Steuerliche Änderungen für Landwirte ab 2022

Nach der Bundestagswahl befinden sich die Parteien in der Regierungsbildung. Deswegen gibt es in Wahljahren kein Jahressteuergesetz. Trotzdem hält das Steuerrecht für Land- und Forstwirte auch im Jahr 2022 einige Neuregelungen bereit.

Neuerungen bei der Umsatzsteuerpauschalierung

Für pauschalierende Land- und Forstwirte ist die wohl wichtigste steuerliche Neuregelung im Jahr 2022 die Einführung einer Gesamtumsatzgrenze. Nur wenn die Umsätze im Vorjahr 600.000 Euro nicht überschritten haben, dürfen sie ihre Umsätze noch pauschal versteuern (§ 24 UStG). Zum Gesamtumsatz zählen nicht nur die Verkäufe von Produkten aus dem Landwirtschaftsbetrieb und landwirtschaftliche Dienstleistungen, sondern auch alle regelbesteuerten Umsätze des Land- und Forstwirts, die im Rahmen eines daneben bestehenden Betriebs – beispielsweise einer Photovoltaikanlage – erzielt werden.

Darüber hinaus liegt ein Gesetzesentwurf vor, mit dem der pauschale Steuersatz von derzeit 10,7 Prozent auf 9,5 Prozent abgesenkt werden soll. Pauschalierer dürfen ihren Kunden also zukünftig voraussichtlich deutlich weniger Umsatzsteuer in Rechnung stellen. Hierdurch erhalten sie einen geringeren Ersatz für ihren fehlenden Vorsteuerabzug. Fachleute erwarten, dass der Gesetzgeber den pauschalen Steuersatz nun häufiger anpassen wird.

Land- und Forstwirte müssen also ihre Finanzplanung überarbeiten. Dabei sollten sie ermitteln, ob sie die Gesamtumsatzgrenze einhalten werden. Notfalls können sie größere Verkäufe (beispielsweise von Maschinen) in das nächste Jahr verlagern. Optimalerweise spielen sie auch unter Heranziehung ihrer aktuellen Umsätze und Eingangsleistungen verschiedene Szenarien durch, wie sich Steuersatzanpassungen in den Folgejahren auf ihren Betrieb auswirken würden.

Wie auch bereits vor der Einführung der Umsatzgrenze gilt zudem: bei Investitionsmaßnahmen lohnt sich häufiger auch die Option zur Regelbesteuerung. Wichtig ist dabei, dass Land- und Forstwirte diese dem Finanzamt gegenüber spätestens bis zum 10. Tag des Folgejahres bekanntgeben müssen.

Grundsteuer-Feststellungserklärung

Der Gesetzgeber musste die Grundstücksbewertung für Zwecke der Grundsteuer komplett neu regeln. Der 01. Januar 2022 ist nun der Hauptfeststellungszeitpunkt für die neuen Grundsteuerwerte. Alle Grundstücksbesitzer müssen nächstes Jahr für ihre Grundstücke Feststellungserklärungen ausfüllen. Dafür haben sie nur vier Monate Zeit (01.07.2022 – 31.10.2022). Die Grundsteuer selbst ändert sich erst ab 01. Januar 2025. Bis dahin müssen die Finanzämter aber für alle grundsteuerbelasteten Grundstücke in Deutschland neue Werte festgestellt und an die Städte und Gemeinden weitergeleitet haben.

Insbesondere für Land- und Forstwirte bedeutet dies nächstes Jahr einen erheblichen Aufwand, Die Finanzverwaltung will Fristverlängerungen trotzdem nur im gut begründeten Einzelfall gewähren. Ob sie den Hinweis auf die saisonalen Arbeitsspitzen im Sommer gelten lässt, ist noch nicht absehbar.

In diesem Zusammenhang sollten Grundstücksbesitzer, die sich von einem Steuerberater beraten lassen, beachten, dass das Finanzamt die Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung möglicherweise nicht wie gewohnt direkt an die Steuerkanzlei schickt. Grund dafür ist, dass die Bewertungsstellen auf die Standardvollmachten in der elektronischen Vollmachtendatenbank nicht zugreifen können.

Tarifermäßigung

Im Jahr 2022 erhalten Land- und Forstwirte voraussichtlich zum letzten Mal die Tarifermäßigung (§ 32c EStG). Denn der Gesetzgeber hat bei Einführung der Begünstigungsregelung bereits festgelegt, dass der letzte Begünstigungszeitraum die Jahre 2020 bis 2022 erfassen soll. Die Tarifermäßigung wirkt sich aber erst dann aus, wenn Land- und Forstwirte ihre Steuererklärung für das Jahr 2022 abgeben. Denn erst im Einkommensteuerbescheid für den letzten Betrachtungszeitraum wird eine Tarifermäßigung auf die Einkommensteuer angerechnet.

Erhöhung von Freibeträgen

Um die „kalte Progression“ auszugleichen – also die relativ steigende Durchschnittssteuerbelastung durch die Inflation bei gleichbleibendem Gehalt – erhöht der Gesetzgeber den Grundfreibetrag für die Einkommensteuer ab dem Jahr 2022 auf 9.984 Euro (bei Zusammenveranlagung 19.488 Euro).

Gleichermaßen erhöht sich auch der Unterhaltshöchstbetrag auf 9.984. Diese dürfen Steuerpflichtige steuermindernd geltend machen, wenn sie beispielsweise erwachsene Kinder finanziell unterstützen, für die sie keinen Kindergeldanspruch mehr haben.

Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wurde als steuerliche Corona-Hilfsmaßnahme ursprünglich befristet für die Jahre 2020 und 2021 auf 4.008 Euro angehoben. Die Erhöhung gilt ab dem Jahr 2022 zukünftig unbefristet weiter fort.

Kfz

Die private Nutzung eines betrieblichen Kfz versteuern Unternehmer meist nach der 1-Prozent-Regelung. Ausgangswert für die Versteuerung ist der Bruttolistenpreis des Fahrzeugs. Zur Förderung der Elektromobilität ermäßigt der Gesetzgeber diese Bemessungsgrundlage auf die Hälfte oder sogar auf ein Viertel. Die gleiche Regelung gilt auch für die Versteuerung der Pkw-Überlassung an Arbeitnehmer. Stellt der Arbeitgeber diesen ein E-Auto oder ein Hybrid-Auto zur Verfügung, müssen die Arbeitnehmer weniger Lohnsteuer zahlen als bei der Überlassung eines Autos mit Verbrennungsmotor.

Ab 01. Januar 2022 werden die Vorgaben für Hybrid-Autos strenger. Sie müssen dann einen CO2-Emmission von maximal 50 g je gefahrenem Kilometer oder eine Mindestreichweite des Elektromotors von 60 Kilometern aufweisen, damit der Bruttolistenpreis weiterhin nur zur Hälfte angesetzt wird – es also effektiv bei der 0,5-Prozent-Regelung bleibt.

Steuerfreie Sachbezüge für Mitarbeiter

Arbeitgeber dürfen ihren Mitarbeitern ab dem 01.01.2022 nun bis zu 50 Euro monatlich als steuerfreie Sachbezüge gewähren (vorher 44 Euro). Eine einfache und praktikable Art, den Mitarbeitern den Sachbezug zukommen zu lassen, sind Gutscheinkarten. Bei diesen ist die Finanzverwaltung jedoch deutlich strenger geworden. Zukünftig erfasst die Steuerbefreiung nur noch Gutscheinkarten, die sich nicht als Geldersatz nutzen lassen. Begünstigt sind hingegen weiterhin Gutscheinkarten, die sich gegen Waren oder Dienstleitungen bei einem begrenzten Kreis von Akzeptanzstellen eintauschen lassen.

Die meisten Anbieter von Gutscheinkarten haben ihre Angebote bereits an die geänderten Bedingungen angepasst. Sicherheitshalber sollten Arbeitgeber sich trotzdem rückversichern, dass ihr Anbieter die steuerlichen Neuregelungen entsprechend berücksichtigt.

Mindestlohn

Der gesetzliche Mindestlohn steigt auch im Jahr 2022 weiter an. Im ersten Halbjahr beträgt er 9,82 Euro. Zum 01.07.2022 erhöht er sich nochmals, auf dann 10,45 Euro. Nächstes Jahr wird die Mindestlohnkommission zudem wieder eine Empfehlung für den Mindestlohn in den kommenden zwei Jahre abgeben.

Kurzfristige Beschäftigung

Zwar unterliegen kurzfristig Beschäftigte eigentlich nicht der Sozialversicherungspflicht. Allerdings müssen sie trotzdem über eine Absicherung im Krankheitsfall verfügen. Arbeitgeber sind deshalb ab 2022 dazu verpflichtet, bei der Minijob-Zentrale die Art der Krankenversicherung ihrer kurzfristig Beschäftigten zu melden. Eine weitere Neuerung ist, dass Arbeitnehmer ab 2022 eine Rückmeldung der Minijob-Zentrale erhalten sollen, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Anmeldung bereits für weitere kurzfristige Beschäftigungen angemeldet ist.

Zinssatz für Steuernachforderungen und Steuererstattungen

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss v. 08.07.2021 entschieden, dass der Zinssatz für Steuernachforderungen und Steuererstattungen in Höhe von sechs Prozent pro Jahr verfassungswidrig ist und die Finanzverwaltung ihn ab dem Jahr 2019 nicht mehr anwenden darf. Für eine Neuregelung hat der Gesetzgeber bis zum 31.07.2022 Zeit. Über die Höhe des neuen Zinssatzes kann aktuell allerdings nur spekuliert werden.

Ausblick: Diese anhängigen Gerichtsverfahren sind für Land- und Forstwirte interessant

Vor dem Bundesfinanzhof (BFH) werden in nächster Zeit einige Verfahren verhandelt, deren Ausgang Land- und Forstwirte im Blick behalten sollten. Beispielsweise muss das Gericht entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Wohnungsvermieter für die Energieversorger ihrer Mieter ein Recht auf Vorsteuerabzug haben (Az. V R 15/21).

In eine ähnliche Richtung gehen auch zwei weitere Verfahren zu Fragen rund um die Wärmeabgabe von BHKW. Dabei werden die Richter unter anderem auch entscheiden, nach welcher Methode Anlagenbetreiber die Strom- und Wärmepreise für Zwecke einer Aufteilung ermitteln müssen (Az. V R 45/20 und V R 38/20).

Für gewerbliche Pferdehalter könnte es eine Antwort auf die Frage geben, ob Verluste aus der Pferdehaltung einer Verlustabzugsbeschränkung für gewerbliche Tierhaltung (§ 15 Abs. 4 S. 1 EStG) unterliegen (Az. XI R 33/20).

Ob die Verpachtung eines Putenmaststalls zusammen mit den darin eingebauten Betriebsvorrichtungen ganz, teilweise oder gar nicht steuerpflichtig ist, will der BFH vom EuGH wissen. Deshalb hat er in einem laufenden Verfahren dem EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt (Az. V R 22/20).

Besonders wichtig für Waldbesitzer, deren Wald nicht im Zuständigkeitsbereich ihres Einkommensteuerfinanzamts liegt, ist der Ausgang eines Verfahrens zur Gewährung der Tarifermäßigung für Kalamitätsholz (Az. VI R 12/21).

Ernst Gossert, Steuerberater bei Ecovis in München

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