Über 20 Millionen Erwachsene in Deutschland haben Bluthochdruck. Doch der ist nicht allein Männersache. So leiden fast 55 Prozent der Seniorinnen in Deutschland an hohem Blutdruck; das ist mehr als die Hälfte der 60- bis 69-jährigen Frauen (1). Das Problem: Sie werden oft schlechter behandelt als Männer. So sind ihre Blutdruckwerte nicht optimal eingestellt. Nicht immer erhalten sie die in den Leitlinien empfohlenen Medikamente. Eine große Gefahr. „Denn ein nicht ausreichend behandelter Bluthochdruck ist eines der gefährlichsten Risiken für Schlaganfall, Herzinfarkt und andere schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, erklärt Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Dazu kommt: Eine 2017 publizierte Studie US-amerikanischer Wissenschaftler stellte fest, dass das Risiko für Frauen, eine schwere Herz-Kreislauf-Erkrankung wie beispielsweise die Koronare Herzkrankheit oder einen Herzinfarkt zu erleiden, für jede Erhöhung des oberen (systolischen) Blutdruckwertes um zehn Millimeter-Quecksilbersäule (mmHg) höher ist als bei Männern mit dem gleichen Blutdruckanstieg (2). Die Deutsche Herzstiftung informiert über Bluthochdruck bei Frauen und viele weitere Themen zum Bluthochdruck im Rahmen der bundesweiten Herzwochen „Herz unter Druck“ unter www.herzstiftung.de/herzwochen2021
Fehlendes Wissen zur geschlechtsspezifischen Therapie
Kurz zur Erklärung: Der Blutdruck gilt als erhöht, wenn er dauerhaft über 140/90 mmHg liegt. Bluthochdruck macht sich häufig nicht durch Symptome bemerkbar. Das Tückische ist: Man bemerkt ihn nicht. Die gute Nachricht, zumindest für Frauen: Sie wissen eher von ihrer Erkrankung, weil sie schlichtweg häufiger zum Arzt gehen als Männer. Aber warum werden sie dennoch schlechter behandelt? „Es gibt noch viele unbeantwortete Fragen zu den Geschlechtsunterschieden bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und auch beim Bluthochdruck“, sagt Dr. med. Christa M. Bongarth, Ärztliche Direktorin und Chefärztin der Abteilung für Kardiologie in der Klinik Höhenried, Rehabilitationszentrum am Starnberger See. In der US-amerikanischen SPRINT-Studie (Systolic blood pressure intervention trial) waren nur 36 Prozent Frauen eingeschlossen; außerdem wurden sie zu kurz nachbeobachtet. „Die in den amerikanischen Leitlinien festgelegten Grenzwerte für Diagnose und Therapie von Bluthochdruck, die unter anderem auf dieser Studie basieren, sind aber für beide Geschlechter gleich“, betont die Ärztin im aktuellen Herzstiftungs-Ratgeber „Bluthochdruck: Herz und Gefäße schützen“. „Deswegen sind die Erkenntnisse zur geschlechtsspezifischen Therapie des Bluthochdrucks immer noch recht bescheiden.“ Infos zum Thema Frauenherzen auch unter www.herzstiftung.de/schlagen-frauenherzen-anders
Mehr als 50 Prozent der Frauen hat nach den Wechseljahren Bluthochdruck
Was Experten wissen: Wenn Frauen in die Wechseljahre kommen, verdoppelt sich ihr Risiko, einen Bluthochdruck zu entwickeln. „Mehr als die Hälfte der Frauen erkrankt in den ersten Jahren nach der Menopause an Bluthochdruck“, erklärt Dr. Bongarth. In den Wechseljahren sinkt der Östrogenspiegel im Blut. Das weibliche Geschlechtshormon sorgt dafür, dass die Gefäße elastisch bleiben, wirkt blutdrucksenkend und schützt vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei vielen Frauen in und nach den Wechseljahren sind Übergewicht, Ängste und Schlafstörungen weitere Risiken dafür, Bluthochdruck zu entwickeln.
Hoher Blutdruck in der Schwangerschaft überträgt sich auf Töchter
Doch auch junge Frauen sind nicht vor einem Bluthochdruck gefeit. So entwickeln fünf bis zehn Prozent der Schwangeren im Laufe der Schwangerschaft einen Bluthochdruck. Hauptgrund von schweren Erkrankungen und Sterblichkeit sowohl der Mutter als auch des ungeborenen und neugeborenen Kindes. In einer 2020 in der Zeitschrift „Hypertension“ veröffentlichten Studie des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (3) haben Wissenschaftler Hinweise darauf gefunden, dass sich ein erhöhter Blutdruck in der Schwangerschaft insbesondere auf den weiblichen Nachwuchs überträgt. So zeigte sich bei Frauen, die in der Schwangerschaft Bluthochdruck hatten, dass deren Töchter im Alter von fünf Jahren ebenfalls erhöhte obere Blutdruckwerte aufwiesen. An der Studie nahmen jeweils mehr als 2.000 schwangere Frauen und Kinder teil.
„Die Pille“ kann hohe Blutdruckwerte zur Folge haben
Frauen, die zur Verhütung „die Pille“ einnehmen, die eine Kombination von Östrogen und Progesteron, enthält, können einen Bluthochdruck entwickeln. Progesteron ist das in den Eierstöcken gebildete Gelbkörperhormon, das vor allem den Menstruationszyklus, die Schwangerschaft sowie die Entwicklung des Embryos regelt. „Ungefähr fünf Prozent der Frauen, die ein solches Kombinationspräparat einnehmen reagieren mit einem bedeutsamen Blutdruckanstieg“, sagt Dr. Bongarth. „Frauen, die die Pille einnehmen und außerdem übergewichtig sind tragen ein zwei- bis dreifach hohes Risiko für Bluthochdruck.“ Alles in allem das Fazit der Chefärztin für Kardiologie in der Klinik Höhenried: „Wir benötigen weitere klinische Forschung, um Geschlechterunterschiede hinsichtlich Entstehung, Verlauf und Therapie des Bluthochdruckes verstehen und Frauen genauso gut wie Männer behandeln zu können.“ (weg)
Achten Sie auf Ihren Blutdruck – Dr. Christa M. Bongarth rät Frauen:
- In den Wechseljahren sollten Sie regelmäßig den Blutdruck vom Arzt kontrollieren lassen oder selbst messen.
- Achten Sie insbesondere im mittleren Lebensalter auf ein normales Körpergewicht; seien Sie körperlich aktiv, essen Sie salzarm und gesund mit viel Obst, Gemüse und wenig Fleisch, Fett und Zucker. Verzichten Sie auf Alkohol und Zigaretten.
- In der Menopause kann eine Hormonersatztherapie den Blutdruck positiv beeinflussen. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über seine Empfehlung.
- Im Falle einer Schwangerschaft sollten Sie, wenn Sie Bluthochdruck haben oder gefährdet sind, einen zu entwickeln, engmaschig Ihren Arzt aufsuchen und sich je nach Höhe des Blutdruckes medikamentös behandeln lassen.
- Der Bluthochdruck während der Schwangerschaft kann ohne Komplikationen bleiben – es kann aber auch zu einer gefährlichen Präeklampsie kommen. Davon betroffen sind vor allem Erstgebärende, Vielgebärende und Frauen mit Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Nierenerkrankungen, vorbestehendem Bluthochdruck und dem sog. Antiphospholipidsyndrom (APS), einer Erkrankung, bei der die Blutgerinnung gestört ist. Deswegen: Gehören Sie zu den genannten Fällen, lassen Sie sich engmaschig von Ihrem Arzt betreuen.
- Hatten Sie in der zurückliegenden Schwangerschaft Bluthochdruck oder sogar eine Präeklampsie, sollten Sie auf einen gesunden Lebensstil achten und sich mindestens einmal im Jahr vom Hausarzt untersuchen lassen.
- Bedenken Sie: Einige Bluthochdruckmedikamente wie etwa ACE-Hemmer oder Sartane dürfen in der Schwangerschaft nicht eingenommen werden.
- Haben Sie bereits erhöhten Blutdruck, leiden an Übergewicht und rauchen, sollten Sie nicht „die Pille“ nehmen, sondern eine andere Verhütungsmethode verwenden.
Herzstiftungs-Ratgeber zum Thema Bluthochdruck – die stille Gefahr
Zu den vielfältigen Herzwochen-Angeboten zählt die Broschüre „Bluthochdruck: Herz und Gefäße schützen“, in der renommierte Bluthochdruckexperten laienverständlich über Ursachen, Diagnose und Therapie des Bluthochdrucks informieren. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Prävention. Die 130 Seiten umfassende Broschüre kann bei der Herzstiftung kostenfrei unter www.herzstiftung.de/bestellung oder per Mail unter bestellung@herzstiftung.de oder Tel. 069 955128-400 angefordert werden
Literatur:
(1) https://www.aok-bv.de/presse/medienservice/ratgeber/index_19158.html
(2) Wei YC et al. Assessing sex differences in the risk of cardiovascular disease and mortality per increment in systolic blood pressure: a systematic review and meta-analysis of follow-up studies in the United States. PLoS One 2017; 12:e0170218.
(3) Birukov A. et al. (2020): Blood Pressure and Angiogenic Markers in Pregnancy. doi.org/10.1161/HYPERTENSIONAHA.119.13966
Die Herzwochen unter dem Motto „Herz unter Druck“ richten sich an alle, denn jeder kann – auch bereits im Kindesalter – von Bluthochdruck und den daraus schwerwiegenden Folgen betroffen sein. An der Aufklärungskampagne beteiligen sich Kliniken, niedergelassene Kardiologen, Krankenkassen und Betriebe. Infos zu Vortragsveranstaltungen, Online-Beiträgen, Telefonaktionen und Ratgeber-Angebote (Text, Video, Audio) sind unter www.herzstiftung.de/herzwochen2021 abrufbar oder per Tel. 069 955128-333 zu erfragen.
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