Psychische Belastung von Jugendlichen und Kindern weiterhin hoch – aber leicht rückläufig

Trotz geöffneter Schulen und zugänglicher Freizeitangebote ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die sich durch die Corona-Pandemie psychisch belastet fühlen, weiterhin hoch. Zwar haben sich das psychische Wohlbefinden und die Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen leicht verbessert, jedoch leiden noch immer mehr Kinder und Jugendliche unter psychischen Auffälligkeiten als vor der Pandemie. Erneut sind vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien besonders betroffen. Das ist das Ergebnis der dritten Befragungsrunde der COPSY-Studie (Corona und Psyche) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Die COPSY-Studie ist die erste bevölkerungsbasierte Längsschnittstudie bundesweit und gehört auch international zu den wenigen Längsschnittstudien.

„Nach einer langen Phase der Belastung zu Beginn der Pandemie haben sich die Lebensqualität und das psychische Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen im Herbst 2021 leicht verbessert. Die Zahlen sind im Vergleich zu präpandemischen Daten zwar immer noch hoch, wir wissen aber auch, dass nicht alle Kinder, die belastet sind, mit einer Angststörung oder Depression reagieren. Die meisten Kinder und Jugendlichen werden die Krise vermutlich gut überstehen. Das gilt vor allem für jene aus stabilen Familienverhältnissen. Familie ist und bleibt eine der wichtigsten Ressourcen, um gut durch die Pandemie zu kommen. Wir merken in der dritten Befragung aber auch, dass das Ende der strikten Kontaktbeschränkungen, die Öffnung der Schulen sowie der Sport- und Freizeitangebote zum psychischen Wohlbefinden und zur Steigerung der Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen beitragen“, fasst Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer, Leiterin der COPSY-Studie und Forschungsdirektorin der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik des UKE die aktuellen Studienergebnisse zusammen.

Lebensqualität, psychische Auffälligkeiten, Angst und Depression

Zwar hat sich die Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen im Herbst 2021 wieder etwas verbessert, jedoch fühlen sich auch eineinhalb Jahre nach Pandemiebeginn mehr als ein Drittel der Kinder und Jugendlichen in ihrer Lebensqualität eingeschränkt (Abbildung 2).

Auch die psychischen Auffälligkeiten sind leicht zurückgegangen. So wiesen etwas weniger Kinder psychische Auffälligkeiten auf als bei den ersten beiden Befragungen. Es waren aber immer noch etwa zehn Prozentpunkte mehr als vor der Pandemie (Abbildung 3). Konkret sind Ängstlichkeit und depressive Symptome leicht zurückgegangen.

Trotz dieser leichten Verbesserungen fühlen sich immer noch acht von zehn Kindern und Jugendlichen durch die Corona-Pandemie belastet. Das Belastungserleben hatte im Pandemieverlauf zunächst zugenommen und sich nun in der dritten Befragung auf hohem Niveau stabilisiert (Abbildung 1). Dies äußert sich auch darin, dass psychosomatische Stresssymptome wie Gereiztheit, Einschlafprobleme und Niedergeschlagenheit im Vergleich zu vor der Pandemie weiterhin deutlich häufiger auftreten und Kopf- und Bauchschmerzen sogar noch einmal leicht zugenommen haben.

Gesundheitsverhalten

Das Gesundheitsverhalten hat sich im Verlauf der Pandemie wieder etwas verbessert. Etwa jedes fünfte Kind isst zwar noch mehr Süßigkeiten als vor der Pandemie. Dafür ist der Medienkonsum etwas zurückgegangen und die Kinder und Jugendlichen machen wieder mehr Sport als bei den ersten beiden Befragungen.

Familie und Schule

In der dritten Befragung berichten die Kinder und Jugendlichen über weniger Streit in der Familie, über weniger schulische Probleme und ein besseres Verhältnis zu ihren Freund:innen im Vergleich zu den Befragungen davor. Schüler:innen, die sich selbst gut strukturieren und planen können, kommen mit den durch die Pandemie veränderten schulischen Anforderungen besser klar (Abbildungen 4 und 5). Dennoch bleiben Belastungen in Familie und Schule weiterhin deutlich höher als vor der Pandemie. Trotz überwiegend geöffneter Schulen erlebt rund die Hälfte der Kinder und Jugendlichen Schule und Lernen weiterhin als anstrengender im Vergleich zu vor Corona.

Auch der Großteil der Eltern (etwa 80 Prozent) fühlt sich weiterhin durch die Pandemie belastet. Dennoch haben die Eltern signalisiert, den Alltag besser organisiert zu bekommen und geben auch insgesamt weniger depressive Symptome an.

Über die Studie

In der COPSY-Studie untersuchen die UKE-Forschenden die Auswirkungen und Folgen der Corona-Pandemie auf die seelische Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Sie haben dafür nach den Sommerferien von Mitte September bis Mitte Oktober 2021 mehr als 1100 Kinder und Jugendliche und mehr als 1600 Eltern mittels Online-Fragebogen befragt. Fast 75 Prozent der befragten Kinder und Eltern hatten bereits an der ersten Befragung nach dem ersten Lockdown im Mai/Juni 2020 und an der zweiten Befragung während des zweiten Lockdowns im Dezember 2020/Januar2021 teilgenommen. Die 11- bis 17-Jährigen füllten ihre Fragebögen selbst aus. Für die 7- bis 10-Jährigen antworteten die Eltern. Auch dieses Mal bilden die Befragten die Bevölkerungsstruktur von Familien mit Kindern im Alter von 7 und 17 Jahren ab.

Literatur

Ravens-Sieberer, U, Kaman, A et. al. Child and adolescent mental health during the COVID-19 pandemic: Results of the three-wave longitudinal COPSY study. 2022. Preprint.

Link: http://ssrn.com/abstract=4024489

Über Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Das 1889 gegründete Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ist eine der modernsten Kliniken Europas und mit rund 14.100 Mitarbeitenden einer der größten Arbeitgeber in Hamburg. Pro Jahr werden im UKE rund 449.000 Patient:innen versorgt, 88.000 davon stationär und 361.000 ambulant. Zu den Forschungsschwerpunkten des UKE gehören die Neurowissenschaften, die Herz-Kreislauf-Forschung, die Versorgungsforschung, die Onkologie sowie Infektionen und Entzündungen. Über die Medizinische Fakultät bildet das UKE rund 3.400 Mediziner:innen, Zahnmediziner:innen und Hebammen aus.

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