– Die Energieversorgung bleibt weiter das wichtigste Thema vor dem Ukraine-Krieg
– Massive Unterschiede in den Einstellungen zum Ukraine-Krieg zwischen Ost und West
– Unterschiedliche Auffassungen zur Unterstützung der Ukraine
– Unterschiedliche Einstellungen zum westlichen Militärbündnis
– Unterschiedliche Meinungen zu Energieboykotten
– Wenig Veränderung bei der politischen Stimmung
Die Energieversorgung bleibt weiter das wichtigste Thema vor dem Ukraine-Krieg
In der zweiten Woche in Folge ist die Energieversorgung (68 %) das Thema, das die Bundesbürger noch vor dem Krieg in der Ukraine (61 %) am meisten bewegt. Infolge der Hitzewelle in Europa und den Folgen findet auch das Thema Klima und Umwelt in der aktuellen Woche ein deutlich höheres Interesse (31 %). An vierter Stelle folgt die Corona-Pandemie (16 %).
Massive Unterschiede in den Einstellungen zum Ukraine-Krieg zwischen Ost und West
Dass die Meinungen der Ost- und Westdeutschen in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik alles andere als deckungsgleich sind, ist seit vielen Jahren bekannt und durch viele Umfragen belegt. Dies betrifft etwa die Einstellungen zu Russland und den USA, zu den westlichen Bündnissystemen wie der NATO oder die Haltungen zum außenpolitischen Engagement Deutschlands, insbesondere in Form von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Die Umfragen der vergangenen Monate zum Ukraine-Krieg und seinen Folgen offenbaren allerdings eine Kluft in den Einstellungen zwischen Ost- und Westdeutschen, wie wir sie bislang noch bei kaum einem anderen Thema – auch nicht beim Umgang mit der Corona-Pandemie – beobachtet haben.
Unterschiedliche Auffassungen zur Unterstützung der Ukraine
Weitgehende Einigkeit herrschte und herrscht zwischen Ost- und Westdeutschen zunächst darüber, dass der Ukraine-Krieg eine Zeitenwende markiert und sich die Kriegshandlungen noch länger hinziehen werden. Auch beschäftigt und belastet der Krieg in der Ukraine die Bürger in Ost und West in ähnlichem Maße.
Deutliche Unterschiede zwischen Ost und West zeigen sich dagegen zunächst in der generellen Frage nach dem Ausmaß der Unterstützung der Ukraine durch die Bundesregierung. So sind in Ostdeutschland deutlich mehr Befragte als im Westen des Landes der Meinung, dass die Bundesregierung nicht zu wenig, sondern „zu viel“ unternehme, um die Ukraine zu unterstützen. Während unter den Ostdeutschen im Schnitt der letzten Erhebungen gut ein Drittel die Auffassung vertrat, die Bundesregierung tue zu viel, um die Ukraine zu unterstützen, äußerte in Westdeutschland weniger als ein Fünftel diese Meinung.
Ähnlich groß ist die Diskrepanz zwischen Ost- und Westdeutschen, wenn es um eine mögliche Integration der Ukraine in die westlichen Bündnissysteme geht. Während unter den Westdeutschen seit Februar jeweils eine Mehrheit die Aufnahme der Ukraine in die Europäische Union befürwortet, spricht sich unter den Ostdeutschen nur eine Minderheit für eine künftige Aufnahme des Landes in die EU aus.
Noch deutlicher fallen die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen in der Frage nach einer möglichen Aufnahme der Ukraine in die NATO aus. Während ein möglicher NATO-Beitritt der Ukraine bei knapp der Hälfte der Westdeutschen auf Zustimmung stößt, befürwortet unter den Ostdeutschen nur ein knappes Drittel eine mögliche NATO-Mitgliedschaft der Ukraine – eine Mehrheit der Ostdeutschen lehnt sie hingegen ab.
Die mit Abstand größten Unterschiede zeigen sich zwischen Ost und West in der Frage der Waffenlieferungen. Während eine mehr oder weniger große Mehrheit der Westdeutschen (zwischen 54 und 61 Prozent) in allen Befragungen seit Anfang Mai die Lieferung schwerer Waffen durch Deutschland befürwortet, unterstützt nur eine Minderheit der Ostdeutschen die von der Bundesregierung beschlossene Lieferung solcher Waffen an die Ukraine. Während die Differenz zwischen denjenigen, die das generelle Engagement Deutschlands für die Ukraine für übertrieben halten, zwischen Ost und West im Mittel bereits bei 16 Prozentpunkten liegt, beträgt der Abstand in der Frage der Waffenlieferungen zwischen den Befürwortern in Ost und West im Mittel sogar 26 Prozentpunkte.
Unterschiedliche Einstellungen zum westlichen Militärbündnis
Eine deutliche Kluft zwischen Ost und West zeigt sich auch im Hinblick auf die Rolle der NATO gegenüber Russland und den atomaren „Schutzschirm“ in Europa. Während 73 Prozent der Westdeutschen es richtig finden, dass die NATO künftig dauerhaft mehr Soldaten an ihrer Ostgrenze – vornehmlich im Baltikum – stationieren will, befürworten dies unter den Ostdeutschen nur 55 Prozent (ein Unterschied von 18 Prozentpunkten).
Ähnlich groß sind die Unterschiede in den Meinungen zwischen Ost und West auch in der Frage, ob die noch in Deutschland stationierten Atomwaffen der USA weiterhin im Land verbleiben sollten. Während 53 Prozent der Westdeutschen einen Verbleib der amerikanischen Atomwaffen in Deutschland befürworten, sprechen sich nur 36 Prozent der Ostdeutschen dafür aus. 59 Prozent der Ostdeutschen (gegenüber 41 Prozent der Westdeutschen) lehnen eine weitere Stationierung der amerikanischen Atomwaffen ab.
Unterschiedliche Meinungen zu Energieboykotten
Ein deutlich unterschiedliches Meinungsbild zwischen Ost und West ergibt sich schließlich auch im Hinblick auf Boykotte von Energielieferungen aus Russland als Teil der gegen das Land verhängten Sanktionen.
So wurde ein häufig geforderter Boykott aller Gaslieferungen aus Russland durch Deutschland in den Erhebungen der vergangenen Wochen von durchschnittlich 42 Prozent der Westdeutschen, aber von weniger als einem Viertel der Ostdeutschen (24 %) befürwortet – eine Differenz von durchschnittlich 18 Prozentpunkten.
Noch deutlicher fiel Ende Mai das Meinungsbild zu einem Ölboykott gegen Russland aus: So befürworteten 61 Prozent aller Westdeutschen, aber nur 33 Prozent der Ostdeutschen einen vollständigen Boykott der russischen Öllieferungen nach Deutschland. Von den Ostdeutschen lehnten 57 Prozent einen solchen Ölboykott ab, von den Westdeutschen wiederum nur 35 Prozent.
Die großen Unterschiede in den Einstellungen der Ost- und Westdeutschen im Hinblick auf den Ukraine-Krieg und seine Folgen sind im Übrigen nur in sehr geringem Maße darauf zurückzuführen, dass der Anteil der AfD-Anhänger, deren Einstellungen in fast allen politischen Fragen fundamental von denen aller anderen Wahlberechtigten abweichen, in Ostdeutschland deutlich höher ist als in Westdeutschland. Vielmehr zeigen sich bei den zentralen Fragen zum Ukraine-Krieg auch zwischen den Befragten ohne AfD-Präferenz in Ost und West ähnlich große Unterschiede wie zwischen Ost- und Westdeutschen insgesamt. Mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es somit in zentralen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik weiter eine tiefe Kluft in den Einstellungen zwischen Ost- und Westdeutschen, die durch den Ukraine-Krieg offengelegt und möglicherweise sogar noch weiter vertieft wurde.
Wenig Veränderung bei der politischen Stimmung
In der politischen Stimmung ändert sich in der aktuellen Woche nur wenig: Die SPD verliert gegenüber der Vorwoche einen Prozentpunkt, während die AfD einen Prozentpunkt hinzugewinnt. Damit sinkt die SPD erneut unter die 20-Prozent-Marke. Die Union bleibt mit 26 Prozent weiter stärkste Partei vor den Grünen mit ebenfalls unverändert 24 Prozent.
Die AfD könnte aktuell mit 10 Prozent, die FDP mit 6 und die Linke mit 5 Prozent der abgegebenen Stimmen, würde der Bundestag jetzt neu gewählt. Die sonstigen Parteien erreichen zusammen weiter 10 Prozent.
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