Bereits im April 2020 wollte das Stadtmuseum Berlin Klaus Vogelsang zu seinem 75. Geburtstag als einen der wichtigsten Berliner Vertreter des Kritischen Realismus würdigen – einer Kunstrichtung, die ab den 1960er Jahren wie keine andere den Zeitgeist ihrer Epoche widerspiegelte. Corona-bedingt musste dieser Termin leider entfallen. Nun wurde er in feierlichem Rahmen nachgeholt.
„Wir freuen uns sehr, künstlerische Zeugnisse des Kritischen Realismus für die Sammlung des Stadtmuseums Berlin zu erhalten“, so Paul Spies, Direktor des Stadtmuseums Berlin.
Der 1945 in Radebeul geborene und im westfälischen Gronau aufgewachsene Klaus Vogelgesang kam als Zwanzigjähriger 1965 zum Studium nach West-Berlin. Durch die Mauer geteilt und von den Entwicklungen in Ost- wie Westdeutschland abgeschnitten, herrschte hier aufgrund der Insellage innerhalb der Bevölkerung zugleich eine Atmosphäre der Nähe als auch der Distanz. Schon während seines Grafikstudiums spürte Klaus Vogelgesang in seinen Darstellungen von Menschen in der Großstadt mit dem Zeichenstift dieser Atmosphäre nach. Mittels Collagen, in denen er Partien mit diffizilen Schattierungen malerisch ausführte, während er zeichnerische Konturen nur andeutete, thematisierte er Charaktere der Konsumgesellschaft, aber auch die alltäglichen Frustrationen des Zusammenlebens in der Mauerstadt. Diesem Lebensgefühl der 1960er Jahre entsprach eine neue Kunstrichtung, die sich in den USA und in Europa als „Kritischer Realismus“ etablierte. Mit ihren Inhalten ist diese Richtung deutlich ein Kind ihrer Zeit. Im „Kritischen Realismus“ spiegeln sich beispielsweise Themen der „Studentenrevolte“, der Frauenbewegung und der Öko- und Anti-Atomkraft-Bewegung wider. Als politisch informierter und bewusster Zeitzeuge kommentierte Klaus Vogelgesang die deutsche Nachkriegsgesellschaft in seinen spöttisch-aggressiven Zeichnungen. Zusammen mit anderen Künstlern wie Johannes Grützke, Peter Sorge, Klaus Staeck und Wolf Vostell gehört er zu den Hauptvertretern des Kritischen Realismus, der längere Zeit das Synonym für Kunst aus West-Berlin war. Dazu können auch die von Vogelgesang 1974 geschaffenen Illustrationen zu Heinrich Bölls Roman „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ gezählt werden.
Ab Mitte der 1970er Jahre wurden Vogelgesangs Zeichnungen großformatiger, fast scheint es, als hätten ihn die Eindrücke überrollt, hätte das Erlebte mehr Raum gebraucht. Arbeiten wie An der Mauer (1977), Großstadt (1977) und Ein Männlein steht im Walde (1979) sind in dieser Zeit entstanden. Was in Vogelgesangs Anfängen als visualisierte Auseinandersetzung mit den gesellschaftspolitischen Verhältnissen in Deutschland als „Kritischer Realismus“ begonnen hatte, näherte sich nun seinem thematischen Ende. Er selbst bezeichnete seine Arbeiten nach 1985 als Neuanfang, in dem er nun in seinen Bildern stärker abstrahierte und Farbe als neues Element einführte. Dies wirkte sich auch auf seine Technik aus. Zur reinen Zeichnung traten nun Aquarell-, Acrylfarbe und Kreide. Von 1993 bis 2010 war er als Professor für Zeichnung an der Akademie für Bildende Künste an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz tätig. Heute lebt Klaus Vogelgesang wieder als freischaffender Künstler in Berlin.
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