf die Aufenthaltschancen der Asylsuchenden aus.
»Die AnkER-Zentren entrechten und isolieren die Menschen. Das zermürbt die Schutzsuchenden, besonders Kinder. Drei Jahre nach Öffnung der ersten AnkER-Zentren fällt die Bilanz düster aus: Das Konzept ist gescheitert – die Zentren gewährleisten keine fairen Asylverfahren. Zu einem fairen Asylverfahren gehört, für die gesamte Verfahrensdauer eine behördenunabhängige Beratung zu gewähren, die die Schutzsuchenden auch bis zu den Gerichten begleitet. Nur so können behördliche Fehlentscheidungen effektiv korrigiert werden. Zeitdruck, Stress und zu wenig Beratung führen dazu, dass besonders vulnerable Gruppen wie Kinder und Frauen ihre individuellen Geschichten und Leidenswege oft verschweigen. Doch EU- und Völkerrecht garantieren gerade vulnerablen Personen besondere Verfahrensrechte und sozialrechtliche Ansprüche – die aber in den AnkER-Zentren oft nicht beachtet werden«, sagte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL.
Wir erwarten von der neuen Bundesregierung, dass sie die Kinderrechte ernst nimmt und den Aufenthalt in Aufnahmeeinrichtungen auf wenige Wochen verkürzt, so dass die Familien und Kinder schnell auf die Kommunen verteilt werden können. »Die künftige Bundesregierung hat die Möglichkeit, ein Aufnahmesystem zu bilden, das die Rechte flüchtender Menschen in den Mittelpunkt stellt. Die Ereignisse in Afghanistan haben in den letzten Wochen nochmal deutlich gemacht, warum Menschen fliehen und dass sie sichere Orte brauchen – und nicht Isolation und Ausgrenzung«, so Birte Kötter.
»Um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen, organisieren wir um den Weltkindertag am 20. September die bildstarke Aktion #keinortfuerkinder, mit der wir eine Woche vor der Bundestagswahl in zahlreichen Städten Deutschlands auf die untragbare Situation in AnkER-Zentren und Aufnahmeeinrichtungen aufmerksam machen.«
Eine 2020 von terre des hommes beauftragte Recherche zur Situation in AnkER-Zentren in Baden-Württemberg, Brandenburg und Sachsen kam zu dem eindeutigen Ergebnis, dass Aufnahmeeinrichtungen und AnkER-Zentren für Kinder nicht geeignet sind. Die Corona-Pandemie verschärft die ohnehin prekäre Situation zusätzlich; an Orten ohne ausreichenden Platz und Raum sind Abstandhalten und erforderliche Hygienemaßnahmen kaum möglich.
Weil die Einrichtungen oft abgelegen sind und der Zugang restriktiv gehandhabt wird, ist es für unabhängige Organisationen nahezu unmöglich, die Asylsuchenden zu unterstützen. Damit wird die Art der Unterbringung auch entscheidend für die Fairness des Asylverfahrens insgesamt. Teil des AnkER-Konzeptes ist eine verkürzte Zeit zwischen Ankunft und der Anhörung im Asylverfahren. Damit Menschen über erlittene Verfolgung, Gewalt und Demütigungen sprechen können, braucht es jedoch Zeit, Vertrauensaufbau und unabhängige Beratung vor der Anhörung.
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