Die Voraussetzungen könnten unterschiedlicher kaum sein. Während die Teheraner Baukunst nahezu unbekannt (und unerforscht) ist, scheint die Moderne von Tel Aviv (unter der falschen Zuschreibung des „Bauhauses“) längst legendär geworden. Gemeinsamkeiten und Unterschiede: Darauf macht die Ausstellung im Baukunstarchiv NRW in Dortmund aufmerksam. Wie der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Ernst Uhing, anlässlich der Vernissage am 11. August in Dortmund ausführt, will die Ausstellung „Klischees und vorgefasste Meinungen überwinden, in einer Begegnung konstruktive Energien und Entdeckerlust freisetzen und dazu anregen, die ‚architektonische Moderne‘ neu zu sehen“.
Irmel Kamp (Aachen) und Andreas Rost (geboren in Weimar; lebt in Berlin) spüren mit ihren fotografischen Inszenierungen von mehr als 50 Bauten historischen Zusammenhängen nach, stellen kulturelle Kontexte her und werfen aktuelle Fragen auf. Etwa nach dem Umgang mit den Bauwerken, nach ihrer Weiternutzung und baulichen Entwicklung. Es stellt sich aber auch die Frage, inwieweit Architektur politische Aussagen und Haltungen reflektiert – und wie die Architektur auf wechselnde politische Systeme reagiert.
Ist das Tel Aviver Modell von Vermarktung und Weiterbau ein Vorbild zur Rettung der modernen Architektur in Teheran – und andernorts? In mancher Hinsicht erinnert der Zustand iranischer Bauten heute an die Situation der späten 1980er Jahre in Tel Aviv: Besonderheit und Wert erkennen bisher nur ein kleiner Kreis von Fachleuten; viele Häuser stehen leer und harren der Sanierung; erst allmählich etabliert sich ein breiteres Bewusstsein.
Gegenübergestellt werden die Bilderserien zweier international renommierter Fotokünstler. Irmel Kamps Aufnahmen von Tel Aviv entstanden in einem mehrjährigen Projekt – inbegriffen eines 2-jährigen Forschungsauftrages der DFG unter Leitung von Prof. Winfried Nerdinger von der TU München – Ende der 1980er, Anfang der -90er Jahre. Sie zeigen die Bauten in einem regelrechten Dornröschenschlaf vor ihrer Wiederentdeckung – die durch diese Fotoserie mit eingeleitet worden war. Andreas Rost fuhr 2018 in den Iran, um die Bauten der Moderne fotografisch zu erkunden. Das Projekt ist ein erstes Herantasten an einen Baubestand, der weitaus größer ist, als vielfach angenommen wurde, und dessen systematische Erforschung, Dokumentation und Veröffentlichung aussteht.
Die Ausstellung wurde von Dr. Christian Welzbacher kuratiert; die Ausstellungsarchitektur stammt von Christos Stremmenos.
Führungen und Rahmenprogramm
Das Baukunstarchiv NRW beteiligt sich mit der Ausstellung am 11. September am „Tag des offenen Denkmals“. Die Ausstellung kann den ganzen Tag besucht werden; Christos Stremmenos, Gestalter der Ausstellungsarchitektur, wird drei Führungen anbieten (12.00, 14.00, 16.00 Uhr).
Am 17.09.22 wird Ausstellungskurator Christian Welzbacher anlässlich der „Dortmunder DEW21-Museumsnacht“ ebenfalls drei Führungen anbieten (jeweils ca. 30 Minuten; 16.45 Uhr; 18.45 Uhr; 20.45 Uhr). Info und Anmeldung unter www.baukunstarchiv.nrw.
Katalog
Zur Ausstellung ist im Rahmen der Schriftenreihe des Baukunstarchivs NRW ein umfangreicher Katalog erschienen:
Welzbacher, Lehrmann, Sonne (Hrsg.): „TEHERAN – TEL AVIV. Irmel Kamp – Andreas Rost. Experiment International Style 1930 – 1940. Eine fotografische Begegnung.“ Verlag Kettler, 200 Seiten, ISBN: 978-3-98741-011-6. Preis: 34,00 €.
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