„Brückengipfel darf keine Alibiveranstaltung werden!“

Immer wieder sorgt der kurzfristige Ausfall großer Autobahnbrücken für zum Teil jahrelangen Verkehrskollaps. Mindestens 8.000 Brücken müssen in den nächsten 20 Jahren allein im Zuge von Bundesfernstraßen erneuert werden. Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing hat das Thema jetzt zur Chefsache gemacht und für den 10. März zum Brückengipfel nach Berlin eingeladen. Mit Fachleuten aus Bau- und Ingenieurverbänden, darunter der Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. (BVMB), will Wissing zur Lösung des Brücken-Dilemmas sprechen. „Die Bauwirtschaft ist gerüstet für die anstehenden Aufgaben“, unterstreicht BVMB-Hauptgeschäftsführer Michael Gilka und stellt klare Forderungen an den Brückengipfel: „Das darf nicht nur eine Alibiveranstaltung werden“, so Gilka. Die Politik sei gefordert, insbesondere Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen.

Rund 100.000 Brücken müssen erneuert werden
Die Schlagzeilen häufen sich: Mindestens fünf Jahre lang klafft eine Lücke in der Autobahn A 45, der Sauerlandlinie. In Leverkusen und entlang anderer Hauptverkehrsachsen sind baufällige Brücken gesperrt. Laut der Autobahn GmbH des Bundes muss die Zahl der geplanten Brückenneubauten von 200 auf 400 pro Jahr verdoppelt werden. „Und das ist erst die Spitze des Eisbergs“, kommentiert BVMB-Hauptgeschäftsführer Michael Gilka. „Wir rechnen in den nächsten 20 Jahren mit rund 100.000 zu erneuernden maroden Brücken in Deutschland, davon 70.000 im Bereich der Kommunen“, rechnet er vor. Viele Brücken seien zwischen 50 bis 70 Jahre alt – „und das unter Dauerbelastung“. Insoweit begrüßt die BVMB nach den Worten ihres stellvertretenden Präsidenten Jürgen Faupel, der im Verband für den Straßen- und Ingenieurbau spricht, dass Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing jetzt zu einem Brückengipfel einlädt. „Es wird höchste Zeit, dass das Thema marode Verkehrsinfrastruktur zur Chefsache wird“, so Faupel.

Die Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen geht mit klaren Forderungen an den Minister und die Politik in den Brückengipfel: „Grundvoraussetzung für den Abbau des Sanierungsstaus ist, dass die Autobahn GmbH mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattet wird. Der Abschluss einer nachhaltigen finanziellen Vereinbarung zwischen Bund und Autobahn GmbH ist hierzu erforderlich. Ziele müssen eine überjährige vertraglich verstetigte Finanzierung der Erhaltungsinvestitionen und eine Entkopplung der Mittel von den konjunkturellen Schwankungen öffentlicher Haushalte sein. Dies insbesondere unter Berücksichtigung der Preissteigerungen für Bauleistungen und Verteuerungen bei Baumaterialien, die sich aufgrund des aktuellen Konflikts in der Ukraine weiter verschärfen werden“, so Gilka, Sonderbauprogramme müssten auf mindestens zwei Jahrzehnte ausgerichtet, angepasst und teilweise neu aufgesetzt werden.

„Bauverwaltungen sind derzeit noch nicht leistungsfähig genug“
„Eine Priorisierung der kritischen Maßnahmen ist dringend erforderlich. Es muss klar sein, wann wo und wie viele Brücken gebaut werden“, unterstreicht Faupel. Transparenz müsse dabei an erster Stelle stehen: „Die Bauwirtschaft braucht Planungssicherheit, wenn sie ihre Kapazitäten weiter kontinuierlich erhöhen soll“, erklärt Faupel. Darüber hinaus müsse die Politik dringend Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigen. „Langwierige Planungs- und Genehmigungsprozesse stellen nach wie vor das größte Hindernis dar. Deswegen besteht sofortiger Handlungsbedarf auf Seiten des Gesetzgebers, für Rechtssicherheit bei der Beschleunigung von Infrastrukturvorhaben zu sorgen“, fordert die BVMB.

Ausreichende Kapazitäten und Ressourcen sowie Fortschritte bei der Digitalisierung seien darüber hinaus in den zuständigen Behörden unabdingbar, um eine Beschleunigung in den einzelnen Prozessschritten vom Rückbau bis zum Neubau einer Brücke sicherzustellen. „Die Bauverwaltungen sind derzeit unserer Auffassung nach noch nicht leistungsfähig genug, um die gigantischen Herausforderungen beim Brückenbau bewältigen zu können. Umgehend müssen wieder Schubladenplanungen vorgenommen werden – dies erfordert zudem dringende weitere finanzielle Mittel. Ein Bestand fertiger und genehmigter Planungen auf Vorrat ist dringend erforderlich“, betont die BVMB.

Bauwirtschaft bietet seit Jahren Hilfe beim Abbau des Sanierungsstaus an
Beschleunigungsbedarf sieht der Verband auch bei den rechtlichen Rahmenbedingungen. Damit Ersatzneubauten schnell realisiert werden können, müsse ausnahmslos auf eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung verzichtet werden. „Das bringt bis zu eineinhalb Jahre Zeitgewinn pro Brücke“, rechnet Michael Gilka vor. „Artenschutz muss auch für den Menschen gelten“ bringt er es auf den Punkt. Auch die Auftragsvergabe müsse für diese Projekte vereinfacht werden: „Betrachtet man die Zustände der Brücken in Deutschland, handelt es sich um einen Notstand von enormem Ausmaß, vor dem wir seit Jahren gewarnt haben und dessen Beseitigung von nationalem Interesse sein muss.“ Das Vergaberecht müsse so angepasst werden, dass auch innovative Bauweisen verstärkt eingesetzt werden können. Dazu gehört, dass auch unter Berücksichtigung einer fairen Risikoverteilung, z. B. des Baugrunds, funktionale Ausschreibungen zur Anwendung kommen. Auch das Instrument des Maßnahmengesetzes müsse bei verkehrlichen Notsituationen und besonderer Dringlichkeit genutzt werden können.

Der Bund und die Autobahn GmbH stünden bei der Aufgabe nicht allein auf weiter Flur, wie Gilka für die BVMB unterstreicht: „Bereits seit vielen Jahren signalisieren wir die Bereitschaft zur Unterstützung beim Abbau des Sanierungsstaus gegenüber Auftraggebern, Verwaltung und Politik. Wir verfügen über die erforderlichen Kapazitäten und das Know-how, um die anstehenden Bauaufgaben zu bewältigen – jetzt ist die Politik gefordert, die entsprechenden Rahmenbedingungen zur zügigen Umsetzung zu schaffen.“

„Nach der Wiedervereinigung 1990 hat die Politik in Deutschland bewiesen, dass sie in der Lage ist, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um eine marode Verkehrsinfrastruktur – wie sie in Ostdeutschland damals vorgefunden wurde – in kürzester Zeit zu sanieren, modernisieren und auszubauen. Dafür ist Deutschland weltweit bewundert worden. Diesen Willen muss die Politik auch jetzt aufbringen und die notwendigen Entscheidungen treffen, wenn sie die Brückenproblematik in Deutschland lösen will“, fordert Jürgen Faupel.

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