Energiepreiskrise und mögliches Embargo – wie die EU den sozialen Ausgleich schaffen kann

Eine einheitliche Haltung der EU zu Russland wird durch große Unterschiede in der Abhängigkeit von dessen fossilen Brennstoffen erschwert. Schon die Energiepreiskrise nach drei Monaten Ukraine-Krieg bedeutet für private Haushalte in Ungarn, Rumänien, Italien und Tschechien im Durchschnitt unmittelbare Mehrkosten von mehr als 25 Prozent ihrer vorherigen Gesamtausgaben – in Deutschland sind es 20 Prozent, und am wenigsten sind es mit rund 10 Prozent in Dänemark, Schweden und Frankreich. Die genauen Kosten, absehbare Folgen eines Embargos sowie die Wirkung eines sozialen Ausgleichs durch die Politik beleuchtet jetzt ein Arbeitspapier des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change). Die Studie ist auf der MCC-Website abrufbar.

Wie sich Energiepreis-Anstiege auswirken und wie das sozial ausbalanciert werden kann, ist ein wichtiger Teil der Forschung zu Klimapolitik am MCC und in der aktuellen Krise zusätzlich relevant. Bereits drei Wochen nach Kriegsbeginn hatte das Institut eine entsprechende Analyse für Deutschland vorgelegt. Die neue Analyse für Europa stützt sich auf empirische Haushaltsdaten des EU-Statistikbüros Eurostat für 24 der 27 EU-Länder und auf ein multiregionales Input-Output-Modell mit 65 Sektoren, das die Wertschöpfungsketten und damit auch die indirekten Belastungen für Haushalte abbildet.

„Es zeigt sich, dass die privaten Haushalte vor allem direkt betroffen sind, über die Kosten für Sprit und Heizen, und dass die indirekten Effekte über höhere Erzeugerpreise anderer Güter relativ gering sind“, berichtet Jan Steckel, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Klimaschutz und Entwicklung und Leitautor der Studie. „Zudem sehen wir, dass die Dramatik vor allem beim Erdgas liegt, weniger beim Öl und so gut wie gar nicht bei der Kohle. Vor allem mit Blick auf die Haushalte, die mit Gas heizen, sollten Maßnahmen zum sozialen Ausgleich auf den Weg gebracht werden, auch auf EU-Ebene. Es gilt zu verhindern, dass die russischen Gaslieferungen zum Hebel werden können, um Europa zu spalten.“

Die Studie beziffert für jedes einzelne Land – und dort wiederum differenziert nach gut und schlecht verdienenden Haushalten –, wie die Energiepreiskrise die diversen Ausgabenposten der privaten Haushalte verteuert. Auf dieser Grundlage und auch in Anbetracht der vorhandenen Finanzmittel macht das Forschungsteam einen pragmatischen Vorschlag: Man könnte auch dann die Akzeptanz für eine einheitliche Linie gegenüber Russland deutlich erhöhen, wenn man den sozialen Ausgleich auf die Gas-Haushalte beschränkt und dort wiederum nur auf die 40 Prozent einkommensschwächsten in jedem Land. Es könnte dann eine Pro-Kopf-Zahlung geben, die die durchschnittliche Mehrbelastung infolge des höheren Gaspreises ausgleicht, gerechnet für jedes einzelne Land für diese ärmeren Gas-Haushalte. Das würde dann beim bisherigen Preisanstieg EU-weit 93 Milliarden Euro im Jahr kosten.

Für ein „Embargo-Szenario“ mit weiter steigenden Preisen beziffert die Studie die Kosten eines solchen sozialen Ausgleichs mit 188 Milliarden Euro. Zur Einordnung: Das EU-Konjunkturpaket „NextGenerationEU“, beschlossen im Jahr 2020 zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, umfasst 809 Milliarden Euro Darlehen und Zuschüsse. Dabei wird in der Studie betont: Der Sozialausgleich wäre nur eine Zwischenlösung auf dem Weg zur Klimawende. Denn je mehr die Politik etwa die Umstellung auf Wärmepumpen und Elektroautos fördert und den Strom-Mix auf Erneuerbare umstellt, desto unabhängiger werden ja die privaten Haushalte von den Preisen fossiler Energien.

„Die hohen unmittelbaren Belastungen für private Haushalte sollten die EU nicht davon abhalten, sich zügig von russischen Energielieferungen zu lösen“, empfiehlt MCC-Forscher Steckel. „Ein Entlastungspaket gegen die Energiepreiskrise kann die wirtschaftlichen Maßnahmen gegen Russland zu Hause sozialpolitisch absichern. Wie schon das Paket gegen die Corona-Folgen kann es entsprechend der Wirtschaftskraft der einzelnen Länder finanziert werden, was auf Transfers innerhalb der Union hinausläuft. Wie man das effizient hinbekommen könnte, dafür bietet unsere Analyse Orientierung.“

Quellenhinweis zur zitierten Studie:

Steckel, J., Missbach, L., Ohlendorf, N., Feindt, S., Kalkuhl, M., 2022, Effects of the energy price crisis on European households. Socio-political challenges and policy options, MCC-Arbeitspapier

www.mcc-berlin.net/Publications/2022_MCC_Effects_of_the_energy_price_crisis_on_European_households.pdf

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Das MCC erforscht und liefert lösungsorientierte Handlungsoptionen für Klimapolitik sowie generell für das Bewirtschaften der globalen Gemeinschaftsgüter – und damit für die Stärkung der vielfältigen Aspekte von menschlichem Wohlergehen. Unsere sieben Arbeitsgruppen forschen zu Themen wie Wirtschaftswachstum und -entwicklung, Ressourcen und Internationaler Handel, Städte und Infrastrukturen, Governance sowie wissenschaftliche Politikberatung. Das MCC ist eine gemeinsame Gründung der Stiftung Mercator und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. | www.mcc-berlin.net | https://twitter.com/MCC_Berlin

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